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Pokémon Mond

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Pokémon Sonne & Mond

20 Jahre „Pokémon“ – das wäre nur halb so beeindruckend, wenn Pikachu und Co. mich nicht fast schon ein Leben lang begleiten würden. Entsprechend neugierig, aber auch durchaus skeptisch, reagiert man, wenn GameFreak und die Pokémon Company mit „Pokémon Sonne & Mond“ den wohl größten Wendepunkt der Spiele-Reihe versprechen.

Die Pokémon-Welt so greifbar wie nie zuvor

Doch schon in den ersten Spielminuten bin ich baff. Die „Pokémon“-Spiele waren nie für spektakuläre Erzählweise oder Inszenierung bekannt. Entsprechend perplex bin ich, als der Spielbeginn mit dynamischen Kamerafahrten und etlichen Perspektivenwechseln eingeleitet wird. Eine Szene in der meine Spielfigur einem von einer Brücke stürzenden Pokémon hinterherspringt, um es aufzufangen – so etwas gab es früher nur bei Ash und Pikachu im Anime. Im Spiel hätte es meinem kindlichen Ich wohl gänzlich den Atem geraubt.

Was GameFreak mit „Pokémon X & Y“ begonnen hat, kann man mit „Pokémon Sonne & Mond“ als abgeschlossen ansehen. Die Transformation von 2D- zur 3D-Spielwelt ist nun komplett. Nicht nur weil man sich nicht länger auf Rastern in vorgeschriebene Richtungen, sondern im 360 Grad-Umkreis frei umher bewegt. Sondern auch, weil die Spielwelt so dynamisch und lebendig wirkt, wie in keinem „Pokémon“-Spiel zuvor.

Mein kindliches Ich in mir hüpft wild auf und ab, wenn Menschen und Pokémon gemeinsam durch die Straßen von Alola schlendern und wilde Pokémon sich aus dem hohen Gras, vom Himmel oder Bäumen aus auf mich stürzen. Das gemeinsame Leben von Mensch und Pokémon, das uns seit „Pokémon Blau & Rot“ immer wieder vor gepredigt wurde, scheint mit „Pokémon Sonne & Mond“ zum ersten Mal so richtig greifbar zu sein. Die hawaiische Mentalität und die tropische Atmosphäre in Alola tragen hierzu einen Großteil bei.

Aloha Alola!

Das alles wirkt so toll und muss erst einmal verarbeitet werden, dass die eigentliche Handlung leicht aus dem Blick gerät. Gemeinsam mit seiner Mutter ist mangerade erst in der Insel-Region Alola angekommen und noch mit Umzug Kartons beschäftigt. Doch schon trifft man auf den aufgeweckten Jung-Trainer Tali und die schüchterne Lilly, die in ihrer Tasche ein Cosmog versteckt und mit Pokémon-Kämpfen nichts zu tun haben will. Als Zugezogener bekommt man schnell die Eigenheiten der Alola-Region eingetrichtert: Pokémon-Arenen und Orden gibt es nicht, dafür die Inselwanderschaft. Mit dem ersten eigenen Pokémon, das man ausnahmsweise nicht vom hiesigen Pokémon-Professor Kukui, sondern vom Inselkönig geschenkt bekommt, machen sich die drei Freunde los auf die Inselwanderschaft. Dahinter steckt ein altes Ritual der Bewohner Alolas, wonach man zwischen den verschiedenen Inseln der Region umherreist, um sich den Prüfungen der sieben Captains und den Pokémon-Teams der vier Inselkönige zu stellen.

Chance vertan

Natürlich gibt es auch in Alola so wie in den Regionen der anderen „Pokémon“-Spiele Mythen über legendäre Pokémon aus längst vergessenen Zeiten. Zudem sorgt das Team Skull und seine Schergen für reichlich Chaos rundum in Alola, während die Aether Foundation sich der Rettung gefährdeter Pokémon und der Erforschung der mysteriösen Ultrabestien widmet. Eigentlich möchte man meinen, dass die nötigen Elemente für ein spannendes Erzählkonstrukt gegeben sind. Über eine weite Strecke des Spiels passiert aber so wenig für die Handlung Relevantes, dass man überrascht ist, als sich die Ereignisse plötzlich überschlagen. Das ändert dann aber auch nichts mehr daran, dass sich das vielversprechende Konstrukt doch nur in eine Auflösung verrennt, wie wir sie seit nunmehr 20 Jahren vorgesetzt bekommen.

Einprägende Charaktere

Dafür spielt sich alles auf einer viel persönlicheren Ebene ab als man es von „Pokémon“ eigentlich gewohnt ist. Einen Großteil trägt sicherlich die cineastischere Erzählweise bei, wenn man es denn so nennen darf. Auch die neuen Charakter-Modelle ermöglichen viel mehr Arbeit mit Mimik und direkten Reaktionen. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass wohl kein „Pokémon“-Spiel zuvor so viel Humor und Situationskomik geboten hat. Es entsteht ein viel direkterer Draht zu den Spielfiguren, sei es nun Haupt- oder Nebencharakter. Kann ich mich an die Protagonisten aus „Pokémon Schwarz & Weiß“ oder „Pokémon X & Y“ nicht ansatzweise mehr erinnern, werden mir Tali, Lilly und Professor Kukui mit Sicherheit länger im Gedächtnis präsent bleiben.

Bruch mit alten Überbleibseln

Zwar schaffen „Pokémon Sonne & Mond“ es nicht so recht, mit idemm immer gleichen Handlungsaufbau der Reihe zu brechen. Dafür gelingt es den Spielen Spielmechaniken zu überwinden, die zuletzt eher aus Tradition als aus Nützlichkeit enthalten waren. Seien es die Kleinigkeiten, dass man gefangene Pokémon nun ohne einen Besuch im Pokémon-Center direkt ins Team aufnehmen kann und die Effektivität einer Attacke bei bereits im Pokédex eingetragenen Gegnern angezeigt wird. Oder aber PokéMobil, das erlaubt Pokémon herzurufen und ihre Fähigkeiten zu nutzen, statt nicht verlernbare VMs einem Pokémon beizubringen – diese Änderungen klingen rein kosmetisch, sorgen aber zusammen für ein zeitgemäßes Spielgefühl.

Prüfungen statt Arenen

Am meisten Aufmerksamkeit verdient aber die Ablöse der Arenen durch die Inselwanderschaft. Statt Arena-Kämpfen stellt man sein Können als Trainer nun in Prüfungen unter Beweis. Diese sehen je nach Insel und Insel-Abschnitt völlig anders aus.

Gilt es in der ersten Prüfung wildgewordene Rattfratz und Rattikarl aus ihren Verstecken zu treiben, muss man später versteckte Items aufspüren oder Quiz-Fragen beantworten. Eines haben aber alle Prüfungen gemeinsam: Am Ende taucht jedes Mal ein besonders starkes Herrscher-Pokémon auf. Sind schließlich alle Prüfungen auf einer Insel absolviert, wird man vom Insel-König in einem klassischen Kampf herausgefordert – das lässt sich dann in etwa mit dem Kampf gegen einen Arena-Leiter vergleichen. Nach dem Sieg gibt es auch eine Belohnung: Statt einem glänzenden Orden, erhält man einen Z-Stein entsprechend des bevorzugten Pokémon-Typs des Captains oder Inselkönigs. Im Gegensatz zu einem Orden hat ein solcher Z-Stein aber deutlich mehr Nutzen. Immerhin erlaubt er es mächtige Typ-Attacken zu entfesseln, die nicht nur wahnsinnig effektiv sind, sondern auch brachiale Kampf-Animationen auslösen.

Dank der Insel-Prüfungen gelingt es zumindest teilweise der vom Arena-System ausgehenden Linearität zu brechen. Trotzdem hätte ich mir mehr Konsequenz gewünscht. Denn die Prüfungen auf den Inseln müssen in fester Reihenfolge abgeschlossen werden. Dabei laden die weiträumigen Inseln regelrecht dazu ein, frei erkundet zu werden. Dass eine Markierung auf der Karte auf dem unteren Bildschirm stets den nächsten Checkpoint anzeigt, ist hier auch nicht förderlich und beseitigt das ungeleitete freie Erkunden früherer Spiele in großen Teilen.

Gewohnt gewaltiger Umfang

Doch der Umfang gibt noch immer genügend zu entdecken und ausprobieren her. Da seien die neuen Pokémon, die in dieser Generation so gelungen sind wie lang nicht mehr. Um wenige persönliche Favoriten zu nennen: das verfressene Krabbox, der Drache Sen-Long, das Trump-Imitat Magnuspektor oder der Orangutan Kommandutan. Die Regionalformen der Kanto-Pokémon hingegen erlauben Fans der ersten Stunde die Neuentdeckung vertrauter Pokémon. Im Battle Royale kommt es hingegen zu einer noch nie dagewesenen Kampf-Konstellation, wenn vier Trainer gleichzeitig gegeneinander antreten. Im normalen Spieldurchgang ist man zwar noch durch andere Aufgaben abgelenkt, widmet man dem Battle Royale aber erst einmal seine volle Aufmerksamkeit, findet man hier strategisch herausfordernde Kämpfe. Auch viele Funktionen aus den Vorgängern fließen mit dem PokéParadies wieder ein, in dem Pokémon beispielsweise in einer neuen Art des Supertrainings ihre EVs trainieren können. Experten wissen was hinter dieser Abkürzung steckt.

Der beste Eindruck des Umfangs von „Pokémon Sonne & Mond“ dürfte wohl entstehen, wenn man sich zu Gemüte führt, dass dieses umfangreiche Review viele Funktionen und Inhalte nur oberflächig anschneidet oder nicht einmal nennt. Zum Beispiel die Zygarde-Kerne, den Rotomdex, die QR-Codes oder das Festival-Plaza. Mit den Online-Funktionen konnte ich mich hingegen noch gar nicht auseinandersetzen. Bis ich wirklich alles aus „Pokémon Sonne & Mond“ herausgeholt habe, dürfte ich wohl an den hundert Spielstunden kratzen.

Nicht alles glänzt

Zwei Problematiken, die ich beobachtet habe, bleiben aber auch mit „Pokémon Sonne & Mond“ bestehen: Viele der unterstützenden Funktionen haben gleichzeitig zur Folge, dass der Schwierigkeitsgrad abnimmt. Man muss den „Pokémon“-Spielen zugestehen, dass sie niemals sonderlich schwer waren, sofern man das Kampfsystem einmal verstanden hat. Allerdings muss man in den neuesten Spielen bei weitem nicht mehr so darauf achten sein Team ausgewogen zu trainieren, wie noch in früheren Spielen.

Zeitgleich sind die technischen Probleme mit „Pokémon Sonne & Mond“ so präsent, dass man sie beim besten Willen nicht bei Seite schieben kann. Gerne bricht die Bildrate rapide ein. Besonders dann, wenn eine Z-Attacke samt aufwendiger Animation ausgeführt wird oder mehr als zwei Pokémon sich auf dem Feld befinden. Auch in der Oberwelt kommt es in manchen Abschnitten zu stotternden Bewegungen und längere Ladezeiten sorgen für Unmut, wobei diese Probleme auf den älteren 3DS- und den leistungsgleichen 2DS-Modellen deutlich ausgeprägter in Erscheinung treten, als auf den New 3DS-Modellen. Das Wegfallen des 3DS-Effekts ist somit nur logisch, denn bei der doppelten Berechnung des Bildes würde der 3DS komplett in die Knie gehen. Man kann gut und gerne sagen, dass der 3DS für die „Pokémon“-Reihe ausgedient hat, sofern GameFreak seinen Trend des technischen Fortschritts weiterverfolgen möchte.

Weiterführende Links: Forum-Thread

Fazit & Wertung

An jeder Ecke und jedem Zipfel merkt man, dass „Pokémon Sonne & Mond“ die konsequenten Ergebnisse aus den Bemühungen und Experimenten sind, die GameFreak seit „Pokémon X & Y“ verfolgt haben. Man kann gerade heraus sagen, dass GameFreak einen wirklich fantastischen Job abgeliefert hat: „Pokémon Sonne & Mond“ befreien sich von Altlasten, die auf den Schultern der Reihe ruhten, und bereiten den Weg für die Zukunft der Reihe vor – auch wenn wohlgemerkt nicht alles glänzt. „Pokémon Sonne & Mond“ machen die Welt der Pokémon so greifbar wie nie zuvor und lassen uns auf 20 weitere ereignisreiche Jahre mit den Taschenmonstern hoffen.

Bisher gibt es sechs Kommentare

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  • Avatar von Michi2801
    Michi2801 24.11.2016, 14:32
    Zitat Zitat von A.Einstein Beitrag anzeigen
    Ich bin noch nicht sehr weit aber mich stört, die (zumindest zu Beginn?) recht geringe Anzahl an neuen Pokemon unter einer Flut von Kantos. Der Specht und Trump finde ich nicht so interessant und so besteht mein Team momentan im Wesentlichen aus meinem Starter, Flegmon und Smettbo -.-

    Auch wird man am Anfang extrem oft in Cut-Scenes "gefangen". Man kann kaum 10 Meter laufen bevor man wieder ein tolles neues Gebäude angepriesen bekommt. Hat mich schone etwas genervt, wenn ich die durchaus im Vergleich zu X,Y und ORAS extrem verbesserte 3D-Umgebung erkunden wollte :/

    Technisch hatte ich bisher keine Probleme.

    Ich bin erst kurz vor Route 2 also will ich eigentlich nicht meckern, da ich dafür bereits einige Stunden Spielen durfte hoffe ich derzeit noch auf viel (Umfang und Content). Freue mich also trotz kleiner Ärgernisse sehr heute nach der Arbeit weiterzumachen
    Ich verstehe was du meinst. Es will anfangs kein richtiger Spielfluss aufkommen, weil man ständig durch die Cutscenes unterbrochen wird. Das wird bis zum Ende von Insel 1 leider auch nicht besser, weiter bin ich selbst noch nicht... Finde es auch etwas schade, dass anfangs so viele altbekannte Pokemon auftauchen. Mein Team besteht aus Magnetilo, dem Pflanzen-Starter, Fukano, Smettbo, Machollo... merkt man da was?

    Zur Technik kann ich jetzt selbst was sagen: Die FPS-Einbrüche sind tatsächlich recht präsent. Man merkt es beim Reiten in der ersten Stadt außerhalb der Kämpfe, innerhalb der Kämpfe sind es maximal 20fps würde ich sagen, beim Kampf gegen 2 Pokemon oder beispielsweise das "große" von der ersten Prüfung, sind es maximal 10 ...
  • Avatar von A.Einstein
    A.Einstein 23.11.2016, 11:04
    Ich bin noch nicht sehr weit aber mich stört, die (zumindest zu Beginn?) recht geringe Anzahl an neuen Pokemon unter einer Flut von Kantos. Der Specht und Trump finde ich nicht so interessant und so besteht mein Team momentan im Wesentlichen aus meinem Starter, Flegmon und Smettbo -.-

    Auch wird man am Anfang extrem oft in Cut-Scenes "gefangen". Man kann kaum 10 Meter laufen bevor man wieder ein tolles neues Gebäude angepriesen bekommt. Hat mich schone etwas genervt, wenn ich die durchaus im Vergleich zu X,Y und ORAS extrem verbesserte 3D-Umgebung erkunden wollte :/

    Technisch hatte ich bisher keine Probleme.

    Ich bin erst kurz vor Route 2 also will ich eigentlich nicht meckern, da ich dafür bereits einige Stunden Spielen durfte hoffe ich derzeit noch auf viel (Umfang und Content). Freue mich also trotz kleiner Ärgernisse sehr heute nach der Arbeit weiterzumachen
  • Avatar von Link1
    Link1 22.11.2016, 15:51
    Die Ruckler treten vorallem bei Z Attacken und Doppelkämpfen. Ist dezent nervig, machts aver keineswegs unspielbar oder raubt zu viel Spaß
  • Avatar von TheMcMaster1999
    TheMcMaster1999 22.11.2016, 15:16
    Sehr gutes Review meiner nach. Ich freu mich auch schon sehr auf morgen, wenn meine Moon Edition endlich kommt.
  • Avatar von Laritou
    Laritou 22.11.2016, 14:21
    Also ich persönlich habe nichts von den Rucklern gemerkt, außer beim Fotografieren!
  • Avatar von Michi2801
    Michi2801 22.11.2016, 14:18
    Guter Test, mich würde nochmal interessieren, WIE gravierend genau die technischen Probleme auf o3DS und 2DS sind. Geht es soweit, dass es einem den Spielspaß rauben kann oder ruckeln die Kämpfe ähnlich wie in ORAS?