Ken Horowitz: Beyond Donkey Kong. A History of Nintendo Arcade Games

Verglichen mit anderen kulturellen Zweigen ist das Medium der Videospiele zwar immer noch recht jung, doch es gibt bereits unzählige Bücher, die sich mit der Geschichte der dahinterstehenden Industrie auseinandersetzen. Auch über Nintendos Historie sind bereits mehrere Bücher geschrieben worden – einige davon haben wir euch in den letzten Jahren bereits auf Nintendo-Online.de vorgestellt. Eine zentrale Produktsparte in der Geschichte des weltberühmten Spielekonzerns wird dabei aber meist nur am Rande behandelt, nämlich Arcade-Automaten. Den Klassiker „Donkey Kong“ kennt man natürlich, doch seit den 1970er-Jahren und bis in die Gegenwart hinein hat Nintendo noch weitaus mehr Spieleautomaten hervorgebracht. Dieser bisher ungeschriebenen Geschichte nachzugehen, hat sich Ken Horowitz zur Aufgabe gemacht. Das Ergebnis hört auf den Titel „Beyond Donkey Kong. A History of Nintendo Arcade Games“.

Eine bekannte Geschichte aus neuer Perspektive

Ken Horowitz, Betreiber der Website „sega-16.com“, hat zuvor bereits zwei Bücher über die Geschichte von Sega verfasst. Im Februar erscheint zudem ein Buch über die Arcade-Geschichte von Williams-Bally-Midway. Sein hier anzuzeigendes Buch wurde 2020 veröffentlicht und umfasst 265 Seiten. Der Titel gibt dabei das Programm vor: Horowitz richtet den Blick jenseits des Meilensteins „Donkey Kong“, der zweifellos Nintendos bekanntester und bedeutendster, mitnichten aber einziger Arcade-Automat ist.

In sechzehn Kapiteln stellt Horowitz die inzwischen schon häufig aufgearbeitete Geschichte Nintendos aus einer erfrischenden neuen Perspektive dar. Er beginnt mit den frühen 1970er-Jahren, in denen das traditionsreiche Spielkartenunternehmen sich vermehrt der Spielzeugindustrie zuwandte und in diesem Rahmen auch erste elektromechanische Schießanlagen hervorbrachte. Die Erfolge waren eher kurzlebig, bereiteten aber den Weg für eine Reihe „klassischer“ Arcade-Automaten, von denen schließlich Shigeru Miyamotos „Donkey Kong“ 1981 zu einem unerwarteten Welterfolg wird. Mit der Veröffentlichung des Famicom 1983 fährt der Konzern seine Bemühungen im Arcade-Sektor aber spürbar zurück. „Punch-Out!!“ von 1983 war eines von Nintendos letzten großen Arcade-Spielen.

Nicht nur im Wohnzimmer, sondern auch in der Spielhalle

Damit aber ist die „History of Nintendo Arcade Games“ noch lange nicht vorbei, denn an dieser Stelle haben die Lesenden noch mehr als die Hälfte des Buches vor sich. Durch das „VS. System“ brachte Nintendo modifizierte Versionen seiner frühen NES-Titel in die Spielhallen, um damit Interesse an der neuen Heimkonsole zu schüren – ein nicht zu unterschätzender Faktor für den durchbrechenden Erfolg des NES. Es folgten wenig später das PlayChoice 10, eine Art Jukebox mit beliebten NES-Spielen für Arcade-Hallen, sowie 1991 das „Nintendo Super System“, das das gleiche Konzept mit SNES-Spielen fortführte.

Mit diesen Produkten gelang es Nintendo, wie Horowitz detailliert nachzeichnet, in der Arcade-Industrie präsent zu bleiben, ohne viele Ressourcen investieren zu müssen. In den 1990er-Jahren verlagerte sich der Schwerpunkt dann auf Kooperationen mit etablierten Arcade-Unternehmen, die etwa „Super Mario Bros. Pinball“ (1992) sowie „Killer Instinct“ und „Cruis’n USA“ (beide 1994) hervorbrachten. Mit den zwei letztgenannten Automaten beanspruchte Nintendo, einen ersten Vorgeschmack auf die Technik hinter seiner kommenden Heimkonsole Ultra 64 zu gewähren. Wenn auch die Realität etwas anders aussah, zeigt sich daran, wie wichtig Nintendos Arcade-Bemühungen für die übrigen Sparten des Konzerns waren.

Auch in den 2000er-Jahren war Nintendo, was vielen Spielenden womöglich gar nicht bewusst ist, noch im Arcade-Sektor aktiv. Zusammen mit den früheren Konkurrenten Sega und Namco entwickelte man das Triforce-Board, für das „F-Zero AX“ (2003) – zur gleichen Zeit mit dem Untertitel „GX“ für den GameCube portiert – und „Mario Kart Arcade GP“ (2005) erschienen. Ein geplanter „Star Fox“-Automat erblickte hingegen nie das Licht der Welt. Bis heute folgten drei weitere „Mario Kart“-Ableger sowie 2015 ein „Luigi’s Mansion“-Abenteuer exklusiv für Arcade-Hallen.

„Donkey Kong“, „Donkey Kong Jr.“, „Mario Bros.“ und „Donkey Kong 3“ sind wohlbekannt, doch andere Titel wie etwa „Monkey Magic“ sind nahezu vergessen.

Lebendiger Einblick in eine unbekannte Seite von Nintendo

Was wir hier schlaglichtartig wiedergegeben haben, entfaltet Horowitz sorgfältig unter Einbeziehung zahlreicher zeitgenössischer Quellen. Ausführlich zeichnet er die Entwicklung der einzelnen Spiele nach. Die Entstehungsgeschichten von „Donkey Kong“ oder „Super Mario Bros.“ sind zwar heute keine Sensation mehr, und mitunter schweift er etwas arg ab, wenn etwa auf einmal der Lebenslauf des Komponisten eines Arcade-Spiels ausführlich geschildert wird. Trotzdem gelingt es Horowitz, sowohl die Geschichte Nintendos wie auch der Arcade-Industrie lebendig werden zu lassen. Persönliche Interviews mit Akteuren aus der zweiten Reihe fördern zudem zwar nicht weltbewegende, aber doch sehr interessante neue Details und Perspektiven zutage.

Besonders faszinierend wird diese Geschichte da, wo sie im Nebel der Vergangenheit verborgen ist. Frühe Arcade-Titel wie die allesamt 1979 veröffentlichten „Monkey Magic“, „Sheriff“ oder „Radar Scope“ sind üblicherweise nur Fußnoten in der Geschichte des Konzerns. Viele davon sind bis heute nie offiziell wiederveröffentlicht worden und somit für interessierte Spielende nahezu unzugänglich, zumal „Monkey Magic“ sowie „Sky Skipper“ (1981) bis vor wenigen Jahren in physischer Form als gänzlich verschollen galten. Horowitz erläutert Entstehung und Spielprinzip dieser unbekannten Frühwerke und gewährt ihnen eine angemessene historische Würdigung. Selbst absolute Nintendo-Experten werden daher durch die Lektüre noch viele neue Dinge erfahren.

Zahlreiche großformatige Schwarz-Weiß-Fotos helfen dabei, einen Eindruck von den Automaten und Spielen sowie von der Arcade-Industrie im Wandel der Zeit zu erhalten. Der Schreibstil ist flüssig lesbar und zwar sachlich-nüchtern, doch handelt es sich nicht um eine wissenschaftliche Abhandlung, sodass häufig die Begeisterung des Autors für die Thematik durchscheint. Ein ausführlicher Endnoten- und Literatur-Anhang zeugt von der gründlichen Recherche, die hinter dem Buch steckt, und macht die verarbeiteten Details gut überprüfbar. Ein Vorwort des „Nintendo Life“-Chefredakteurs Damien McFerran, ein Stichwortregister sowie Biogramme namhafter Nintendo-Mitarbeitender runden das Buch ab.

Klare Leseempfehlung!

In Anbetracht der geringen Bedeutung, die Arcade-Automaten in den letzten Jahrzehnten in der Videospielwelt einnehmen, wäre eventuell für die jüngere Generation eine generelle Einführung in das Phänomen der Arcade-Hallen sinnvoll gewesen. Außerdem hätte an manchen Stellen das Lektorat ein wenig gründlicher sein dürfen. Das ändert aber nichts daran, dass Horowitz ein tadellos recherchiertes Buch über eine spannende, aber wenig beachtete Seite Nintendos vorgelegt hat, das beiläufig Interessierte und absolute Experten gleichermaßen anzusprechen vermag.

Horowitz selber äußert den Wunsch, mit seinem Buch der Geschichte der Nintendo-Arcadespiele mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen und einen Grundstein für künftige Arbeiten zu legen. Dieses bescheidene Ziel hat er mit Bravur erreicht, doch geht seine Leistung keineswegs darin auf. „Beyond Donkey Kong“ ist vielmehr ohne Einschränkung jedem zu empfehlen, der sich näher mit der Nintendo-Geschichte befassen möchte, dabei aber nicht das Übliche aufgewärmt zu bekommen wünscht. Die einzigartige Perspektive dieses Buchs ist ein überzeugendes Alleinstellungsmerkmal.

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