Inside Nintendo 28: Verschwiegenheit und Nintendo-Ninjas

Immer öfter treten in der Videospielbranche Leaks auf. Das heißt beispielsweise, dass Informationen zu einem neuen Spiel ans Tageslicht gelangen, ohne dass der Publisher/Entwickler damit einverstanden ist. Durch ein „Leck“ (daher stammt auch der Begriff) strömen eigentlich geheime Informationen an die Öffentlichkeit. Nun wird gemunkelt, dass manche Publisher Leaks gezielt verursachen, um für Aufmerksamkeit zu sorgen. Wie dem auch sei, Nintendo ist auffallend gut vor Leaks abgesichert. Gut, im Vorfeld der Wii U-Ankündigung gab es sehr deutliche Gerüchte, die sich später als wahr herausstellten. Aber normalerweise gelingt es Nintendo, wichtige Informationen unter Verschluss zu bewahren und dann schlagartig und ohne jede Vorwarnung preiszugeben. So gab es im Vorfeld der 3DS-XL- und 2DS-Ankündigungen keinerlei Gerüchte zu den neuen Handheld-Modellen; ebenso ist uns nicht bekannt, dass korrekte Informationen zu „Super Mario 3D World“, „Mario Kart 8“ und Co. vor der E3 durchgesickert sind. Nintendo agiert also geradezu geheimniskrämerisch. In diesem Bericht möchten wir uns mit dieser Thematik auseinandersetzen.

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Ein „dichtes“ Unternehmen

Man kann es stets deutlich anhand einer neuen Nintendo Direct-Ausstrahlung sehen: Die Ankündigung der Ausstrahlung selber kommt meist aus dem Nichts – und die Ankündigungen während der Webshow ebenso. Das beste Beispiel dürfte die Nintendo Direct vom 23. Januar 2013 sein, als Nintendo in kürzester Zeit umfangreiche Wii U-Updates, die Wii U-Virtual-Console, „Super Mario“, „Mario Kart“, „Super Smash Bros.“, „The Wind Waker HD“, „Yarn Yoshi“, „Wii Party U“, „X“, „Shin Megami Tensei x Fire Emblem“ … und noch viel mehr ankündigte. Im Vorfeld dieser Ausstrahlung hatte es kaum Andeutungen auf diese ganzen Enthüllungen gegeben. Sicher, im Vorfeld konnte man sich einige grobe Details zu „X“ zusammenbasteln, aber erst dank der Nintendo Direct gab es wirklich handfeste Informationen. Derartige „Aus-dem-Nichts-Ankündigungen“ nimmt Nintendo sehr oft vor. Es ist durchaus beachtenswert, dass es so wenige Gerüchte im Bezug auf neue Nintendo-Spiele gibt, die auch wirklich eintreffen. Bei anderen Spieleherstellern ist dies oft nicht so. Besonders Ubisoft ist oft Opfer von Leaks; „Rayman Legends“ und „Assassin's Creed 4“ sind nur einige aktuelle, für Nintendo-Spieler bedeutsame Beispiele. Die Geheimhaltung solcher Informationen kann Nintendo natürlich nur durch Verschwiegenheit bewahren. Daher dringen auch nur äußerst wenige interne Informationen aus dem japanischen Konzern an die Öffentlichkeit. So fällt auf, dass sich Nintendo-Manager in Interviews oft sehr bedeckt halten. Generell scheint es beinahe ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, Nintendo-Angestellte, die eher hinter den Kulissen wirken, zu interviewen. Kein Wunder, so wird immerhin verhindert, dass geheime Informationen verraten werden. Und während viele hochrangige Entwickler fleißig an sozialen Netzwerken partizipieren, ist dies nicht direkt bei von Nintendo angestellten Personen zu beobachten. Miyamoto verriet zwar einst, auf Twitter tätig zu sein, sein Account sei aber nur für Freunde bestimmt und daher nicht öffentlich bekannt.

Nintendo-Ninjas und Mafia-Machenschaften

Nintendo geht also sehr sorgsam mit seinen Informationen um. Immerhin kann man so auch Vorfreude für ein neues Spiel generieren, indem man alle Informationen zunächst unter Verschluss behält und dann gebündelt preisgibt. Allerdings bringt das natürlich auch Nachteile mit sich. So wird Nintendo häufig vorgeworfen, intransparent zu sein und sich quasi von der Konkurrenz abschotten zu wollen. Außerdem vertritt Nintendo streng seine Rechte. Beispielsweise wurde berichtet, dass der Konzern gegen einige Let's Plays von Nintendo-Spielen auf YouTube vorgehen möchte. Ein weiteres aktuelles Beispiel sind „Pokémon X“ und „Pokémon Y“. Zu den neuen „Pokémon“-Editionen gab Nintendo nur wenige Informationen bekannt, da die Spiele zum ersten Mal in der Geschichte der Reihe weltweit am gleichen Tag erschienen. Als einige Läden die Spiele einige Tage vor dem offiziellen Termin verkauften, ging Nintendo mit diesen Märkten streng ins Gericht. So wurde berichtet, dass Nintendo die Läden zwang, jedes vorzeitig verkaufte Exemplar wieder einzutreiben und für nicht zurückgegebene Spiele hohe Strafen zu zahlen. In Internetforen hat dieses Image zum Mem des „Nintendo-Ninjas“ geführt. Hideki Kamiya, der für seine deutliche Aussprache auf Twitter bekannte Entwickler hinter „The Wonderful 101“ und „Bayonetta 2“, verwies beispielsweise (natürlich scherzend) in einem Tweet darauf, von „Nintendo-Ninjas“ bedroht zu werden, wenn er weiter über seine Projekte plaudere. Geradezu zu Verschwörungstheorien kommt es, wenn Nintendo dann noch Beziehungen zur Yakuza, der japanischen Mafia, unterstellt werden. So wird tatsächlich behauptet, der legendäre Game Boy-Erfinder Gunpei Yokoi (1941–1997), der kurz zuvor nach dem kommerziellen Flop des Virtual Boy Nintendo verließ, 1997 von der Yakuza getötet wurde. Tatsächlich starb der einflussreiche Manager am 4. Oktober 1997 tragischerweise, als er mit einem Geschäftspartner auf der Autobahn unterwegs war und einen leichten Unfall verursachte, den Schaden begutachten wollte und dabei angefahren wurde. Während der Partner den Unfall überlebte, starb Yokoi später. Außerdem hatte Yokoi Nintendo, das ohne ihn wohl gar nicht erst in den Spielemarkt übergegangen wäre, in der Tat verlassen, um sein eigenes Unternehmen zu gründen und ein Konkurrenzprodukt zum Game Boy zu entwickeln. Verschwörungstheoretiker behaupten nun, Nintendo bzw. der damalige Nintendo-Präsident Hiroshi Yamauchi (1927–2013) habe die Yakuza als Rache auf Yokoi angesetzt. Doch bevor wir diesem Schmarrn noch mehr Textzeilen widmen: Natürlich stimmt diese Behauptung nicht. Obwohl sie wirklich mitunter im Internet zu lesen ist, handelt es sich um einen ziemlich geschmacklosen Scherz. Unsere Kollegen von Kotaku haben diese ganze Verschwörungstheorie in einem äußerst lesenswerten Artikel eindeutig widerlegt.

Bild Foto: Haruyoshi Yamaguchi; Bildquelle: The Guardian

Der Ursprung dieses Images

Doch dass manche Menschen dem ehemaligen Nintendo-Präsidenten Yamauchi einen solchen Auftragsmord zutrauen, ist wahrlich schockierend. Wie konnte es dazu kommen? Als Yamauchi, der selber schon Zeit seines Lebens keine einfachen familiären Verhältnisse hatte, 1949 die Präsidentschaft des Familienunternehmens Nintendo antrat, begann er einen geradezu autoritären Führungsstil auszuüben. Seine Mitarbeiter hatten ihm zu folgen. Yamauchi war zwar keine einfache Persönlichkeit, sein sturer Charakter hat Nintendo aber letztlich zum Welterfolg geführt. Er allein entschied, welche Projekte entwickelt oder abgebrochen werden sollten, obwohl er selber keine Videospiele spielte, und so setzte er stets seine eigenen Ansichten durch. Dass er über ein halbes Jahrhundert mit dieser Taktik Erfolg hatte – erst 2002 gab er die Präsidentschaft an Satoru Iwata weiter –, beweist, dass er sich mit der Videospielindustrie auskannte wie kein anderer. Ausführlich haben wir uns mit Yamauchis Leben, Charakter und Führungsstil im September diesen Jahres in einem „Inside Nintendo“-Bericht anlässlich seines Todes befasst. Halten wir an dieser Stelle einfach fest, dass Yamauchi als einflussreicher und autoritärer Manager mit einem gewaltigen Vermögen (Yamauchi war eine Zeitlang der reichste japanische Mann) perfekt dem Klischee des typischen Mafia-Bosses entspricht. Natürlich ist an der ganzen Sache nichts dran, aber aus diesen Umständen ergeben sich Unterstellungen wie Machenschaften mit der Mafia. Außerdem hatte Nintendo wirklich Verbindungen zur Yakuza – die Hanafuda-Spielkarten, die jahrzehntelang Nintendos Hauptbeschäftigung darstellten, kamen nämlich bei illegalen Glücksspielen zum Einsatz. Das liegt aber bereits einige Jahrzehnte zurück. Doch um wieder auf den Boden der festen Tatsachen zurückzukehren: Yamauchi prägte Nintendo enorm stark und natürlich wirkt sich sein Einfluss noch heute auf den Konzern aus. Eine interessante Anekdote, die zeigt, wie konservativ und autoritär Yamauchi Nintendo prägte, lieferte Claude M. Moyse. Der ehemalige deutsche Nintendo-Übersetzer erzählte in einem Faninterview von seinen Besuchen in Japan. Ihm zufolge hatte das japanische Nintendo-Hauptquartier drei Eingänge. Der erste führte durch eine große Tür mit marmornen Boden – und war einzig für Yamauchi und seine Gäste bestimmt. Allen anderen war der Zutritt versagt. Ein zweiter Eingang war für Manager vorgesehen, während die niederen Mitarbeiter – hunderte an der Zahl – das Gebäude durch einen dritten Eingang zu betreten hatten. Die komplette, äußerst interessante und witzige Anekdote findet ihr hier.

Heute ist alles besser

2002 gab Yamauchi die Leitung über Nintendo nach mehr als einem halben Jahrhundert an Satoru Iwata ab. Dieser ist damit erst der vierte Präsident des seit 1889 bestehenden Unternehmens sowie der erste, der nicht mit der Yamauchi-Familie verwandt ist und der tatsächlich Erfahrung in der Spieleentwicklung hat. Dies führte unweigerlich dazu, dass sich Nintendos strenges Image unter Iwata auflockerte. Während Yamauchi offenbar eine öffentlichkeitsscheue Person war, steht Iwata regelmäßig für Interviews zur Verfügung, hält hin und wieder Vorträge und lässt sich auch auf Messen blicken. Außerdem gewährt er tiefe Einblicke in die Interna des Konzerns. In den Iwata-fragt-Interviews unterhält er sich ausführlich mit den Entwicklern hinter neuen Produkten und lässt diese Gespräche auch noch veröffentlichen. Unter Yamauchi hätte es so etwas nicht gegeben, ebenso wie die Nintendo Direct-Ausstrahlungen, in denen Nintendo Neuheiten über das Internet vorstellt – „Directly“. Auch vor sozialen Netzwerken schreckt Nintendo nicht mehr zurück. Man kann also festhalten, dass das verschwiegene Image des Nintendo-Konzerns auf das Konto Hiroshi Yamauchis geht. Dank Satoru Iwata wurde dieses aufgelockert und Nintendo wurde transparenter; dennoch bleibt es noch heute ein eher undurchsichtiges Unternehmen. So gab und gibt es – damals wie heute – kaum Fotos aus den Nintendo-Büros selber. Nur ganz selten tauchen solche Fotos auf, so wie hier 2010 durch eine Broschüre für Bewerber. Wie steht ihr zu Nintendos Image?
Weiterführende Links: Forum-Thread

Bisher gibt es sieben Kommentare

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  • Avatar von mithos630
    mithos630 09.12.2013, 20:43
    In Japan ist man halt verschwiegener als in z.B. in Amerika, wo man schon 5 Jahre vorher kräftig die Werbetrommeln rührt.
  • Avatar von Garo
    Garo 02.12.2013, 11:06
    Sorry Tobi, aber der Artikel war ziemlich wirr und hatte keinen witrklichen roten Faden. Am Ende wusste ich nicht mal mehr, was das Thema war. Nette Informationen, aber meiner Meinung nach irgendwie schlecht verpackt. :(
  • Avatar von SasukeTheRipper
    SasukeTheRipper 02.12.2013, 00:16
    Super Artikel.
    Ich finde es super, dass es bei Nintendo kaum bis keine Leaks gibt, so bekommt man bei einer Ankündigung direkt etwas anständiges zu sehen und so kann man die ganzen nervenden Gerüchte umgehen.
  • Avatar von Sora-Lee-Dor
    Sora-Lee-Dor 01.12.2013, 16:48
    Schön geschrieben.
    Ich finde es faszinierend, wie die Mitarbeiter bei Nintendo, vom Manager bis zum Betatester, so dicht halten und so gut wie nichts durchsickern lassen, dadurch ist Nintendo immer wieder für Überraschungen (ob positiv oder negativ) gut. Zudem finde ich Iwatas offeneren Führungsstil wesentlich besser, so sieht man auch mal die Leute hinter den Spielen - klar, ein Blick in Nintendos heilige Hallen (wie neulich in einem Direct) ist immer wieder toll aber wegen den laufenden Entwicklungen wohl eher schwer durchführbar - aber mal sehn, vielleicht gibt es bald wieder eine Überraschung (wenn ich da an Shibatas Direct "live" aus der Logistik denke... XD )
  • Avatar von Monado Boy
    Monado Boy 01.12.2013, 15:17
    Ich finde nintendos image vollkommen in Ordnung. Und so ziemlich alle firmen sind streng wenn es darum geht dass spiele zu früh verkauft werden usw.. natürlich will man als firma auch nicht dass spiele vor der Ankündigung geleakt werden, denn das versaut ja schon viel. Stellt euch mal vor, ein zelda würde mal geleakt werden. Ich würde dass irgendwie auch nicht so toll finden ^^.
  • Avatar von pikeEye
    pikeEye 01.12.2013, 15:11
    Guter Artikel Tobias. Ich empfinde es auch immer als faszinierend wenn ein Projekt, an welchem Hunderte arbeiten, über Jahre hinweg geheimgehalten werden kann, obwohl mich als Infohungrigen, dies natürlich gleichzeitig auch ärgert.
    Ich hoffe nur, dass die Mitarbeiter schweigen, weil ihnen ihr Job gefällt und nicht ( nur ) weil Don Iwatas Strafe furchtbar wäre ;-).
  • Avatar von Tiago
    Tiago 01.12.2013, 13:33
    Wie immer eine wirklich tolle Kolumne!