„Donkey Kong“. Auf dem Atari 2600. Entwickelt von Coleco. Wer die Ironie dahinter nicht versteht, ist wohl noch unter 30 Jahre alt. Darum in heutigen Maßstäben ausgedrückt: Ein Nintendo-Spiel, auf einer Sony-Konsole, von Microsoft entwickelt. Genau so verhielt es sich nämlich mit der 1983 veröffentlichten „Donkey Kong“-Portierung für das alte Atari 2600. Wir haben uns das Spiel auf einer Retrobörse besorgt, sorgfältig die Kontakte gereinigt, unser Atari 2600 angeschlossen und das Machwerk auf Herz und Nieren geprüft.
Digitales Diarrhoe
Puh, was soll man bloß dazu sagen? Das Atari 2600 von 1977 mag eine extrem beschränkte Plattform sein, und angesichts dessen darf man natürlich nicht viel von der Portierung eines damals hochmodernen Arcade-Spiels erwarten. Trotzdem ist das, was das altehrwürdige Atari 2600 auf unseren Flachbild-Fernseher zauberte, unter aller Kanone. Ein durchfall-brauner Pixelhaufen als Donkey Kong, der augenscheinlich Pizzas die hässlichen pinken Balken hinunterrollen lässt, und eine fischköpfige Pauline. Immerhin flackert die Bildausgabe nicht, und Mario selbst sieht akzeptabel aus.
Nicht akzeptabel hingegen ist der ganze Rest des Spiels. Gegenüber der Arcade-Fassung, oder auch anderen Umsetzungen wie etwa für das NES, hat Coleco diese Version so stark herunterkompromittiert wie nur möglich. Kein Titelbildschirm, keine Animationen oder Zwischensequenzen, keine Musik, kein Highscore, kein Zweispieler-Modus, keine Schwierigkeitsstufen. Von den vier Leveln aus dem Original sind hier bloß zwei enthalten – nämlich der kultige erste Level, in dem Mario die Spitze des Gerüstes erklimmen muss, sowie das letzte Level, in dem Mario ein Gebäude einstürzen lässt, um den Gorilla endgültig zu besiegen. Letzteres zumindest in den meisten Versionen des Spiels, auf dem Atari 2600 ist davon jedoch nichts zu sehen. Immerhin hat es ein Zeitlimit in Form eines langsam ablaufenden Punktestandes hineingeschafft.
Ein exklusiver Blick in unser schniekes Retro-Testlabor auf dem Dachboden unserer nicht existenten Redaktionsbüros
Nur Haut und Knochen am Gorilla
„Donkey Kong“ für Atari 2600 ist auch für Kenner des Originalspiels nicht einfach. Die Steuerung ist hakelig und reagiert schlecht – der Controller hat zwar einen Joystick und bloß einen Knopf, exakt wie der Arcade-Automat, doch ist der Mikro-Joystick von Atari für Spiele wie dieses völlig ungeeignet. Die schlechte Kollisionserkennung tut ihr übriges.
Hat man einmal den Bogen raus, dann ist das Spiel nach zwei, drei Minuten auch schon absolviert. Davon hat man übrigens exakt gar nichts, denn nach dem Abschluss des zweiten Levels startet das Spiel ohne jeden Übergang einfach wieder von vorn. Hat man seine zwei Versuche aufgebraucht, ist das Spiel vorbei, und muss, mangels eines Game-Over-Bildschirms, per Resetschalter neu gestartet werden.
Die Soundeffekte indes sind noch nerviger als ohnehin schon in der Originalversion. Einen kleinen Lichtblick innerhalb der ansonsten so lieblos wie nur möglich hingerotzten vier Kilobyte Programmcode gibt es aber doch: Sobald Mario seine Laufrichtung ändert oder eine Leiter hinaufklettert, wird die „Donkey Kong“-Sprite gespiegelt, um eine rudimentäre Animation vorzugaukeln. Das zu beobachten und zu forcieren, macht mehr Spaß als der Rest des Spiels.
Vier Versionen von „Donkey Kong“ im Vergleich. Im Uhrzeigersinn von oben links: Atari 2600; Originalfassung für Arcade-Automaten; ColecoVision; NES. Ganz knapp ist die Atari-Version die am schlechtesten aussehende.
Intendierte Niveaulosigkeit
Wir wissen nicht, ob das die Sache besser macht, aber „Donkey Kong“ für Atari 2600 ist bewusst derart schlecht gemacht. Denn Coleco hat zunächst eine Version des Spiels für sein eigenes ColecoVision herausgebracht – natürlich qualitativ so hochwertig wie möglich. Um auch von den Konkurrenzplattformen Einnahmen zu machen und deren Kunden zugleich zu verprellen, hat Coleco ein halbes Jahr später qualitativ unterirdische Versionen für IntelliVision und eben auch Atari 2600 veröffentlicht.
Aus technischer Sicht ist das Spiel übrigens gar nicht mal schlecht gemacht. Immerhin ist der Code des Spiels kleiner als der Text, den ihr gerade lest, und zwei völlig verschiedene Level in einem einzigen Modul waren für das Atari 2600 bereits eine beeindruckende Leistung. Hinter dieser Portierung steckt auch kein Unbekannter, sondern der erfolgreiche Spieleprogrammierer Garry Kitchen. Und trotz der miesen Qualität hat sich das Spiel über vier Millionen Mal (!) verkauft und so mal eben 100 Millionen Dollar Umsatz (!!) erzielt.
Bisher gibt es acht Kommentare
Da du im Gegensatz zu mir (beruflich bedingt) vermutlich keine Bücher über Softwareentwicklung und -architektur im Regal hast, sei hier die Lektüre von https://de.wikipedia.org/wiki/Migrat...ionstechnik%29 und https://de.wikipedia.org/wiki/Softwaretechnik empfohlen.
Schöner Bericht - hatte ja die Ehre, den ganzen Spaß zu korrigieren.
(Bei noch vorhandenen Rechtschreibfehlern: *wegduck*)
Wieso gehst du nicht wieder in dein Zimmer und spielst gedankengesteuerte Spiele auf deinem 200k Laser-Beamer? Achso, gibt's noch gar nicht? Schade.