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Phoenix Wright: Ace Attorney –...

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Ace Attorney: Eine Spielreihe im Wandel (Teil 2)

Das Gericht hat sich heute erneut zusammengefunden, um den Fall eines unwissenden Lesers näher zu erleuchten. Bereits letzte Woche plädierte die Redaktion dafür, den Leser für schuldig zu befinden und informierte sogleich über die ersten vier Teile der Hauptreihe „Ace Attorney“. In dieser Sitzung möchten wir zunächst einen kleinen Ausflug ins Jenseits vom „Ace Attorney“-Schöpfer Shu Takumi wagen, bevor wir auf die Spin-Offs, sowie den fünften und bislang letzten Teil eingehen.

„Ghost Trick: Phantom-Detektiv“

„Ghost Trick“ ist eigentlich kein Bestandteil der „Ace Attorney“-Reihe, besitzt aber eine Menge Ähnlichkeiten. Die Geschichte besitzt viele Twists, der Humor fällt ähnlich skurril, wenn auch etwas schwärzer aus und letzten Endes gilt es einem großen Rätsel auf der Spur zu kommen: Warum bin ich tot und wer hat mich ermordet?

Doch drehen wir erstmal die Zeit ein wenig zurück: Nachdem die Arbeiten am dritten Game Boy Advance-Teil der „Ace Attorney“-Reihe abgeschlossen waren, ging Shu Takumi mit seiner Planung unmittelbar zum nächsten Spiel weiter und entwickelte das Konzept für „Ghost Trick“. Doch wie oben bereits beschrieben, wurde ihm ein Strich durch die Pläne gemacht. Er musste an „Apollo Justice“ arbeiten und so kam es, dass zwischen der ersten Skizze und dem fertigen Spiel volle sechs Jahre vergingen.

In „Ghost Trick“ spielt man Sissel, der sich zu Beginn des Spiels als Geist auf einer Müllhalde wiederfindet und unpraktischerweise sein Gedächtnis verloren hat. Glücklicherweise ist mit Ray aber ein zweiter Geist anwesend, der Sissel darüber aufklärt, dass er nur noch diese Nacht Zeit hat, seinen eigenen Tod aufzuklären, bevor er völlig verschwindet. Leider sind ihm als Geist dabei einige Grenzen gesetzt. Er kann sich nicht einfach frei bewegen und anderen mitteilen, aber er kann innerhalb eines kleinen Radius von Gegenstand zu Gegenstand wandern und diese zumindest ein bisschen bewegen. Beispielsweise kann er eine Lampe oder einen Ventilator kurzerhand einschalten und hoffen, eine Kettenreaktion auszulösen. Im Laufe der Handlung wird Sissel dann Zeuge diverser Morde, die er verhindern kann, indem er in die Zeit vier Minuten vor dem Mord zurückwandert. Dort muss er dann anhand von Kettenreaktionen versuchen, den Lauf der Dinge zu ändern.

Insgesamt fällt „Ghost Trick“ nochmal etwas skurriler aus als die „Ace Attorney“-Reihe. Zum Beispiel stirbt jemand, weil ihm ein riesengroßes, gebratenes Hühnchen auf den Kopf fällt. Takumi erzählte in einem Interview, dass seine Kollegen regelmäßig an seinem gesunden Menschenverstand zweifelten, wenn er seine Ideen präsentierte. Dies war für ihn dann immer das Zeichen dafür, alles absolut richtig gemacht zu haben, denn berechenbar sollten seine Spiele wohl nicht sein. Und wo wir schon einmal dabei sind, die Spiele miteinander zu vergleichen: „Ghost Trick“ fühlt sich insgesamt eher wie ein Rätselspiel an als wie eine reine Visual Novel. Es wird zwar immer noch relativ viel gelesen, aber den Großteil der Zeit verbringt der Spieler mit den Puzzles. Es ist also tatsächlich mehr Spiel als Roman in diesem Fall.

Zu guter Letzt gibt es noch einen Aspekt an „Ghost Trick“, der besonders hervorgehoben werden sollte, weil er damals durchweg für eine positive Resonanz gesorgt hat: die Animationen. Hier hat man nämlich keine Mühen gescheut, um diese so butterweich wie möglich darzustellen. Die technischen Möglichkeiten des Nintendo DS sind relativ limitiert, weshalb man keine polygonreichen Figuren darstellen konnte. Dennoch entschied man sich dazu, zu jedem Charakter ein Polygon-Modell zu basteln. Anhand dieses Modells werden dann die Animationen von Hand, und nicht etwa per Motion-Capturing, geführt und entwickelt. War auch dieser Schritt abgeschlossen, begann man die 3D-Polygon-Modelle wieder zurück in die gewohnten 2D-Sprites zu konvertieren. Dies mag auf dem ersten Blick nach unnötig viel Arbeit klingen, aber wenn man „Ghost Trick“ einmal in Bewegung gesehen hat, merkt man die Eigenheit der Sprites sofort, womit sich der Aufwand absolut ausgezahlt hat.

„Ace Attorney Investigations: Miles Edgeworth“

Kommen wir wieder zurück zur „Ace Attorney“-Serie. Neben den Hauptteilen, gab es mit „Ace Attorney Investigations: Miles Edgeworth“ auch ein Spin-Off, an welchem Shu Takumi nicht involviert war. Stattdessen nahmen sich Takeshi Yamazaki und Motohide Eshiro, Director und Producer, der Spiele an. Yamazaki war zuvor bereits mit den Portierungen der Reihe auf dem Nintendo DS beauftragt gewesen, während Eshiro unter anderem „Onimusha 2“ und später auch „Okamiden“ auf seiner Vita verzeichnen darf. Zunächst planten die beiden, das Mädchen Ema Skye aus dem letzten Fall des ersten Teils zurückzuholen. Damals noch eine Schülerin, war sie darauf erpicht, eine wissenschaftliche Ermittlerin zu werden. Doch die Idee wurde relativ schnell verworfen, da man mit Miles Edgeworth einen wesentlich beliebteren und prominenteren Charakter zur Verfügung hatte.

Im Gegensatz zu Phoenix Wright ist Edgeworth kein Rechts-, sondern ein Staatsanwalt. Im Klartext bedeutet das also, dass er versucht, das Gericht von der Schuld des Angeklagten zu überzeugen. Wer jetzt aber den bösen Antagonisten in Edgeworth erwartet, der irrt sich. Edgeworth ist im Vergleich zu anderen Figuren des „Ace Attorney“-Universums eine Figur voller Facetten und Tiefen, die er sich, aufgrund seiner schweigsamen Art, auf dem ersten Blick nicht alle entlocken lässt.

Die Tatsache, dass dieser Teil ein Spin-Off wird, wurde bereits mit der Ankündigung deutlich: „NEW Gyakuten NOT Saiban“, hieß es damals. Also erwartet uns ein neuer Wandel, aber kein Gerichtsverfahren. In dem Spiel „Gyakuten Kenji“ – also etwa „Staatsanwalt im Wandel“, im Englischen wurde es schließlich „Ace Attorney Investigations: Miles Edgeworth“ getauft – erleben wir seine Ermittlungen, bevor er den Gerichtssaal betritt. Man untersucht den Tatort, unterhält sich mit Zeugen und anderen Ermittlern und versucht dann, den Täter noch am Tatort zu überführen. Im Grunde unterscheidet sich dieser Teil also gar nicht so sehr von den anderen, da man seine Wortgefechte trotzdem führt – nur eben nicht vor Gericht, sondern gleich am Tatort. Der zentrale Unterschied ist nur die Art und Weise, wie man sich dabei fortbewegt: Statt in altbewährter Point and Click-Manier bewegt man Edgeworth in Form einer Sprite über den Bildschirm, sodass man sich am Tatort und den umliegenden Räumen frei bewegen kann. Ein weiterer Unterschied ist die Tatsache, dass einige Hinweise erst gesammelt werden müssen, bevor sie verwertet werden. Diese finden sich unter dem Button „Logik“ wieder. Hier muss der Spieler einige Hinweise richtig einander zuordnen, um Rückschlüsse auf wichtige Fakten bezüglich des Falls zu ziehen, damit das Spielgeschehen weitergeht.

„Gyakuten Kenji 2“

„Gyakuten Kenji 2“ ist dann später so etwas wie das schwarze Schaf der „Ace Attorney“-Reihe. Nicht etwa, weil es ein schlechtes Spiel ist oder weil es sich in Japan schlecht verkauft hat – ganz im Gegenteil: „Gyakuten Kenji 2“ war in Japan auf Platz 1 der Verkaufscharts in der Releasewoche –, sondern weil es nach wie vor nicht im Westen erschienen ist. Im Westen ist und scheint „Ace Attorney“ einfach ein Geheimtipp zu bleiben, was letzten Endes auch ein Grund für diesen Artikel ist. Diejenigen, die sich auf die Spiele eingelassen haben, sind oftmals im Nachhinein begeistert, aber die Verkaufszahlen sind unterm Strich eher enttäuschend. „Für Ace Attorney“ in Deutschland bedeutete das konkret, dass nach „Apollo Justice“ kein Spiel mehr auf deutsch herausgebracht wurde. „Ace Attorney Investigations: Miles Edgeworth“ erschien lediglich auf Englisch und der zweite Teil kam schließlich gar nicht mehr außerhalb Japans auf den Markt.

Dabei bot „Gyakuten Kenji 2“ mit der Chess Logic ein durchaus interessantes Feature. In jedem Kapitel gibt es zwei besondere Wortgefechte, in denen sich der Spieler unter Zeitdruck für eine von zwei Antworten im Gespräch entscheiden muss. Gelegentlich erscheint dann neben einer Antwortmöglichkeit eine Schachfigur. Wägt er sich im Gespräch in einer starken Position, kann er die Figur wählen und den Gegenüber damit „angreifen“. Misslingt dies, verliert er wertvolle Zeit, doch wenn er Recht behält, darf er weiter in der Geschichte voranschreiten. Ein durchaus interessantes Feature, da es außerhalb von „Gyakuten Kenji 2“ nie Elemente unter Zeitdruck gegeben hat. Normalerweise hat der Spieler alle Zeit der Welt, sich nochmal die Beweise anzusehen oder sich die Zeugenaussage immer und immer wieder durchzulesen.

„Ace Attorney: Dual Destinies“

Nachdem „Ace Attorney Investigations: Miles Edgeworth“ nicht auf deutsch lokalisiert wurde und „Gyakuten Kenji 2“ gar nicht erst außerhalb Japans erschien, war die Angst damals groß, dass der zweite Generationensprung nicht im Westen erscheinen würde. „Dual Destinies“ sollte nämlich für den 3DS erscheinen und wahrscheinlich die größten Veränderungen seit Beginn der „Ace Attorney“-Reihe mit sich bringen. Die Auffälligste unter ihnen sollte der neue Look sein: Im Vergleich zu den vorangegangenen „Ace Attorney“-Teilen, welche alle mit Sprites dargestellt wurden, ist der neue nämlich komplett mit Polygonen dargestellt. Dreidimensionale Figuren und ein komplett vorhandener Gerichtssaal brachten durchaus ihre Vorteile mit sich, da der obere Bildschirm dazu in der Lage ist, ein 3D-Bild darzustellen und den Gerichtssaal samt Figuren dadurch plastischer wirken lässt. Auch sind dadurch nun ein paar Kameraschwenks möglich, die sich mit den starren Sprites nicht so leicht umsetzen ließen. Das Spielgeschehen wirkt insgesamt etwas dynamischer.

Doch dies ist nicht die einzige optische Neuheit: Neben dem normalen Spielgeschehen gibt es nun auch besondere Anime-Sequenzen, welche die Schlüsselszenen hervorheben. Diese wurden vom Studio Bones produziert, welches den Anime-Fans ihr Können bereits durch Serien wie „Fullmetal Alchemist“, „Ouran High School Host Club“, „Soul Eater“, „Darker Than Black“ oder „Gosick“ eindrucksvoll unter Beweis stellten.

Doch auch in der Story gibt es eine entscheidende Neuerung: Man spielt nicht nur einen Rechtsanwalt, sondern gleich drei: Phoenix Wright kehrt zurück, Apollo Justice ist nach wie vor mit dabei und mit Athena Cykes holt Phoenix eine neue, junge Anwältin mit ins Boot, welche ein paar Besonderheiten mit sich bringt. Die Dame hat nämlich ein besonders scharfes Gehör und hat nebenher Psychologie studiert. Falls Zeugen emotional in ihrer Aussage schwanken, dann hört sie es. Zusammen mit ihrem kleinen Computer „Widget“ und ihrem Psychologie-Studium kann sie dann ad hoc feststellen, ob sich ein Zeuge widersprüchlich verhält. Beispielsweise gibt es im ersten Fall eine Zeugin, welche völlig verängstigt und durch den Wind ist. Da die Anwälte mit ihrer wirren Aussage nicht weiterkommen, beschließen sie daher, eine Analyse durchzuführen und stoßen auf den Widerspruch, dass sie sich seltsamerweise während ihrer Aussage zu freuen scheint, fast von der einstürzenden Decke erschlagen worden zu sein. Darauf angesprochen erinnert sie sich daran, dass Apollo Justice sie unter Einsatz seines Lebens gerettet hat und angesichts dieser schönen Erinnerungen beruhigt sie sich ein wenig.

Interessanterweise wurde Shu Takumi auch einmal darauf angesprochen, wie es sich anfühle, wenn er sieht, dass seine Spielreihe von anderen Leuten weitergeführt wird, und in der Tat hat er geantwortet, gemischte Gefühle dabei zu haben. Konkret nannte er, dass er es seltsam fand, dass das Team sich dazu entschlossen hatte, Phoenix Wright wieder zurück zu bringen, nachdem er ihn damals schon nach dem dritten Teil außen vor gelassen hatte und Apollo Justice im vierten zur Hauptfigur machte. Insgesamt aber hätte er Verständnis für den vorübergehenden Personalwechsel. Er bringe immer etwas frischen Wind und neue Ideen mit sich, die der Serie sicherlich gut tun werden. Das Team wisse, wie die Kernelemente der Reihe funktionieren und solange die Fans zufrieden sind, sei er es auch. Allein schon die Tatsache, dass seine Reihe nach über zehn Jahren noch existiert, sei ein Grund zur Freude.

Letzten Endes haben wir „Ace Attorney: Dual Destinies“ weder auf der Ladentheke noch auf Deutsch zu Gesicht bekommen. Der Teil erschien ausschließlich im eShop und dort auch nur auf Englisch, aber dafür war das Spiel gleich zu Release für lediglich 25 Euro zu erwerben. Für Fans, die der englischen Sprache mächtig sind, ist es sicher ein lobenswertes Entgegenkommen, doch alle anderen schauen ein wenig in die Röhre. Die Fälle sind lang und komplex und die Aussicht, dann auch noch alles auf Englisch lesen zu müssen, ist für viele sicherlich abschreckend, aber es lohnt sich! Wer skeptisch ist, mag vielleicht auch noch einen Blick in die kostenlose Demo aus dem eShop werfen.

Einspruch!

Wer dem Irrglauben erlegen war, dass dies der letzte Teil unseres Reports war, der irrt sich. Das Gericht wird sich nächste Woche Sonntag noch zu einer abschließenden Besprechung zusammenfinden und einen Blick über den Tellerrand wagen. Bis dahin wird der Angeklagte gebeten, erreichbar zu bleiben und das Land nicht zu verlassen.

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Bisher gibt es vier Kommentare

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  • Avatar von Gallifrey
    Gallifrey 07.04.2014, 08:37
    Zitat Zitat von Hershel Layton Beitrag anzeigen
    Sehr interessanter Report! Ich hoffe doch, dass der abschließende Teil dann auch den Spielfilm behandelt ^^
    Beste Spieleverfilmung aller Zeiten :'D
  • Avatar von Hershel Layton
    Hershel Layton 06.04.2014, 19:51
    Sehr interessanter Report! Ich hoffe doch, dass der abschließende Teil dann auch den Spielfilm behandelt ^^
  • Avatar von Tiago
    Tiago 06.04.2014, 17:53
    Zitat Zitat von Teschnertron Beitrag anzeigen
    Auch der zweite Teil war sehr lesenswert. Vielen Dank für die Mühe.
    Gern geschehen!
  • Avatar von Teschnertron
    Teschnertron 06.04.2014, 10:45
    Auch der zweite Teil war sehr lesenswert. Vielen Dank für die Mühe.