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Boyfriend Dungeon

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LGBTQIA+ in Videospielen: Diese Spiele zeigen viele queere Facetten

Wie sollte Repräsentation in Videospielen eigentlich aussehen? Hier gibt es häufig Missverständnisse, denn wenn die LGBTQIA+-Community eine faire Behandlung fordert, heißt das nicht, dass sie mit Samthandschuhen angefasst werden oder stets die Helden sein müssen. Viel mehr geht es um grundlegenden Respekt: In Unterhaltungsmedien wurden viel zu lange homosexuelle Charaktere in Nebenrollen gepackt, um sie sterben zu lassen, und Trans-Charaktere als falsches Geschlecht beleidigt, um einen Lacher herbeizuführen. Dass ein gigantischer Haufen an Bösewichten queercoded sind - bedeutet, dass Charaktere durch ihre übertriebene, extravagante Art Stereotypen von queeren Menschen darstellen sollen, ohne dass die Sexualität thematisiert wird - hat über die Jahre hinweg zu extremer Frustration geführt, und noch immer sind diese schädlichen Klischees weit verbreitet. Deshalb sind die aktuellen Zeiten so wichtig, denn queere Schaffende können sich freier austoben, als es jemals zuvor möglich war, was zu den nachfolgenden Videospielen geführt hat.

Boyfriend Dungeon

Wer kennt es nicht: Man besucht seinen Cousin Jesse im wunderschönen Verona Beach, wirft sich trotz extremer Schüchternheit auf den Dating-Markt und verbringt seine Zeit mit Menschen, die sich in Waffen verwandeln können, um in Dungeons dem Verschwinden von eben diesen auf den Grund zu gehen. Ok, das ging jetzt vielleicht etwas schnell, aber genau diese verrückte Prämisse bietet „Boyfriend Dungeon“, dessen Zielgruppe zwar nicht nur, aber eben auch die LGBTQIA+-Community ist. Wer sich nicht daran stört, dass die Kämpfe in den zwei Dungeons relativ schnell vorbei sind, erlebt eine durchaus verrückte Geschichte, die aber einen umso ernsteren Kern hat. Das Thema Stalking in Verbindung mit toxischer Maskulinität wird nämlich verstärkt thematisiert, und sorgt für ein Spiel das weiß, wann der Humor und die Idylle zur Seite geschoben werden müssen, um ein wichtiges Thema anzusprechen und entsprechend darzustellen. Eine entsprechende Warnung vor dem Start, dass traumatische Themen aufgegriffen werden, wurde nicht umsonst implementiert. 

Es ist wahnsinnig erfrischend, eine durch und durch queere Geschichte in einem Videospiel zu erleben. Die Themen der Angst vor Änderungen oder Intimität sind nicht einzigartig queer, werden aber mit so viel Sorgfalt behandelt, dass sich viele in der Erzählung wiedererkennen werden. Dass jeder willkommen ist, wird bereits bei der Charaktererstellung klar, denn es können keine Geschlechter, sondern nur drei Pronomen ausgewählt werden - und sogar für die deutsche Sprache gibt es entsprechende non-binäre Vertretung. Auch die datebaren Waffen sind allesamt pansexuell und somit gibt es nur die Grenzen, die Spielende selbst definieren. Die Dating-Szenen hätten zwar etwas länger sein dürfen, doch lässt sich jede davon bestens genießen und bietet derart tolle Szenen, dass man immer wieder gerne in die Welt zurückkehrt. In Zukunft gibt es dafür sogar noch mehr Gründe, denn noch in diesem Jahr sollen durch ein Update zwei weitere Waffen eingeführt werden.

„Boyfriend Dungeon“ ist für Nintendo Switch, Xbox One und PC erhältlich.

Haven

In „Haven“ geht es um Yu und Kay, die aus ihrer Heimat geflohen sind, um endlich ein glückliches Leben zu führen. In ihrer neuen Heimat, bestehend aus einzelnen Inseln, ist aber die Sicherheit ebenfalls ein Problem, denn Ressourcen müssen gesammelt und Monster besiegt werden, was zu einem überraschend ruhigen Survival-Spiel führt. Spielende steuern beide Helden gleichzeitig oder stürzen sich in den kooperativen Modus, während sie Monster besiegen und magische Linien auf den Inseln verfolgen. Dank spezieller Stiefel können die beiden regelrecht schweben, und somit entpuppt sich „Haven“ als Wohlfühlspiel, das zwar einige Gefahren bietet, allerdings trotzdem bestens zum Entspannen geeignet ist.

Das Entwicklerstudio The Game Bakers hatte anfangs geplant, acht verschiedene Paare spielbar zu machen, was sich recht früh als unrealistisch herausgestellt hat. Doch nach der Veröffentlichung 2020 fingen die Arbeiten am Couple-Update an, die in diesem Jahr fertiggestellt wurden. Deshalb ist es nun möglich, selbst zu entscheiden, ob Yu und Kay jeweils männlich oder weiblich sind. Das entpuppt sich als umfangreicher als gedacht, denn die zahlreichen Dialoge wurden entsprechend angepasst und neu vertont, womit jeder selbst bestimmen darf, ob er nun ein hetero-, oder homosexuelles Paar spielt. Egal in welcher Konstellation, es geht stets um die Liebe der beiden, und auch Streitereien und andere Probleme bleiben in einer gesunden Beziehung nicht aus. Eine derart greifbare, realistische und vor allem romantische Beziehung, in der das Positive im Vordergrund steht, darf die Videospielindustrie gerne häufiger hervorbringen. Und sie zeigt einigen, die in der Vergangenheit steckengeblieben sind, dass es keinerlei Unterschiede zwischen hetero und queeren Beziehungen geben würde, wenn das Umfeld nicht homophob wäre.

„Haven“ ist für Nintendo Switch, PlayStation 5, PlayStation 4, Xbox Series, Xbox One und PC erhältlich.

The Missing: J.J. Macfield and the Island of Memories

„The Missing: J.J. Macfield and the Island of Memories“ ist ein wichtiges Spiel, das allerdings im Rahmen eines solchen Artikels nicht fair versprochen werden kann, ohne zu spoilern. Deshalb gibt es an dieser Stelle eine sehr große SPOILERWARNUNG.

„The Missing“ beginnt mit einem Campingausflug des Paares J.J. Macfield und Emily. Als Emily plötzlich verschwindet, macht sich J.J. auf die Suche und wird von einem Blitz getroffen, der alles verändert. Plötzlich wird sie unsterblich und kann Körperteile abtrennen, was notwendig ist, um Rätsel zu lösen, zum Beispiel wenn sie einen Arm gegen einen Schalter wirft oder alle Gliedmaßen abtrennt, um durch einen engen Gang zu kommen. Den Schmerz der Selbstverletzungen spürt sie aber trotzdem, und während die Ortschaften immer grausamer und surrealer werden, tauchen auch Monster auf, die J.J. auf ebenso brutale Weise töten wollen wie die Umwelt selbst. All das führt zu einem außergewöhnlichen Rätsel-Horror, dessen Bedeutung gegen Ende aufgeklärt wird - und noch einmal, SPOILERWARNUNG.

Durch Texte von J.J.s Mutter, die im Laufe des Spieles gefunden werden, wird aufgedeckt, dass diese gefährlich religiös ist und durch die Beziehung zu Emily langsam herausfindet, dass J.J. eine Trans-Frau ist. Anstatt ihrer Tochter zur Seite zu stehen, schlägt sie die leider in vielen Ländern noch legale Folter durch Konversationstherapie vor und führt J.J., gemeinsam mit nicht akzeptierenden Mitschülern und Lehrenden, in eine tiefe Depression, die zu Selbstverletzungen und einem Suizidversuch führt. Genau das wird in der Spielmechanik widergespiegelt, denn J.J. akzeptiert sich nicht und fügt sich Schmerzen zu, um sich selbst dafür zu bestrafen, anders zu sein. Das Ende ist glücklicherweise hoffnungsvoll und stellt klar, dass „The Missing“ eine Geschichte über Selbstfindung, Akzeptanz und den Schmerz ist, den viele Trans-Personen durchleben, der aber dadurch überwunden werden kann, dass die eigene Identität akzeptiert wird. Erst als sich J.J. bewusst macht, dass sie nicht sterben will, kann sie voranschreiten.

„The Missing“ ist bis heute revolutionär, denn es erkundet während seiner Spielzeit vielschichtige queere Themen auf eine Art, die schlichtweg einzigartig ist. Während Trans-Menschen den Titel lobten, weil er das Thema mit Respekt auf vielen Ebenen behandelt, informiert das Spiel auch cisgender Personen über das Leid, das zu viele über sich ergehen lassen müssen. Insbesondere das Thema Selbstmord steht häufig im Fokus, die Entwickler besprechen aber die außenstehenden Gründe dafür, anstatt das Leid für sich stehen zu lassen. Für das Projekt hat sich Hidetaka SWERY Suehiro entsprechende Experten als Berater ins Team geholt, was maßgeblich dazu beigetragen hat, wie eindrucksvoll die Geschichte geworden ist. Leider hat er in gewissen nachfolgenden Projekten und äußerst fragwürdigen Interviews dann wieder allein gehandelt und bewiesen, dass es ihm nicht darum geht, die Trans-Community mit Respekt zu behandeln. Das ändert glücklicherweise nichts an „The Missing“, bei dem er nicht alleine das Sagen hatte, und das vielleicht auch deshalb zu den besten queeren Werken der Industrie gehört - auch wenn man offen dafür sein muss, dass hier offen Traumata behandelt werden.

„The Missing: J.J. Macfield and the Island of Memories“ ist für Nintendo Switch, Xbox One und PC verfügbar. Theoretisch gibt es auch eine PlayStation 4-Version, diese ist aber im deutschen PlayStation Store nicht erhältlich. Gründe dafür wurden nie genannt, doch wer sich zum Beispiel einen österreichischen Account anlegt, kann das Spiel ohne Probleme erwerben.

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Bisher gibt es sechs Kommentare

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  • Avatar von Mjyrn
    Mjyrn 21.06.2022, 10:42
    Heute Nacht habe ich von Boyfriend Dungeon geträumt...Zufälle gibts...

    Haven und besagtes Boyfriend Dungeon möchte ich auf jeden Fall nochmal spielen irgendwann.
    Bei letzterem hält mich noch das Dungeon Crawling Gameplay ab, irgendwie sah das nicht so interessant aus. :/
  • Avatar von babyluigi
    babyluigi 21.06.2022, 10:22
    Ich habe von Haven bereits mal gehört, und ich finde die Idee einfach herzallierliebst, dass man das Spiel zusammen spielen kann und quasi einen der beiden Charaktere in der Beziehung spielt. Mit der Option, dass das Geschlecht frei gewählt werden darf und die Wahl der Beziehung gleichgeschlechtlich sein darf, macht es sehr inklusiv.
  • Avatar von Phondrason
    Phondrason 21.06.2022, 09:59
    Danke für den Bericht Marco!

    Ich habe boyfriend dungeon tatsächlich mal auf meiner Liste gehabt, weil ich das Konzept von Bindung zur Waffe sorgt für mehr "Stärke" ganz interessant fand
  • Avatar von Anonym_230216
    Anonym_230216 21.06.2022, 07:27
    Zitat Zitat von Luchsderlettern Beitrag anzeigen
    Was heißt i.a.?
    Wenn du die Überschrift, LGBTQIA+, meinst: Intersexual und Asexual.
  • Avatar von Garo
    Garo 21.06.2022, 06:57
    Zitat Zitat von Luchsderlettern Beitrag anzeigen
    Was heißt i.a.?
    Das ist der Esel aus Winnie Puuh.
  • Avatar von Luchsderlettern
    Luchsderlettern 21.06.2022, 00:28
    Was heißt i.a.?