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Inside Nintendo 198: Vertauschte Rollen: Wie Mario in Donkey Kong Jr. zum Bösewicht wurde

Mario als Bösewicht? Was heutzutage unvorstellbar wirkt, war bereits bei seinem zweiten Auftritt der Fall: In „Donkey Kong Jr.“ hatte das spätere Nintendo-Maskottchen die Rolle des Antagonisten inne. Es ist wohl in erster Linie dieser Umstand, für den der Arcade-Klassiker heute bekannt ist. Deutlich weniger präsent ist dagegen, dass „Donkey Kong Jr.“ auch das erste Spiel war, das Nintendo komplett eigenständig entwickelt hat. Um das zu bewerkstelligen, musste sich der Konzern allerdings den von einem externen Unternehmen geschriebenen Programmcode des berühmten Vorgängers aneignen! Anlässlich des 40-jährigen Jubiläums erzählen wir diesmal bei „Inside Nintendo“ die ganze Geschichte hinter dem heute weitestgehend in Vergessenheit geratenen zweiten „Donkey Kong“-Spiel.

Gehäuseartwork zu „Donkey Kong Jr.“

Im Schatten des Erfolgs-Gorillas

Die Geschichte hinter einer Fortsetzung lässt sich meist nicht ohne Rückblick auf den Vorgänger erzählen, und so müssen wir auch im Falle von „Donkey Kong Jr.“ zunächst einen Schritt zurückgehen. Als „Donkey Kong“ 1981 in die Arcade-Hallen kam, mauserte es sich zu Nintendos bis dahin größtem Erfolg und ermöglichte dem Konzern den großen Durchbruch außerhalb des Heimatmarktes Japan. Auch die Entwicklung von Nintendos erster Spielkonsole mit austauschbaren Modulen, dem Famicom/Nintendo Entertainment System, wäre ohne das durch „Donkey Kong“ in die Kassen gespülte Geld nicht möglich gewesen. Noch dazu war der Klassiker nicht nur der erste Auftritt der bis heute beliebten Figuren Donkey Kong und Mario, er gilt auch als Begründer des Jump’n’Run-Genres und als erstes Videospiel, das eine ausgearbeitete Geschichte erzählt.

Über dieses meisterhafte Debüt von Entwickler-Legende Shigeru Miyamoto ist bereits oft berichtet worden. Weitaus weniger bekannt ist allerdings, dass Spielfigur Jumpman bzw. Mario in der öffentlichen Wahrnehmung damals kaum eine Rolle spielte. Angesichts der enormen Beliebtheit, die der Klempner seit Mitte der 1980er-Jahre bis in die Gegenwart hinein durchgängig genießt, fällt es schwer, sich das vorzustellen. Doch damals stand für Nintendo noch nicht einmal fest, dass der ursprünglich als Zimmermann tätige Durchschnittstyp auch in einem etwaigen Nachfolger von „Donkey Kong“ den Protagonisten mimen musste. Weitaus naheliegender war es vielmehr, erneut den gleichnamigen Gorilla ins Rampenlicht zu stellen.

Mario vs. Donkey Kong

„Ich wollte, dass Donkey Kong die Spielfigur wird“, erwähnte Miyamoto 2003 eher beiläufig in einem Interview mit dem Official Nintendo Magazine, ohne welches wir über die Entstehung von „Donkey Kong Jr.“ nahezu nichts wüssten. Miyamotos Wunsch scheiterte allerdings daran, dass der Gorilla zu groß für die Spielfigur eines Actiontitels war. „Wir konnten den Bildschirm nicht scrollen lassen“, erläuterte Miyamoto – damit spielte er vermutlich darauf an, dass eine große Spielfigur eine ebenso große Levelumgebung erfordert hätte, die sich wiederum nur mit scrollenden Levels hätte umsetzen lassen können. Diese Technik gehörte bereits zu Miyamotos frühen Plänen für das erste „Donkey Kong“; dort konnte sie allerdings ebenso wenig realisiert werden wie im Nachfolger.

Die technischen Begrenzungen brachten den jungen Designer jedoch nicht etwa dazu, doch wieder auf Jumpman – respektive, wie er in Amerika getauft wurde, Mario – als Spielfigur zurückzugreifen: „Also dachten wir: ‚Nun, machen wir doch einen kleinen Donkey Kong, um ihn anstelle von Mario zu nutzen!‘“ So wurde Donkey Kong Jr. als völlig neue Figur eingeführt. Miyamoto fuhr fort: „Wir wollten immer noch einen großen Donkey Kong oben auf dem Bildschirm. Aber er konnte natürlich nicht der Hauptgegner sein – es konnte nicht Vater gegen Sohn sein.“ Und erst an dieser Stelle der Planungen kam Mario ins Spiel: „Also dachten wir uns: ‚Ah, Mario hat ihn [Donkey Kong] gefangen!‘“

Zeitgenössisches Flyer zum Spiel. Das Aussehen des später weltberühmten Klempners war damals ebenso wenig festgelegt wie sein Charakter.

Die Souveränität eines Schöpfers

Allein diese ganz auf Donkey Kong fokussierten Gedankengänge waren es, die zu einer vollkommenen Umkehrung der Rollen sorgten. Mario, der im Vorgänger noch als glorreicher Held die vom Gorilla gefangen gehaltene Pauline befreit hatte, sollte nun als Gegenspieler fungieren und Donkey Kong entführen. Diese Entscheidung war nicht mehr als eine narrative Notlösung. Im Interview von 2003 fragte das Official Nintendo Magazin den Mario-Vater, was er sich dabei gedacht hatte, die Rollen von Gut und Böse so mir nichts, dir nichts umzutauschen, worauf dieser jedoch nicht direkt einging. Stattdessen betonte er, dass Donkey Kong für ihn auch im gleichnamigen Erstling nicht schlechthin böse gewesen sei.

Diese souveräne Umkehrung des bisherigen Storygerüsts deutet darauf hin, dass Miyamoto bei der Entwicklung von „Donkey Kong Jr.“ seiner Phantasie deutlich stärker als bei seinen früheren Arbeiten freien Lauf lassen durfte. William Audureau bezeichnete „Donkey Kong Jr.“ daher als eines der wichtigsten Projekte in der Karriere der Entwicklerlegende und gar als Spiel, mit dem er sich emanzipiert habe. Immerhin hatte sich der junge Designer durch seinen vorherigen Überraschungserfolg zur Genüge beweisen können.

Dass Miyamoto bei den Arbeiten an der Fortsetzung nicht mehr der unmittelbaren Aufsicht des erfahrenen Gunpei Yokoi unterstand, wie Audureau darüber hinaus betont, ist angesichts unseres spärlichen Wissens über die genauen Entstehungsumstände zwar rein spekulativ. Wohl aber war er anders als bei „Donkey Kong“, das ursprünglich als „Popeye“-Adaption geplant war und dessen Figuren-Dreieck Jumpman, Donkey Kong und Pauline direkt auf den spinatliebenden Seemann, Bluto und Olive Oyl zurückgeht, nicht mehr abhängig von einer bereits bestehenden Storykonstellation.

Auf den Spuren eines Gorilla-Entführers

Die Handlung, die „Donkey Kong Jr.“ in seiner ursprünglichen japanischen Arcade-Fassung erzählt, ist elaborierter und besser im Spiel verankert als beim Vorgänger. Zunächst zeigt eine Zwischensequenz, wie Donkey Kong entführt wird, woraufhin der Sohnemann in den ersten beiden Leveln in einer tropischen Umgebung seinen Vater aus der Gefangenschaft zu retten versucht. Es folgt eine Filmsequenz, in der Mario den gefangenen Gorilla per Hubschrauber abtransportiert, gefolgt von Junior, der mittels eines Schirms hinterherfliegt. Die beiden weiteren Level spielen in Marios Versteck.

Da die Levelabfolge für die amerikanische Version aus unerklärlichen Gründen abgewandelt wurde und in der bekannteren NES-Umsetzung die Zwischensequenzen weggefallen sind, ist diese Story wenig präsent. Die Grundprämisse, dass Mario nun der Bösewicht ist, bleibt aber in allen Fassungen gleich. Dieser Rollentausch scheint heute undenkbar, doch wie Audureau in seinem Buch über die frühe Geschichte von Mario aufgezeigt hat, war der Latzhosenträger Anfang der 1980er-Jahre schlicht und ergreifend noch keine wichtige Figur.

Hier sind Bilder aus den drei zentralen Zwischensequenzen von „Donkey Kong Jr.“ zu sehen. Wer eigentlich der zweite Mario am Beginn des Spiels (links) ist, wurde nie erklärt. Fans überlegten, ob es sich um eine frühe Form von Luigi handelt, der seinen ersten richtigen Auftritt 1983 im Arcade-Spiel „Mario Bros.“ feierte. Womöglich kann diese ominöse Figur aber, wie Ken Horowitz vermutet, als erster Beleg dafür gelten, dass Miyamoto dem Klempner einen Bruder zur Seite stellen wollte.

Schlechtes Images

Letztlich war Mario in „Donkey Kong Jr.“, wie Audureau schreibt, nur Hintergrundfolie für die eigentliche Hauptfigur, „ein kleiner, sekundärer Charakter zur Unterstützung des Plots“. Dass er nur wenige Jahre später de facto zum Gesicht des Konzerns avancieren würde, schien mit diesem Auftritt nun aber geradezu unmöglich. „Marios neue Rolle senkte seine Chancen, ein Maskottchen zu werden, auf nahezu Null. Es war immerhin schwierig, Marketingkampagnen für einen grausamen und verkümmerten Charakter, der Tiere misshandelt, zu starten.“

Vielleicht war gerade dies der Grund dafür, dass die Hintergrundstory von „Donkey Kong Jr.“ für den amerikanischen Markt eine kleine, aber wesentliche Änderung erfuhr. Während in Japan unklar blieb, warum Mario den Gorilla von seiner tropischen Heimat entführt hat und in Gefangenschaft hält, hieß es in amerikanischem Werbematerial ausdrücklich, dass Mario Donkey Kong eingesperrt habe, damit der Primat keine Frauen mehr entführen könne. Dadurch wurden die Motive des (Anti-)Helden etwas nachvollziehbarer. Wie gezielt diese Maßnahme wirklich war, muss aber offen bleiben; immerhin beraubte zugleich die bereits erwähnte Änderung in der Levelabfolge die Handlung der amerikanischen Fassung ihres Sinns.

Donkey Kong lässt keine Ruhe

Aber der Ausgangspunkt der Entstehung von „Donkey Kong Jr.“ war ohnehin nicht etwa das Bedürfnis, eine bestimmte Handlung zu erzählen. Vielmehr ging es um die Umsetzung spielerischer Konzepte, die im ersten „Donkey Kong“ nicht mehr untergebracht werden konnten. Miyamoto und sein Team hatten damals schlichtweg mehr Ideen, als sich in den vier Leveln des Arcade-Klassikers verwirklichen ließen. Der Designer erzählte: „Daher sagte einer meiner Freunde, der das Spiel mit mir machte: ‚Wir haben all diese Ideen, warum machen wir also nicht ein weiteres Spiel?‘“ Auch Nintendo selbst habe Miyamoto um die Entwicklung einer Fortsetzung gebeten.

Freilich sah sich der Konzern damals zunächst mit ganz anderen Problemen rund um „Donkey Kong“ konfrontiert. Gleich zwei ebenso aufsehenerregende wie langwierige Streitigkeiten hielten die Rechtsabteilung auf Trab. Da waren zum einen die Universal Studios, die in „Donkey Kong“ eine widerrechtliche Adaption des Horrorstreifens „King Kong und die weiße Frau“ von 1933 sahen. Zum anderen war da Ikegami Tsushinki, jenes Unternehmen, das für die Programmierung von „Donkey Kong“ angeheuert worden war – und nun behauptete, dass Nintendo den Programmcode gestohlen habe.

Das technische Innenleben des „Donkey Kong“-Automaten hat Nintendo viel Streit bereitet (Bild: Wikimedia Commons). Mithilfe des extrahierten Programmcodes hat Nintendo zehntausende Exemplare selber hergestellt – sehr zum Unmut des Unternehmens Ikegami Tsushinki. Da die Partnerschaft zerbrach, musste sich Nintendo für die Entwicklung von „Donkey Kong Jr.“ anderweitig aushelfen: Man ließ ein anderes Unternehmen namens Iwasaki Electronics kurzerhand den Quellcode per Reverse Engineering rekonstruieren!

Nintendos (semi-)skrupulöse Machenschaften

Der ursprüngliche Vertrag zwischen Nintendo und Ikegami hatte die Produktion von 8000 „Donkey Kong“-Spielplatinen vorgesehen. Als dieses Kontingent erschöpft war, die Nachfrage aber ungebrochen hoch blieb, extrahierte Nintendo kurzerhand den Programmcode, um selber Platinen herstellen zu können. Allein in Nordamerika verkaufte der Konzern schlussendlich über 60.000 Automaten – zu Recht pochte Ikegami nun auf Schadensersatz. Zu Nintendos Verteidigung ist allerdings zu erwähnen, dass die Besitzrechte an Videospiel-Programmcode damals juristisch noch gar nicht geregelt waren. Jedenfalls legten die beiden Unternehmen ihren Streit einige Jahre später mit einer außergerichtlichen Einigung bei.

Es wurde vermutet, dass die Rechtsstreitigkeiten sowohl mit Ikegami Tsushinki als auch mit den Universal Studios ein ausschlaggebender Faktor dafür waren, dass „Donkey Kong Jr.“ hinsichtlich des Spielprinzips und der Figuren so stark vom Vorgänger abwich. Letztlich bleibt das nur Spekulation, aber tatsächlich bemühte sich Nintendo mit dem Spiel, einen Schritt in Richtung Eigenständigkeit zu gehen: Erstmals wurde der Programmcode intern erstellt. Freilich begannen die hauseigenen Programmierer nicht komplett bei null, sondern gründeten ihre Arbeit auf den „Donkey Kong“-Quellcode, den ein Unternehmen namens Iwasaki Electronics durch Reverse Engineering erhalten hatte.

Iwasaki Electronics sollte für Nintendo übrigens noch fernab dieser Grundlagenarbeit für „Donkey Kong Jr.“ wichtige Dienste leisten: Das Unternehmen wirkte an der Programmierung früher Famicom-Spiele mit, und 1986 gründeten mehrere seiner Mitarbeitenden das Studio Intelligent Systems, das bis zum heutigen Tage sehr eng mit Nintendo zusammenarbeitet und unter anderem die Serien „Fire Emblem“ und „Paper Mario“ hervorgebracht hat (siehe „Inside Nintendo 36: Intelligent Systems – die Geschichte des Fire Emblem-Studios“).

Die bekannten und die weniger bekannten Mitwirkenden

Aus technischer Sicht ist „Donkey Kong Jr.“ gewissermaßen also ein ROM-Hack des Vorgängerspiels. Zwei Namen der am Reverse Engineering beteiligten Programmierer von Iwasaki Electronics sind dank Einträgen in einem Highscore-Bildschirm bekannt: Masayoshi Oka und H. Hoshino. Auf Grundlage des von ihnen rekonstruierten „Donkey Kong“-Quellcodes wurde dann die Programmierung des neuen Spiels intern bei Nintendo vorgenommen. Zuständig dafür waren Masao Yamamoto, dessen umfangreiche Tätigkeit für Nintendo sich unter anderem über mehrere Game-&-Watch-Handhelds, das erste „Metroid“, „Super Mario Land“ sowie mehrere „Dr. Mario“- und „Tetris“-Spiele erstreckt, und der frisch von der Universität angeheuerte Kenji Nishizawa, der später unter anderem an „Metroid“, „Kid Icarus“ und „Famicom Wars“ beteiligt war.

Die Grafik des Spiels stammt größtenteils von Director und Spieldesigner Miyamoto höchstpersönlich. Unterstützung erhielt der aufstrebende Entwickler von einem Nintendo-Neuzugang namens Yoshio Sakamoto, der gerade für „Metroid“-Fans kein Unbekannter ist. Der Nintendo-Veteran erzählte 2010 in einem Interview über seine Mitwirkung an diesem Klassiker: „Ich weiß nicht, ob Sie sich an ‚Donkey Kong Jr.‘ erinnern, aber damals arbeitete Mr. Miyamoto an der Pixelgrafik und benötigte Unterstützung. Daher zog er mich von einer ganz anderen Abteilung des Unternehmens ab. Er sprach mit meinem Chef, und ich war verfügbar, das war also ein weiteres großes Debüt für mich.“

Die Soundeffekte schließlich steuerte wie schon beim Vorgänger der bekannte Nintendo-Komponist Hirokazu Tanaka bei, während Yukio Kaneoka die kurzen, simplen Musikstücke im Hintergrund komponierte. In einem Interview von 1985 verriet Kaneoka, dass es ihm ein Herzensanliegen war, eine musikalische Untermalung für die „Donkey Kong“-Arcadespiele zu erschaffen, dass er damit aber ursprünglich auf Widerstand gestoßen sei.

Der erste Level aus „Donkey Kong Jr.“ in sechs verschiedenen Fassungen des Spiels. Oben: Arcade, Atari 2600 und Intellivision; unten: Game & Watch, ColecoVision und NES.

Im Schatten des Vorgängers

Nachdem es am 28. Juli 1982 vorgestellt worden war, startete „Donkey Kong Jr.“ ab Herbst 1982 in den Arcade-Hallen durch. Ab wann genau Spielhallenbetreibende den Automaten erwerben konnten, lässt sich, wie für die damalige Zeit nicht unüblich, nicht genau festmachen. Ken Horowitz zufolge war es in Japan der August 1982, und laut William Audureau wurde das Spiel ab Oktober 1982 weltweit verkauft. Die Produktion der Arcade-Automaten endete bereits im Dezember des gleichen Jahres. Insgesamt wurden in Nordamerika über 35.000 Exemplare abgesetzt – grundsätzlich kein schlechtes Ergebnis, allerdings nur gut die Hälfte der vom Vorgänger erzielten Verkaufszahlen. Ob die Qualität des Spiels oder die Differenzen zum Vorgänger dafür verantwortlich waren, dass sich der Erfolg der „Donkey Kong“-Marke nicht halten ließ, ist nicht nachweisbar; schuld kann auch einfach das 1982 generell nachlassende Arcade-Geschäft gewesen sein.

Bei einem Arcade-Spiel bedeutet das Produktionsende natürlich nicht, dass der Automat direkt aus den Spielhallen verschwindet, und so ist davon auszugehen, dass „Donkey Kong Jr.“ auch 1983 noch sehr beliebt war. In diesem Jahr kamen außerdem mehrere Portierungen für Heimkonsolen in den Handel. Im April 1983 wählten Leserinnen und Leser der Electronic Games „Donkey Kong Jr.“ zu ihrem Lieblingsspiel und in der Januar-1984-Ausgabe erhielt die ColecoVision-Portierung einen Preis für beste Grafik und Soundeffekte.

Von der Spielhalle ins Wohnzimmer

Wie bei damaligen Arcade-Spielen gang und gäbe und auch beim Vorgänger der Fall, erschienen Umsetzungen von „Donkey Kong Jr.“ für alle großen Heimkonsolen, darunter Atari 2600, ColecoVision und Intellivision. Auch kamen gleich drei Umsetzungen als Game & Watch auf den Markt. Als Nintendo Mitte 1983 in Japan seine erste eigene Heimkonsole mit austauschbaren Modulen herausbrachte, das Famicom, war „Donkey Kong Jr.“ eines von nur drei Launchspielen – die übrigen waren Portierungen von „Donkey Kong“ und „Popeye“. Im Vergleich zu den früheren Heimkonsolen-Umsetzungen vermochte „Donkey Kong Jr.“ auf dem Famicom die Rechenleistung der neuen Konsole gekonnt unter Beweis zu stellen, denn keine andere Portierung kommt der Arcade-Vorlage so nahe.

Die Famicom-/NES-Version von „Donkey Kong Jr.“ ist beginnend mit der 1988 erschienenen NES-Sammlung „Donkey Kong Classics“ bis hin zum eShop von Wii, 3DS und Wii U im Laufe der Jahre mehrfach wiederveröffentlicht worden und hat somit eine weite Verbreitung erfahren. Die ursprüngliche Arcade-Fassung hingegen erschien erst 2018 für Nintendo Switch als Teil der „Arcade Archives“-Serie von Entwickler Hamster Corporation.

Nach „Donkey Kong 3“ waren Protagonist Stanley nur noch Cameo-Auftritte vergönnt.

Der seltsame dritte Teil

„Donkey Kong Jr.“ war nicht das einzige von Miyamoto entworfene Spiel, das 1982 die Arcade-Hallen eroberte: Mit dem Platformer „Popeye“ konnte der aufstrebende Entwickler endlich einige seiner ursprünglich für „Donkey Kong“ vorgesehenen Ideen verwirklichen. Ob das Spiel vor oder – wie meist behauptet – nach „Donkey Kong Jr.“ entwickelt wurde, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Ein Jahr später folgte „Donkey Kong 3“, das allerdings deutlich weniger Aufmerksamkeit als „Donkey Kong Jr.“ und „Popeye“ erhielt. Der dritte Teil der Reihe tauscht das Jump’n’Run-Gameplay seiner Vorgänger gegen eine Shooter-Mechanik aus und lässt Spielende anstelle von Mario oder Donkey Kong Jr. in die Rolle des Gärtners Stanley schlüpfen. Spielprinzip und -figur waren nicht brandneu, sondern basierten auf dem 1982 veröffentlichten Game-&-Watch-Handheld „Green House“, in dem allerdings Donkey Kong noch nicht als Gegenspieler fungiert hatte.

Wegen der einschneidenden Änderungen im Vergleich zu den Vorgängern und der eher marginalen Verkaufszahlen von nur 5000 Geräten galt „Donkey Kong 3“ schon immer als schwarzes Schaf der Arcade-Trilogie. Außerdem wurde es nicht mehr groß für den Heimkonsolenmarkt umgesetzt, sondern erschien nur noch auf dem Famicom/NES, später auch als Game & Watch. Die Entstehungsumstände des Spiels sind ein einziges Mysterium. Auch wenn Miyamoto, der im selben Jahr das wesentlich erfolgreichere „Donkey Kong“-Spin-off „Mario Bros.“ hervorbrachte, von manchen Quellen wie selbstverständlich mit „Donkey Kong 3“ in Verbindung gebracht wird, gibt es für seine Beteiligung an diesem Spiel keinen Beweis (so auch Audureau, S. 160).

Die „Donkey Kong“-Marke versank mit dem dritten Teil im Großen und Ganzen in der Versenkung. Nach „Donkey Kong Jr. Math“ für Famicom (1983) und zwei Game-&-Watch-Spin-offs (1984) sollte die Reihe erst 1994 mit „Donkey Kong“ für den Game Boy sowie „Donkey Kong Country“ für das SNES neue Spiele erhalten. In der Zwischenzeit hatte Mario mit „Super Mario Bros.“ und den Fortsetzungen den Gorilla von der Bildfläche verdrängt.

Von ganz unten nach ganz oben

Die Geschichte von „Super Mario Bros.“, welches das Fundament für Nintendos weltweiten Erfolg Ende der 1980er-Jahre bildet, ist wohlbekannt (siehe „Inside Nintendo 177–181“). Einen wichtigen, wenngleich oft übersehenen Einfluss auf diesen Klassiker hat „Donkey Kong Jr.“ ausgeübt: Miyamoto und Nintendo haben mit diesem Titel gelernt, eigenständiger Spiele zu gestalten bzw. zu programmieren; ferner war Toshihiko Nakago, der leitende Programmierer von „Super Mario Bros.“, zuvor für die NES-Portierung von „Donkey Kong Jr.“ verantwortlich gewesen. Ganz konkret sind die Ranken und Sprungfedern aus „Donkey Kong Jr.“ Teil jenes Gameplay-Mix, mit dem „Super Mario Bros.“ das Jump’n’Run-Genre revolutionierte.

Und wer weiß: Vielleicht wäre Mario ohne seinen kontroversen Auftritt in „Donkey Kong Jr.“ gar nicht „super“ geworden. Denn immerhin war eine große Spielfigur eine von Miyamotos frühesten Ideen für das Arcade-Spiel gewesen, hatte damals aber noch nicht umgesetzt werden können. Wohl nicht von ungefähr kam dieser Idee dann in der Konzeptphase von „Super Mario Bros.“ große Bedeutung zu. In diesem Sinne war Marios Rolle als Bösewicht gewissermaßen die Voraussetzung für seinen Aufstieg zum Superstar. Da sieht man wieder einmal: Wer tief fällt, kann es trotzdem noch bis ganz an die Spitze schaffen!

So grimmig wie in „Donkey Kong Jr.“ sieht man den weltberühmten Klempner nicht einmal in den für ihre aggressiveren Artworks bekannten „Mario Strikers“-Spielen dreinschauen!

Quellen: Interview mit Yukio Kaneoka, 1985, übersetzt von shmuplations.com; Steven L. Kent: The Ultimate History of Video Games, Three Rivers Press 2001, S. 352; Interview mit Shigeru Miyamoto, Official Nintendo Magazine, September 2003 (Zugriff via miyamotoshrine.com); Chris Kohler: „Q&A: Metroid Creator’s Early 8-Bit Days at Nintendo“, Wired, 7. April 2010; William Audureau: The History of Mario. 1981–1991: The rise of an icon, from myths to reality, Pix’n Love Editions 2014, bes. S. 109–110, 121–126; Ken Horowitz: Beyond Donkey Kong. A History of Nintendo Arcade Games, McFarland & Company 2021, bes. S. 86–92; Kyoto Report.

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Bisher gibt es drei Kommentare

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  • Avatar von Garo
    Garo 05.08.2022, 11:23
    Zitat Zitat von Tobias Beitrag anzeigen
    Vielen Dank für dein Feedback! (Hab's erst jetzt gesehen) Beim zweiten Punkt muss ich dich aber leider enttäuschen: Jemanden (Akkusativ) einer Sache berauben.
    Stimmt!
  • Avatar von Tobias
    Tobias 05.08.2022, 09:56
    Vielen Dank für dein Feedback! (Hab's erst jetzt gesehen) Beim zweiten Punkt muss ich dich aber leider enttäuschen: Jemanden (Akkusativ) einer Sache berauben.
  • Avatar von Garo
    Garo 21.07.2022, 14:56
    Schön, mal wieder ein Inside Nintendo zu lesen. Wie immer super informativ und ausführlich! Hat mir sehr gut gefallen. Habe nur zwei kleine Nitpicks.

    er gilt auch [...] als erstes Videospiel, das eine ausgearbeitete Geschichte erzählt.
    Damals gab es bereits das Genre der Text-Adventures (Zork 1,The Oregon Trail). Donkey Kong war höchstens das erste grafische Spiel mit Story.

    immerhin beraubte zugleich die bereits erwähnte Änderung in der Levelabfolge die Handlung der amerikanischen Fassung ihres Sinns.
    "der"