Nach dem Rechtssystem der „Ace Attorney“-Spiele muss ein rechtskräftiges Urteil nach drei Tagen gefällt werden. Statt drei Tage sind es bei uns nun drei Reports geworden, in denen die Redaktion sich der juristischen Aufklärung eines unwissenden Lesers, dem die „Ace Attorney“-Reihe nicht geläufig ist, verschrieben hat. In der heutigen Sitzung wird uns ein wohlbekannter Gentleman zu Gast sein und unsere Augen und Ohren werden staunen.
„Professor Layton vs. Phoenix Wright: Ace Attorney“
Es gab einen besonderen Grund, warum Shu Takumi nicht am fünften Teil beteiligt war: Er arbeitete in der Zwischenzeit zusammen mit Level 5 an einem Crossover zwischen unserem Ass-Anwalt und Professor Layton, welches seit dem 28. März diesen Jahres erhältlich ist. In dem Spiel begegnen die beiden Helden nacheinander dem mysteriösen Mädchen Sophie, welches behauptet, von Hexen verfolgt zu werden. Außerdem trägt die junge Dame ein Buch bei sich, nach dessen Aufschlagen man sich in der Welt Labyrinthias wiederfindet. Dort angekommen, versucht die ungleiche Truppe natürlich wieder nach Hause zu kommen, während der Verlauf der Geschichte aber vorsieht, dass sie in die sogenannten Hexenprozesse sowie in die Geschichte rund um den Autor des Buches verwickelt werden.
Shu Takumi zufolge war es ziemlich schwer, den Professor und den Anwalt unter einen Hut zu kriegen, und man investierte viel Zeit in Vorüberlegungen. Da man jedem Charakter einen angemessenen Auftritt schenken wollte, mussten eine Idee und ein Setting gefunden werden, die beiden gerecht werden. Schließlich war der Geistesblitz gefunden worden, als Takumi überlegte, ob er mit Logik und rationalem Denken ein Verbrechen aufklären könnte, welches mit etwas Irrationalem wie Magie verübt wurde. Die Idee gefiel ihm und sie wurde zur Leitfrage des Spiels während der Entwicklung, sodass die harte Arbeit letzten Endes doch Spaß gemacht haben soll.
Im Gameplay wechseln sich der Gentleman und der Mann mit dem berühmten Zeigefinger ab, indem man Dorf-Panoramen, typisch für Professor Layton, mit einer Lupe absucht und die Rätsel der Dorfbewohner löst, um die Handlung voran zu treiben, während vor Gericht die Fälle selbstverständlich in feinster „Ace Attorney“-Manier gelöst werden. Als kleines Schmankerl oben drauf wurden die Anime-Sequenzen auch hier vom Studio Bones entwickelt. Aber mal ehrlich: Bei so einem Duo konnte doch nun wirklich nichts schief gehen, oder?
Einen kleinen Seitenhieb auf den Professor konnte sich Shu Takumi aber trotzdem nicht verkneifen. In einem Interview wurde er gefragt, wer denn wohl in einem echten Duell zwischen den beiden als Sieger hervorgehen würde, und er war sich sicher, dass Fortuna an Phoenix' Seite stehen würde, da ihm schlussendlich immer der passende „Wandel“ in jeder schwierigen Situation gelingt. Er entschuldigte sich bei dem Professor und sagte schelmisch, dass das Glück wohl schlichtweg nicht auf seiner Seite sein wird.
Wandel im Kinosaal
Der Name Takashi Miike ist vielleicht dem ein oder anderen Fan asiatischen Kinos ein Begriff. Der Mann mit einem Faible für Yakuza und brutalen Filmen hat seit seinem Debüt 1991 bereits über 70 Filme herausgebracht. Die bekanntesten werden wahrscheinlich „13 Assassins“, „Audition“ und „Sukiyaki Western Django“ sein und ausgerechnet er sollte beim „Ace Attorney“-Film Regie führen. Das wirklich Verblüffende: Es gelingt!
Miike schafft es, die dialoglastige und vermeintlich trockene Vorlage spannend in einen etwas über zwei Stunden langen Film zu verpacken. Mit Hiroki Narimiya als Phoenix Wright, Takumi Saito als Miles Edgeworth, Akiyoshi Nakao als Larry Butz und Mirei Kiritani als Maya Fey und einer Menge Mut für gewagte Kostüme, welche allesamt einschließlich der verrückten Frisuren so originalgetreu wie möglich übernommen wurden, gelingt es Takashi Miike, ein homogenes Gesamtbild zu erzeugen und das „Ace Attorney“-Universum dank einer Menge Liebe fürs Detail glaubhaft darzustellen. Der Film besitzt eine Menge Witz und Charme und schafft es, das „Ace Attorney“-Gefühl auf die große Leinwand zu zaubern.
Ankreiden könnte man dem Film lediglich, dass er etwas gehetzt wirkt. Hier und da musste die komplexe Handlung ein wenig angepasst werden, um es dem Zuschauer etwas leichter zu machen, der Geschichte zu folgen zu, und trotzdem verlangt er eine Menge Aufmerksamkeit ab. Auch die Charaktere können sich nicht ganz entfalten. Wie bereits genannt, lernt man viele Charaktere mit ihren Facetten erst mit der Zeit kennen. In der Kürze eines Filmes ist dies einfach schwer umsetzbar und so wirkt Phoenix ein wenig zu verplant und Maya nicht ganz so sympatisch und im positiven Sinne albern wie in der Vorlage. Auch Edgeworth, welcher wahrscheinlich den komplexesten Charakter darstellt, will es nicht ganz gelingen, seine Tiefe zu demonstrieren.
Unterm Strich ist es daher schwer zu sagen, ob „Ace Attorney“ ein Film für Jedermann oder doch eher für Fans ist. Fans werden aber sicherlich voll auf ihre Kosten kommen und alle anderen sollten auf jeden Fall einmal einen Blick riskieren. „Ace Attorney“ ist sicherlich eine der besten, wenn nicht sogar die beste Videospielverfilmung, die es gibt, und selbst „Ace Attorney“-Erfinder Shu Takumi ist hellauf begeistert von dem Film.
Der musikalische Wandel
Früher waren einem als Komponisten bei der Entwicklung von Spielen die Hände gebunden. Dieses Problem hat sich zwar mit der Zeit ein wenig entspannt, aber zu der Zeit, zu der die Entwicklung von „Ace Attorney“ auf dem Gameboy Advance begann, gab es natürlich gewisse Limits, mit denen Noriyuki Iwadare, der Komponist der „Ace Attorney“-Reihe, umgehen musste. Als Folge daraus klingt der Soundtrack doch sehr deutlich nach Midis und nach elektronischer Musik, was jetzt keineswegs wertend gemeint sein soll. Die Musik hat durchaus ihren Charme, aber es war doch eine sehr verblüffende Erfahrung zu hören, wie unfassbar viel mehr in den Kompositionen steckt, als man auf dem Gameboy Advance zunächst gedacht hätte.
Das Medium Videospiele wird immer bedeutender und größer und so verwundert es kaum, dass die Musik derer heutzutage selbst die größten Konzertsäle der Welt problemlos zu füllen vermag. Im Jahre 2006 arbeitete Noriyuki Iwadare mit einem Orchester zusammen, um das Album „Gyakuten meets Orchestra“ aufzunehmen, welches, aufgrund von unterschiedlicher Besetzungen in verschiedenen Variationen, in Japan aufgeführt wurde. Das Album verleiht dem Soundtrack eine Tiefe und Emotionalität, die unter die Haut geht. Von epischen Klängen bis hin zur melancholischen „fragrance of dark coffee“ wird man von der Gewalt des Orchesters überwältigt und mag „Ace Attorney“ fast nie wieder anders hören.
Aber auch nur fast. Denn es gibt noch eine schöne Alternative, die Mastermind Iwadare erschaffen hat: „Gyakuten Jazz Soul“, auch bekannt als „Turnabout Jazz Soul“. Eine kleine Anmerkung am Rande: „Gyakuten“ und „Turnabout“ werden im Deutschen mit „Wandel“ übersetzt. Ähnlich wie in unseren Überschriften, tragen die einzelnen Fälle der „Ace Attorney“-Spiele stehts das Wort „Wandel“ im Titel. „Turnabout Jazz Soul“ ist ein Album, welches ein Jahr nach dem Orchester-Album im Jahr 2007 erschien und den kompletten Soundtrack „verjazzt“. Zwar gab es in „Ace Attorney“ bereits einige Jazz-Themen wie das bereits genannte „fragrance of dark coffee“ oder das „swinging Furio Tigre“, doch dieses Album beschränkt sich nicht ausschließlich auf diese, sondern macht auch aus vielen Stücken eine Jazz-Variante, von denen man ursprünglich gar nicht geglaubt hätte, dass die Rechnung aufgehen würde. Das Album groovt, die Soli und Improvisationen sind super, aber nicht zu ausgefallen, sodass auch Menschen, die sonst eher weniger oder gar kein Jazz hören, ruhig mal reinhören können. Fans der Spiele sollten dem auf jeden Fall mal eine Chance geben. Ihr werdet verblüfft sein, wie anders und wie gut die bekannten Melodien umgesetzt wurden. Der „Ace Attorney“-Ansatz, die Dinge mal aus einem anderen Blickwinkel zu betrachen, wurde hier auch in der Musik umgesetzt und es ist schön zu sehen, beziehungsweise zu hören, wie man mal über den konventionellen Tellerrand hinaus gedacht hat.
Schlussvorträge
Zusammenfassend kann man den ursprünglichen Nischentitel „Ace Attorney“ mit fünf Hauptteilen, zwei Spin-Offs und einem Crossover auf Augenhöhe mit dem wohl berühmtesten Gentleman der Videospielgeschichte mitlerweile zugestehen, zu einer großen und absolut ernstzunehmenden Franchise geworden zu sein. Die kniffligen Fälle, die überraschenden Wendungen sowie den herrlich skurrile Humor, der von den Figuren getragen wird, hat man so einfach noch nicht gesehen und weiß bereits nach wenigen Minuten vor Gericht zu begeistern. Es ist einfach schade, dass „Ace Attorney“ noch nicht die ganz große Aufmerksamkeit bekommen hat, die es verdient, und die enttäuschenden Verkäufe werden dem Titel einfach nicht gerecht. Wir hoffen, dass wir euch mit unseren Reports einen schönen Einblick in die Reihe geben konnten und ihr Lust bekommen habt, mal in das Spiel reinzuschnuppern. Theoretisch könnt ihr jederzeit mit einem beliebigen Teil einsteigen. Schlimmstenfalls entgehen euch ein paar Seitenhiebe zwischen den Charakteren, aber die Handlung selbst ist nie spielübergreifend, sondern immer in einem Teil abgeschlossen.
Doch bevor das Gericht das Urteil fällt, hat nun der Angeklagte das letzte Wort: Zeigt er sich einsichtig und wagt einen Blick in die Welt des Gesetzes und der Anwälte oder wagt er den Einspruch?
Bisher gibt es neun Kommentare
Bester "Ace Attorney-Teil"
Anhang 22650
Hoffentlich bringt Nintendo die 123-Collection bald nach Deutschland, ich will diese geilen Spiele auch endlich mal zocken!
Verehrtes Gericht, ich habe gestern mit Layton vs. Ace Attorney begonnen, mich in die Reihe einzuarbeiten, und bin bislang echt begeistert! (Übrigens ebenso wie von diesem Bericht, Euer Ehren )