Einspruch! Habt ihr etwa noch nie vom Staranwalt Phoenix Wright gehört?! Die Redaktion plädiert für schuldig und verlangt, dass der Leser sich diesen Artikel ganz genau durchliest, um seine Meinung über die „Ace Attorney“-Reihe zu überdenken!
Eröffnungsplädoyer
Zunächst einmal möchten wir dem Angeklagten klarmachen, wovon wir
eigentlich sprechen und müssen dafür etwas weiter ausholen. Genau
genommen bis zum Jahr 1994, in dem Shu Takumi, der spätere Director und
Script-Writer der „Ace Attorney“-Reihe, zusammen mit Hideki Kamiya,
welcher heute bei Platinum Games tätig und für Spiele wie „Bayonetta“
oder „The Wonderful 101“ verantwortlich ist, bei Capcom angefangen hat.
Dort beschäftigte sich Takumi zunächst zusammen mit Shinji Mikami mit
„Resident Evil 2“ und arbeitete darauf an den Spielen „Dino Crisis“
sowie dem Sequel „Dino Crisis 2“. Bei dem zuletzt genannten Spiel durfte
er sogar nach Anfrage die Rolle des Directors übernehmen.
Nachdem er die Spiele aber fertig gestellt hatte, bekam er von Shinji
Mikami die Möglichkeit, innerhalb von sechs Monaten ein eigenes Spiel
fertig zu stellen. Da er Capcom mit dem Wunsch beigetreten war, Mystery-
und Adventure-Spiele zu entwickeln, nutzte er die Zeit, um mit einem
sieben Mann starken Team an einer Visual Novel zu arbeiten. Visual
Novels sind in Japan relativ beliebt und unterscheiden sich, je nach
Ausführung, teilweise gar nicht so sehr von den uns bekannten
Adventures. Die Basis einer Visual Novel ist im Grunde, wie der Name
schon sagt, ein Roman, welcher oft sehr dialoglastig ausfällt und mit
Bildern oder Musik untermalt wird. In der Regel schlüpft der Spieler in
die Rolle des Protagonisten und darf für diesen dann an zentralen
Knotenpunkten der Handlung entscheiden, wie die Geschichte weitergeht.
Also im Grunde so, wie man es aus heutigen Rollenspielen, wie zum
Beispiel „Mass Effect“, kennt.
Takumi veröffentlichte seine mit seinem Team erstellte Visual Novel
schließlich am 11. Oktober 2001 in Japan unter dem Namen „Gyakuten
Saiban“ für den Game Boy Advance. Darauf sollten noch zwei Nachfolger
folgen, einer im Jahr 2002 und einer im Jahr 2004, ebenfalls für den
Game Boy Advance, bevor dann im September 2005 der erste Teil für den
Nintendo DS samt Touchscreen-Steuerung neu aufgelegt wurde. „Gyakuten
Saiban“ lässt sich frei in etwa mit „Wandel im Gerichtsverfahren“
übersetzen und spätestens jetzt sollte beim Angeklagten der Groschen
gefallen sein, um welche Visual Novel es sich bei „Gyakuten Saiban“
handelt: Das DS-Remake von „Gyakuten Saiban“ erschien am 31. März 2006
unter dem Namen „Phoenix Wright: Ace Attorney“ in Europa.
„Phoenix Wright: Ace Attorney“
Als die Arbeit an seinem neuen Spiel begann, sollte das Szenario eher
schlicht mit einem Detektiven als Protagonisten ausfallen. Doch während
der Entwicklung kam ihm dann eine Idee: Anstatt dem Spieler, wie oben
bereits erläutert, lediglich die Wahl zwischen vorgegeben Antworten zu
überlassen, wollte er den Spieler dazu animieren, aktiv mitzudenken, um
die Lücken in den Falschaussagen der Verdächtigen aufzudecken. Im Rahmen
dieses neuartigen Gameplay-Konzeptes erschien ihm dann ein Detektiv als
Protagonist als zu traditionell und wer sonst könnte sich besser dafür
eignen, einen Zeugen zu verhören, als ein Anwalt?
Das Spiel beginnt mit dem frischgebackenen Anwalt Phoenix Wright,
welcher reichlich hilflos auf die Hilfe seiner Mentorin und Chefin Mia
Fey im ersten Fall angewiesen ist. Diese gibt ihm jedoch vollen
Rückhalt, da sie fester Überzeugung ist, dass in Phoenix ein ganz großes
Talent schlummert, welches er schon bald unter Beweis stellen muss, da
Mia unmittelbar nach dem ersten Fall ermordet wird. Als Phoenix ihre
Leiche im Büro entdeckt, findet er auch ihre kleine Schwester Maya Fey,
die von der Polizei sogleich als Verdächtige festgenommen und des Mordes
beschuldigt wird. Das Bild, wie Maya völlig aufgelöst neben ihrer toten
Schwester kniet, brannte sich Phoenix ins Gedächtnis und so beschließt
er, sie vor Gericht zu verteidigen. Ab hier muss er sich ganz allein vor
Gericht behaupten.
Das Spiel lässt sich vorrangig in zwei Abschnitte unterteilen. Meist
geht der eigentlichen Gerichtsverhandlung eine Ermittlung voraus, in der
es in altbewährter Point and Click-Manier gilt, den Tatort auf
verdächtige Spuren zu untersuchen, mit Zeugen zu sprechen und Beweise zu
sichern. Ist dies erledigt, beginnt der Prozess vor Gericht. In „Ace
Attorney“ gibt es ein etwas anderes System als bei uns. Dort heißt es
nämlich, dass ein rechtskräftiges Urteil nach spätestens drei Tagen
gefällt werden muss. Ist bis dahin die Unschuld des Mandanten nicht
bewiesen, wird er für schuldig befunden. Vor Gericht lädt dann die
Staatsanwaltschaft einen Zeugen vor, dessen Aussage nahezu immer eine
Lücke oder einen Widerspruch aufweist. Zum Beispiel, weil er gar nicht
so viel weiß, wie er vorgibt, weil er sich schlichtweg irrt oder weil er
den Angeklagten belasten möchte. Hier kann man dann während der
Zeugenaussage jederzeit einen Beweis vorlegen, von dem man überzeugt
ist, dass er einen Widerspruch in der Zeugenaussage aufdeckt. Da die
Fälle im Laufe des Spiels immer komplexer werden, gibt es oftmals
verschiedene Etappen, sodass man zwischen den Gerichtsterminen nochmal
an den Tatort zurückkehrt, um neue Erkenntnisse zu überprüfen und weit
mehr als nur einen Zeugen in ein Kreuzverhör nimmt.
„Ace Attorney: Justice for All“
Ein ganz besonderes Element der „Phoenix Wright“-Reihe sind die immer
wiederkehrenden Figuren. Interessant ist jedoch, dass dies ursprünglich
gar nicht geplant war. Jeder Charakter ist vielschichtig und besitzt
viele Facetten, weshalb man seine Meinung über diverse Figuren öfters
revidieren muss, da man sie im Nachhinein besser kennenlernt.
Ursprünglich sollten neben dem Protagonisten Phoenix selbst auch seine
Assistentin, wenn man so will, Maya, der Inspektor Dick Gumshoe und der
Staatsanwalt Miles Edgeworth wiederkehrende Figuren sein, die sich immer
wieder vor Gericht oder während der Ermittlungen begegnen. Aus Zeitnot
war man im ersten Teil aber gezwungen, Larry Butz, dem Verdächtigen aus
dem allerersten Fall und ehemaligen Schulfreund von Phoenix, erneut zu
verwenden. Dieses Feature kam bei den Fans aber so gut an, dass man
beschloss, dieses Feature beizubehalten und bestimmte Figuren immer und
immer wieder auftreten zu lassen, die mit ihrer skurrilen Art das
Geschehen ordentlich aufmischen.
Das Gameplay und die Optik hingegen blieben nahezu unverändert. Die
Entwickler wollten explizit erreichen, dass sich die Spiele wie aus
einem Guss anfühlen. Dennoch gab es eine kleine Veränderung: das
Magatama. Das Magatama ist ein kleiner Talisman, der es Phoenix erlaubt,
mentale Barrieren zu entdecken. Sollte also jemand versuchen, ihm
gegenüber etwas zu verheimlichen, kann er die Schlösser sehen, die die
Wahrheit zu verheimlichen versuchen. Legt er die passenden Beweise und
Argumente vor, kann er die Schlösser aufbrechen und die Wahrheit vom
Zeugen erfahren.
„Ace Attorney: Trials and Tribulations“
Während in „Justice for All“ noch mit dem Magatama ein neues Gameplay-Element hinzugekommen war, verzichtete man im dritten Teil auf jegliche Neuerungen. Stattdessen wollten Shu Takumi und sein Team erreichen, dass die „Ace Attorney“-Trilogie zu einem würdigen Abschluss kommt. Viele Figuren kommen noch einmal vor, unter anderem sogar Phoenix Mentorin Mia in einer Rückblende und viele offen gebliebene Fragen werden geklärt. Takumi sagte in einem Interview, dass es schwierig sei, den passenden Moment für ein Ende abzupassen. Würde man ihn zu lange herauszögern, dann würde man riskieren, dass die Qualität nachlässt und der Reihe damit schaden. Doch leider war Capcom da noch ein wenig anderer Meinung und so bekam Shu Takumi den Auftrag, etwa drei Jahre nach dem ersten Release von „Trials and Tribulations“ auf dem Game Boy Advance einen weiteren Teil zu entwickeln und herauszubringen:
„Apollo Justice: Ace Attorney“
Ursprünglich hatte Takumi nicht einmal vorgehabt, Phoenix Wright vorkommen zu lassen. Wenn er schon einen neuen „Ace Attorney“-Teil machen sollte, dann sollte sich dieser zumindest völlig neu anfühlen und mit frischen Charakteren antreten. Doch auch hier war das Team anderer Meinung. Takumi hat zwar letzten Endes tatsächlich versucht, ein wenig Distanz zu seinen alten Teilen aufzubauen, indem er in der Geschichte sieben Jahre verstreichen ließ und mit Apollo Justice einen neuen, jungen und unerfahrenen Protagonisten eingeführt hat, aber Phoenix Wright nimmt trotz allem eine relativ große Rolle ein. Ihm wurde vorgeworfen, Beweise manipuliert zu haben, er verlor seine Anwaltsmarke und hält sich seitdem im Hinterzimmer eines schäbigen Restaurants als Pokerspieler über Wasser. Ohne jetzt allzu viel vorwegnehmen zu wollen, sei natürlich verraten, dass die Ereignisse im Laufe des Spiels noch näher beleuchtet werden.
„Apollo Justice“ ist der erste Teil, der exklusiv für den Nintendo DS
entwickelt wurde. Die vorherigen Teile waren schließlich lediglich
Remakes der Game Boy Advance-Spiele. Der erste Teil bekam in der
DS-Version einen Extra-Fall spendiert, der von den besonderen Features
des Nintendo DS profitieren sollte. Dort konnte man beispielsweise
Beweise von allen Seiten betrachten und auf Eigenheiten untersuchen.
Dies geht jetzt durchgängig in „Apollo Justice“. Weiterhin bekommt man
dreidimensionale Skizzen vom Tatort, anhand derer man bestimmte Theorien
vor Gericht erläutern soll und auch das besondere Armband von Apollo
selbst spielt eine besondere Rolle: Dieses spannt sich nämlich enger um
seinen Arm, wenn Zeugen sich seltsam verhalten. Grund dafür sind die
Beschaffenheit des Materials und Apollos gute Augen. Betrachtet man
einen Zeugen, der sich nervös oder angespannt verhält, versteift sich in
der Regel auch der Zuhörer, was Apollo schließlich spürt, da das
Armband so eng anliegt. Apollo bekommt dann die Möglichkeit, den Zeugen
in Zeitlupe während seiner Aussage ganz genau zu beobachten, um nervöse
Ticks ausfindig zu machen und so Lügen aufzudecken.
„Apollo Justice“ ist der letzte Hauptteil der Reihe, an dem Takumi
selbst involviert war. Es folgten allerdings noch einige weitere Spiele
in der „Ace Attorney“-Reihe: Dort wären die beiden Spin-off-Teile „Ace Attorney Investigations: Miles Edgeworth“ und der fünfte
Teil „Ace Attorney: Dual Destinies“. Doch bevor wir Shu Takumi endgültig
verlassen, möchten wir das Gericht zunächst auf nächste Woche Sonntag vertagen, um dann einen kleinen Ausflug zu einem anderen
Spiel von ihm zu machen, welches in diesem Zusammenhang sicherlich
nennenswert ist: „Ghost Trick“. Außerdem werfen wir noch einen kleinen Blick auf den Film sowie auf zwei ganz besondere Soundtrack-Alben.
Bisher gibt es neun Kommentare
Und Ghost Trick fand ich auch unfassbar gut, leider hat da der letzte Feinschliff gefehlt - war relativ viel "try and error" - aber dennoch ein geniales Spiel!
Falls du ein iOS Gerät hast: Es gibt die Teile als HD-Version für jeweils 5€ zum Download. Die ersten beiden Fälle vom ersten Teil sind sogar gratis. Allerdings sind diese dann nur auf Englisch. Günstiger kommt man da aber nicht dran.
Hoffentlich bringt Nintendo die drei GBA-Teile auch in die Wii U-VC, damit auch endlich mal mit der Reihe beginnen kann.
Übrigens auch eine Serie, die ich mir unheimlich gut als Oculus- oder Morpheus-Titel ausmalen kann...