Ein guter Tag für Deutschland
Heute wurde Bodo Ramelow zum ersten linken Ministerpräsidenten eines Landes in Deutschland gewählt.
Wer das als „Schande“ bezeichnet, hat offenbar ein gestörtes Verständnis von Demokratie, denn das war Demokratie pur. Die Linke ist keine verbotene Partei, und der Wählerwille hat entschieden, dass eine Koalition aus Linkspartei, SPD und Grünen die Mehrheit in diesem Landtag hat. Daran ist absolut alles legitim, auch wenn das manchen nicht schmeckt.
Jetzt kommen die Argumente der Vergangenheit dieser Partei. Ja, die Partei ging aus der SED hervor und hat noch immer einige Personen mit fraglichen Ansichten unter sich.
Aber über welche Partei kann man das nicht sagen? In der CDU sind ehemalige Nationalsozialisten untergekommen, in der AfD sind Mitglieder, die am liebsten jeden Ausländer ausweisen würden und die Grünen haben in den Anfängen ihrer Parteilaufbahn teilweise die Legalität von Pädophilie gefordert.
Man darf die Vergangenheit aber nicht als Maßstab nehmen – wir leben im hier und jetzt. Ja, all diese Taten haben den betroffenen Menschen weh getan und das gilt es aufzuarbeiten und festzuhalten. Das will auch niemand vergessen oder kleinreden.
Man muss aber den Blick nach vorne richten. „Die sollen erstmal das ganze unrechtmäßig angeeignete Vermögen aus der DDR zurückzahlen“ hört man auch oft. Hier kann ich nur mit den Worten des Kabarettisten Volker Pispers antworten: „Hat schonmal jemand von der Katholischen Kirche gefordert, all das unrechtmäßig angeeignete Vermögen aus den Kreuzzügen zurückzufordern?“
Die Frage ist nicht, ob die DDR jetzt als Unrechtsstaat bezeichnet wird oder nicht, sondern was die Linke an politischen Positionen im Hier und Heute einbringen kann und will.
Und da wird jedem, der sich etwas damit beschäftigt hat, klar, dass es nicht darum geht, eine zweite DDR aufzubauen. Vielmehr werden hier Alternativen zur neoliberalistischen und längst überholten Wirtschafts- und Sozialpolitik der letzten Jahrzehnte aufgezeigt.
Jeder, der die Wirtschaftskrise mitverfolgt hat, müsste eigentlich verstanden haben, welche Macht Banken und Ratingagenturen in der freien Marktwirtschaft haben. Mit der fadenscheinigen Begründung „der Staat ist unfähig dazu“ wird immer wieder die Privatisierung weiterer öffentlicher Sektoren gerechtfertigt, mit der Folge, dass die Entscheidungen in Deutschland und Europa zunehmend von den Wirtschaftslobbyisten gefällt werden und die Politiker zu machtlosen Marionetten werden.
Eigentlich müssten alle betroffenen der Wirtschaftskrise danach schreien, alle Banken zu verstaatlichen, damit sowas in Zukunft vermieden wird. Die betroffenen der Lokführerstreiks müssten auf die Straße gehen dafür, die Deutsche Bahn zu verstaatlichen, damit gerechte Löhne und ein sicherer Transport der Fahrgäste gewährleistet wird. Stattdessen wird nur gemeckert und die Partei, die im Gegensatz zu den meisten anderen hier gute Alternativen anbietet, wird diffamiert.
Es steht absolut nicht im Widerspruch zum Deutschen Grundgesetz, Banken zu verstaatlichen oder Vermögenssteurn einzuführen.
Aber so ist eben der Deutsche. Vor Neuem hat er Angst, bloß keine Veränderung.
Bevor jetzt meine christlichen Freunde kommen und sagen: „Wie kann ich als Christ die Linke wählen?“ Meine Gegenfrage: Wieso muss ich als Christ zwingend eine Partei wählen, die „christlich“ im Namen hat? Was ist an der CDU denn noch christlicher als an anderen Parteien?
Ich bezeichne eine Sozialpolitik, die es hinnimmt, dass ein Großteil der Beschäftigten Menschen in Deutschland nicht von dem Lohn leben kann, nicht als christlich. Es mag sein, dass ein gesetzlicher Mindestlohn Arbeitsplätze vernichtet, aber dafür können die, die welche haben, wenigstens davon Leben.
Und von Sozialleistungen wollen wir erst gar nicht reden. Diese ganzen „Sozialschmarotzer“, die ja „den großen Anteil ausmachen“. Die Leute „wollen gar nicht arbeiten“.
Wer glaubt, dass die Mehrheit der Sozialhilfeempfänger nicht arbeiten will lässt sich von den Medienberichten, die natürlich nur über solche Fälle berichten, ganz schön täuschen. Statistiken zeigen, dass die meisten Menschen (mehr) arbeiten wollen, aber nichts finden oder nicht können.
„Die Leute sollen sich gefälligst selber helfen.“ Ganz schön christlich. Der Glaube, dass man es weit bringen kann, wenn man sich nur genug anstrengt, gehört in das Amerika des 18. und 19. Jahrhunderts, aber nicht ins Deutschland des 21. Jahrhunderts.
Zu nennen wäre hier noch die Familienpolitik – ja, auch ich sehe die Familie nach wie vor als fundamental wichtig an und werde meine Kinder später, so ich es kann, auf Schulen schicken, die nicht den ganzen Tag gehen. Hier darf man sich aber nicht vor der Realität verschließen, und die sagt, dass die große Mehrheit der Bürger ihre Kinder nachmittags nicht immer zu Hause betreuen kann oder will. Das zu ignorieren und nur Politik für „unsere christlichen Werte“ zu machen wäre ignorant. Man muss den Menschen begegnen, in dem man diese Angebote für sie einrichtet, und dort als Christ präsent sein und für die eigene Ansicht werben, begeistern. Wir dürfen aber nicht diktieren oder gar richten.
Bisher ist die Linke lediglich durch Protestaktionen im Bundestag, große Reden und prinzipielles Andersdenken in der Öffentlichkeit aufgefallen.
Dass sie jetzt einen Ministerpräsidenten stellen ist gut für Deutschland, denn jetzt wird sich zeigen, ob sie nicht nur mitregieren können, sondern ob sie es auch schaffen, sich für ihre Positionen in Regierungsverantwortung einzusetzen und zu führen.
Ich habe die Linke bisher nie gewählt, möchte ich hier anmerken – ich möchte lediglich vor Schubladendenken und alteingesessenen Urteilen warnen und darauf aufmerksam machen, dass Ängste auch unbegründet sein können.
Als Christ werde ich nun neben der Bundesregierung auch für Herrn Ramelow für Weisheit und Geschick beten, und rate jedem Christen, sich engstirniger Ansichten und Vorurteilen zu entledigen, offen zu sein und zu hinterfragen – und jedem, dem Deutschland am Herzen liegt, rate ich, die Geschehnisse in Thüringen mit offenem und positivem Interesse zu verfolgen und sachliche Schlüsse daraus zu ziehen.