Nein, die Überschrift ist nicht fehlerhaft: In diesem Bericht möchten wir euch zwei äußerst seltene „Mario“-Spiele vorstellen. Das erste ist eine Umsetzung des SNES-Launch-Titels „Super Mario World“ für das technisch deutlich unterlegene NES. Dabei handelt es sich jedoch um kein von Nintendo abgesegnetes Spiel, sondern um das Werk einer taiwanesischen Spiele-Piraterie-Schmiede. Dies ändert aber nichts an dem Umstand, dass „Super Mario World“ für NES einige interessante Aspekte aufweist, die wir euch gerne vorstellen möchten. Das zweite Spiel, um das es in diesem Bericht gehen wird, ist der wahre Nachfolger von „Super Mario Bros.“. Gemeint sind weder „Super Mario Bros. 2“ noch „The Lost Levels“. Wir meinen den wahren Nachfolger, die wahrhaftigen Lost Levels, denn „Super Mario Bros. Special“ – so der Name dieses offiziellen Spiels – ist derart obskur, dass es jahrzehntelang komplett verschollen war.
16 Bit-Spiel auf 8 Bit-Hardware
1990 veröffentlichte Nintendo in Japan das Super Famicom, den lang
ersehnten Nachfolger des Famicom. Im Westen erblickte die 16 Bit-Konsole
mit ordentlich Leistung unter der Haube als Super Nintendo
Entertainment System 1991 beziehungsweise 1992 das Licht der Welt. Den
Launch begleitete Nintendo mit einer Eigenproduktion namens „Super Mario
World“, die drei Jahre lang in der Entwicklung war. Das Spiel
veranschaulichte die Rechenleistung, die dem SNES innewohnt, und gilt
noch heute als eines der besten Spiele aller Zeiten.
Eine der Ideen, durch die sich „Super Mario World“ von den „Super Mario
Bros.“-Spielen des NES abgrenzt, ist der grüne Reitsaurier Yoshi. Die
Idee dazu bestand schon seit der NES-Ära, doch das Team um
Chefentwickler Shigeru Miyamoto konnte sie aufgrund der technischen
Beschränkungen erst auf dem SNES verwirklichen.
Doch stimmt dies wirklich? Dass „Super Mario World“ auf dem NES
umsetzbar ist – wenn auch mit obligatorischen Einschränkungen –, bewies
nämlich 1995 ausgerechnet ein Spiele-Piraterie-Studio aus Taiwan. Die
Entwickler von Hummer Team, die bereits Erfahrung mit illegalen
Umsetzungen von Hit-Spielen auf schwächere Hardware hatten, portierten
das SNES-Spiel auf das NES/Famicom. Auf den Markt brachte die
NES-Portierung von „Super Mario World“ der taiwanesische Publisher JY
Company.
Halbwegs spielbar
Gerade auf dem NES florierte in der Mitte der 1990er Jahre der
Spieleschwarzmarkt; unzählige illegale Spieleschmieden veröffentlichten
Multicarts nach dem Schema „1000000 in 1“ und Machwerke wie „Donkey Kong
Country 4“ zu Tausenden. Diesen Spielen waren in der Regel zwei Dinge
gemeinsam: Sie waren dreiste und natürlich unlizenzierte Kopien von
beliebten Spielen und außerdem öfters von außerordentlich schlechter
Qualität. Ersteres trifft auch auf „Super Mario World NES“ zu –
zweiteres jedoch nicht. Verglichen mit anderen derartigen Spielen ist
die Umsetzung sogar relativ solide gelungen, weshalb sie eine genauere
Betrachtung wert ist.
Grafisch kommt das Spiel relativ nah an sein 16-Bit-Vorbild heran.
Erwartungsgemäß sind die Farben blasser, der Detailgrad reduziert, die
Animationen weniger gelungen und einige Sprites durch Pendants aus
„Super Mario Bros. 3“ ersetzt. Doch wenn man bedenkt, dass zwischen NES
und SNES eine ganze Generation liegt, so ist der Unterschied noch
akzeptabel. Da das NES weder so große noch so viele Sprites gleichzeitig
darstellen konnte wie sein Nachfolger, ersetzten die Entwickler den
großen Kugel Willi im Spiel durch drei Feuerbälle. Weitere technische
Mängel wie flackernde Sprites sowie ein flackernder Bildschirmrand sind
ebenso absolut verkraftbar.
Scheußlich ist leider die Musik. Die Entwickler versuchten, den
technisch anspruchsvollen Soundtrack des Originals eins zu eins in
vierkanalige 8-Bit-Melodien zu übertragen – ein absolutes Desaster. Das
Athletic-Theme muss derart komplex sein, dass es für Hummer Team
unmöglich in 8 Bit umzusetzen war und deshalb durch andere Melodien
ersetzt wurde. Ein weiterer Knackpunkt ist die Steuerung, die, anders
als die Musik, nicht zu übersehen ist. Besonders die Sprungsteuerung ist
außerordentlich schlecht programmiert und die Kollisionserkennung ist
ebenfalls mangelhaft.
Famicom-Cartridge von „Super Mario World“ (Bildquelle)
Zwei Varianten
„Super Mario World NES“ ist in zwei Versionen im Umlauf. Die erste
Version befindet sich auf einem separaten Modul und ist unvollständig;
das Spiel endet hier nach dem vierten Schloss. Die Daten für die
restlichen Level wurden von Hackern zwar bereits auf dem Modul entdeckt,
sie sind aber unvollendet. Hummer Team hatte wohl schlicht nicht genug
Zeit, um das Spiel fertigzustellen. Die vollständige Version des Spiels
wurde im Rahmen einer „Super 45-in-1 Multicart“ 1998 von JY Company
veröffentlicht und ist seltener als die unvollständige Fassung.
„Super Mario World NES“ bleibt unterm Strich also ein schlechtes, extrem
schlecht gemachtes Spiel. Doch für eine illegale Nachmache aus Hong
Kong ist das Produkt halbwegs spielbar. In diesem Gebiet will das
wirklich etwas heißen, denn es gilt tatsächlich als eines der besten
Spiele von damaligen Softwarepiraten. Viel mehr aber beweist es, dass
„Super Mario World“ sehr wohl auf dem NES umsetzbar ist. Dazu sind zwar
einige Anpassungen notwendig, mit mehr Know-How und vor allem mehr Zeit
sowie Liebe zum Detail hätte man aber durchaus eine akkurate Portierung
hinkriegen können.
Super Mario Bros.: The True Lost Levels
Welches ist der Nachfolger von „Super Mario Bros.“? Diese auf dem ersten
Blick triviale Frage ist in Wahrheit alles andere als einfach zu
beantworten, angefangen bei der Problematik, was man überhaupt unter dem
Begriff „Nachfolger“ versteht. „Super Mario Bros. 2“ jedenfalls war es
nicht; es diente seinerzeit lediglich im Westen als Ersatz für den
wahren Nachfolger, der aufgrund seiner hohen Schwierigkeit nur den
Japanern vorenthalten war und hierzulande unter dem Untertitel „The Lost
Levels“ bekannt ist. Da unser „Super Mario Bros. 2“ stark vom Prinzip
des Vorgängers abweicht, bezeichnen manche auch „Super Mario Bros. 3“
als wahren Nachfolger; selbst „Super Mario World“ und „New Super Mario
Bros.“ sind mögliche Antworten.
Doch nun bringen wir die Verwirrung zum Höhepunkt: Der wahre Nachfolger
von „Super Mario Bros.“ hört auf den Namen „Super Mario Bros. Special“.
Sagt euch nichts? Kein Wunder, denn dieses Spiel ist unglaublich selten.
Es stammt außerdem nicht direkt von Nintendo, ist aber offiziell
lizenziert und somit ein offizielles Spiel. Entwickelt von Hudson Soft,
kam es 1986 für die japanischen Heimcomputer NEC-PC8801 und Sharp X1
heraus. Genaueres zum „Wie, wann und warum?“ sind nicht bekannt,
allerdings scheint Hudson einen Vertrag über Heimcomputer-Portierungen
mit Nintendo abgeschlossen zu haben. Zuvor brachte der Publisher schon
„Ice Climber“, „Excitebike“ und „Mario Bros. Special“ für japanische
Heimcomputer heraus.
Anfang der 1980er Jahre waren für Nintendo Portierungen der eigenen Hits
für fremde Plattformen noch gang und gäbe – ganz anders als heute.
„Donkey Kong“ etwa wurde für zahllose Konsolen umgesetzt. Mit „Super
Mario Bros.“ schließlich endete dieser Trend langsam. Und doch
existiert, was eben kaum einer weiß, eine offizielle Abwandlung des
Spiels auf einer fremden Plattform – „Super Mario Bros. Special“.
Ein wahrhaft spezielles Spiel
„Super Mario Bros. Special“ ist keine Eins-zu-eins-Umsetzung des
NES-Klassikers, sondern tatsächlich ein Nachfolger. Spielkonzept, Grafik
und Musik versuchen zwar den Vorgänger so genau wie möglich
nachzuahmen, Hudson verfeinerte das Spiel aber durch neue Items und
gestaltete komplett neue, teils ziemlich schwierige Levels. Das Spiel
veranschaulicht, wie sehr das NES damals den Heimcomputern überlegen
war, denn die Technik ist geradezu miserabel. Da Side-Scrolling hier
nicht umgesetzt werden konnte – „Super Mario Bros.“ führte diese Technik
überhaupt erst ein –, wird beim Verlassen des aktuellen
Bildschirmausschnittes der nächste eingeblendet. Dies ähnelt sehr den
alten 2D-„Zelda“-Teilen. Das macht Sprünge noch schwieriger, als sie
durch die äußerst lausige Steuerung und die unausgereifte Spielphysik
ohnehin schon sind.
An vielen, weiteren Stellen wird die technische Unausgereiftheit
deutlich. Das Spiel muss mit weitaus weniger Farben als das NES-Original
auskommen und ein Zweispieler-Modus ist nicht enthalten. Außerdem läuft
die Zeit im Spiel viel schneller ab, als sie sollte. Die Musik kommt
außerdem ziemlich dudelig daher und klingt einfach nicht so rund wie in
der NES-Variante. Die einzelnen Varianten von „Special“ für die beiden
Heimcomputer sind aber auch nicht deckungsgleich, sondern unterscheiden
sich in ein paar Details, hauptsächlich in der Farbgebung. Trotz all
dieser groben handwerklichen Mängel hat das Spiel aber seinen Charme,
der im ungewohnt schwierigen Leveldesign sowie in Cameos beispielsweise
aus „Donkey Kong“ begründet ist.
Das verlorene „Mario“-Spiel
Ein weiterer Aspekt, der „Super Mario Bros. Special“ sehr interessant
macht, ist natürlich seine enorme Seltenheit. Es war jahrzehntelang
verschollen und wurde erst 2003 in der Zeitschrift PC Zone vom bekannten
britischen Videospieljournalisten Stuart Campbell wiederentdeckt.
Seither wird das Spiel im Internet via Emulation verbreitet. Natürlich
unterstützt Nintendo-Online keine Emulation; da von „Super Mario Bros.
Special“ allerdings keine Exemplare mehr im Umlauf sind, gibt es keine
legale Möglichkeit, um an dieses Spiel zu gelangen. Es ist sogar
möglich, dass es abseits von NEC-PC und Sharp X1 für weitere obskure
Japano-PCs erschien, diese Fassungen bis heute aber verschollen sind.
Wann genau das Spiel 1986 erschien, weiß man nicht. Wir trafen bei
unserer Recherche öfters auf die – leider unbelegte – Angabe Anfang bis
Mitte 1986, wonach das Spiel noch vor „The Lost Levels“ erschienen wäre.
In den Credits des Spiels sind die Namen von teils durch andere
Hudson-Spiele belegten Entwicklern erwähnt. Da Hudson inzwischen nicht
mehr selbständig existiert, sondern von Konami aufgekauft wurde, dürfte
es ein Ding der Unmöglichkeit sein, die Verantwortlichen hinter „Super
Mario Bros. Special“ über nähere Hintergründe zu fragen. Somit wissen
wir nach wie vor nichts über die Hintergründe des Spiels und werden
diese wohl auch nie aufdecken können. „Special“ ist eben ein geradezu
mysteriöses Spiel.
Boxart von „Super Mario Bros. Special“ (Bildquelle)
Fazit
Eine illegale Portierung von „Super Mario World“ für das NES haben wir euch vorgestellt, die zu den besten Piraterie-Umsetzungen überhaupt gehört und zeigt, dass das Spiel durchaus auch auf einer 8-Bit-Konsole laufen kann. Natürlich enthält das Spiel grobe Mängel, aber wer sich mal weiter mit der Materie beschäftigt, wird auf vielfach erbärmliche Machwerke stoßen. Weitere Details zu diesem Spiel findet man auf dieser Seite; an dieser Stelle möchten wir „Mariofan13“ unseren Dank aussprechen.
Dann haben wir uns mit „Super Mario Bros. Special“ beschäftigt, dem wahren Nachfolger des NES-Klassikers, der von Hudson für obskure japanische PCs veröffentlicht wurde und selber kaum obskurer sein könnte. Leider konnten wir auch nichts Näheres zu diesem Spiel, abgesehen von seiner Beschreibung, in Erfahrung bringen.
Bisher gibt es 16 Kommentare
Aber das soll hier nicht das Motto werden. Inside Nintendo ist nicht hier um irgendwelche unbewiesenen Theorien zu präsentieren, sondern euch über Geschehnisse innerhalb der Entwicklung von Spielen oder innerhalb der Firma aufzuklären und zu informieren und dabei zählen nun mal nicht irgendwelche geringen Hinweise, die darauf deuten KÖNNTEN, Mario sei der Bruder von Alf oder sonstwas, sondern da zählen nur Fakten und diese Schiene werden wir sicher weiterfahren.
War super Mario World for NES eigentlich nur für das japanische Famicom oder auch für das europäische NES?
Es wirkt so traurig gemacht unter billigen Umständen.
Super Mario Wolrd NES scheint aber echt gut zu. Da haben sie wohl Nintendo mächtig in den Arsc* getreten
Danke an alle für das Lob!
Da er es schon getan hat, hättest du es nicht nochmal tun müssen...naja jedenfalls ein sehr interessanter Artikel. Witzig, dass Nintendo damals in Sachen Hardware ungeschlagen die Spitze anführte und wie es jetzt aussieht...^^
Gefällt mir, super gemacht!
Ich bin übrigens dieser Mariofan13, dem der Autor des Artikels seinen Dank ausspricht Als einer der Administratoren des deutschen Mariowikis (und des zugehörigen Mario-Forums habe ich ihm den Inhalt eines vor langer Zeit gelöschten Artikels über Super Mario World NES zur Verfügung gestellt
Danke dir, dass du nicht darauf vergessen hast, mich zu erwähnen