Thema: Antichrist - Skandalfilm?
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09.09.2009, 20:02 #1
Antichrist - Skandalfilm?
Hi
Ich habe schon mal in einigen renommierten Zeitungen kurz etwas über den Film mitbekommen: und zwar, dass es ein rechter Skandalfilm sein soll und der Filmmacher dafür bekannt ist. Und andererseits: Das der Film trotzdem gelobt wurde.
Von der Handlung her weiss ich nur, dass das Kind stirbt und Vater (Bösewicht von Spider Man 1) seine Frau im Wald therapieren will und dann alles kurios wird.
Der Film soll Sex und/oder Gewalt zeigen, aber dennoch irgendwie auch gut sein.
Wer kennt den Regisseur (nicht persönlich) oder hat den Film ev. schon gesehen bzw. den Werdegang etwas verfolgt?
Dieses Interview hier ist auf jeden Fall interessant, die Bilder ebenso:
http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,647490,00.html
What lies in the shadow of the statue? .
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09.09.2009, 20:13 #2
Klaro, lars von Trier war schon immer ein frauenverachtender, Menschenhassender, dreckiger Nazi. Aber (großes ABER) er macht einfach so wunderbare Filme, da kann man ihm alles verzeihen, dem besten Regisseur der Welt. ;-)
Werde mir Antichrist morgen im Kino angucken und freu mich schon wie hulle.
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09.09.2009, 20:56 #3
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09.09.2009, 20:59 #4
Warum ein Nazi?
Hier noch eine Filmkritik:
Das ist er also, der mit Spannung erwartete neue Film von Lars von Trier nach einer Schaffenspause von drei Jahren. Der Regisseur bezeichnet Antichrist als wichtigstes Werk in seiner schon über 25-jährigen Karriere. Möglich, dass dies einfach das übliche PR-Blabla ist, das halt gerne so in Presseheften steht. Doch angesichts dieses beängstigenden Filmes ist man geneigt, es ihm abzunehmen.
Sein Film ist gegliedert in einen Prolog, vier Hauptteile sowie einen Epilog. Schon nach wenigen Sekunden wird der Zuschauer in einer expliziten Sexszene zum Voyeur gemacht. Dies ist nicht überraschend, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass von Trier schon seit längerem mit Porno geliebäugelt und entsprechende Elemente auch immer wieder in seine Filme (wie beispielsweise Idioterne) eingebaut hat. Ein Porno ist Antichrist allerdings nicht, auch wenn Charlotte Gainsbourg und Willem Dafoe sehr viel nackte Haut zeigen und an teilweise bizarren Sexszenen nicht gespart wird. Es ist eher ein beunruhigender Psychothriller, der mit den Ängsten der Protagonisten gleichermassen wie mit denjenigen des Zuschauers spielt.
Nach dem mit einer Opernarie unterlegten Intro beginnt der Film als intensives psychologisches Kammerspiel zwischen Gainsbourg und Dafoe. Es gibt weder Nebenrollen, noch haben die Hauptcharaktere einen Namen. Sie heissen lediglich "Sie" und "Er", verkörpern also gewissermassen die Universal-Frau und den Universal-Mann. Zusammen spielen sie ein perfides Spiel um Dominanz und Unterdrückung. In den ersten zwei Teilen des Filmes passiert relativ wenig, mit Ausnahme einiger unheilsschwangeren Traumsequenzen. Im dritten und - deutlich kürzeren - vierten Teil wandelt er sich aber dann zum Ekel- und Horror-Thriller, der mit einigen sehr, sehr unappetitlichen Szenen aufwartet, die schon beim Zuschauen physisch schmerzen. Ob es wirklich nötig gewesen wäre, bei diesen Szenen konsequent voyeuristisch, im Hostel- oder Saw-Stil mit der Kamera draufzuhalten statt wegzuschwenken - nun ja. Darüber lässt sich streiten. Aber dies ist wohl Konzept. Denn von Trier hat seinen Film als Alptraum inszeniert. Und in Alpträume gehören nun mal Szenen, die man niemals zu sehen wünscht.
Mit Antichrist hat Lars von Trier seine eigene Depression verarbeitet. Das Resultat ist ein verstörender, vor Symbolik triefender Film um menschliche Urängste und die Gewalt der Natur, der Raum lässt für eine Vielzahl von Interpretationen. Er enthält Szenen, die einem Horrorstreifen der modernen Generation alle Ehre machen würden. Ein kontroverses Werk, das dem Kritiker eigentlich nur die Wahl zwischen Höchst- und Tiefstnote lässt. Aber wie der Regisseur mit seinem Werk die Zuschauer provoziert, soll die Wertung die Provokation retournieren: Drei Sterne, die für einmal nicht für Mittelmass stehen, sondern für einen Mittelwert zwischen Genialität und Perversion.
Ich muss mir den Film wohl auch antun.What lies in the shadow of the statue? .
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09.09.2009, 21:13 #5
Ich werds versuchen.
Nun ja, Lars von Trier wird so ziemlich alles vorgeworfen, manche Menschen machen sich über seine Filme einfach zu viele Gedanken. Natürlich ist er ein sehr provokanter Regisseur der mit Kritik leben muss, einige Leute fühlen sich von seinen Filmen aber wohl irgendwie persönlich angegriffen.
Ich persönlich liebe seine Art Filme zu machen, hier mal ein paar Trailer meiner lieblings von Trier Filme:
[ame]http://www.youtube.com/watch?v=b_3Nio8P5gQ[/ame]
[ame]http://www.youtube.com/watch?v=h63WPetiulA&feature=related[/ame]
[ame]http://www.youtube.com/watch?v=FH0q5xcigtw[/ame]
[ame]http://www.youtube.com/watch?v=O49sE3LAAok[/ame]
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09.09.2009, 21:29 #6
Leider läuft der Film in keinem Kino hier in der Nähe, seit ich von den Cannes-Reaktionen gelesen habe, war ich sehr sehr gespannt..nennt mich voyeuristisch^^
Kenne vom Regisseur nur "Dogville", welcher mich aber schwer beeindruckt hat.
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09.09.2009, 21:38 #7
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09.09.2009, 21:58 #8
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Klingt für mich auch sehr interessant. Läuft hier ebenfalls nicht...
Wie wäre es mit einer gemeinsamen NO-Fahrt in ein Kino, um den Film zu schauen?
Ich mag Filme, die mit der Psyche der Zuschauer spielen und einen regelrecht von innen zermürbenGeändert von Ralf (09.09.2009 um 22:04 Uhr)
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10.09.2009, 01:32 #9
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Naja, das was ich gesehen und gelesen habe, der Film landet auf meiner No-Go-Liste.
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10.09.2009, 21:39 #10
Hier noch eine aktuelle Kritik:
Unter dem Sternbild von Schmerz, Trauer, Verzweiflung
In «Antichrist» schont Lars von Trier nichts und niemanden
Bei seiner Uraufführung in Cannes von massiven Bekundungen des Abscheus, aber auch der Bewunderung einer überragenden künstlerischen Leistung empfangen, hat «Antichrist» beim zweiten Sehen nicht mehr allzu viel von einem Skandalfilm an sich. Gewiss, die Zumutungen, die bei der ersten Begegnung verstörend wirken können, die Bilder von sexueller Pein und Selbstverstümmelung, sind noch da, aber ihre allererste Schockwirkung haben sie bereits zu einem guten Teil eingebüsst. Nicht aber ihre enorme bildliche Kraft. Die Provokation wäre somit dort angekommen, wo sie hingehört: auf der künstlerisch-gestalterischen Ebene, vielleicht sogar auf der gedanklichen. Überraschend bleibt, wie wenig uns das Schicksal der beiden Figuren berührt, des Mannes, ja selbst der Frau, um deren Befinden, um deren Ort in der Welt es hier vor allem geht.
Im Albtraumland
Dabei sind beide, Mann und Frau, die auf exemplarische Weise namenlos bleiben, psychologisch äusserst nuanciert gezeichnet. Aber die Erschütterung, die ihr Schicksal - der Tod ihres kleinen, einzigen Kindes, für den sich die Mutter verantwortlich macht - auch in uns hervorrufen könnte, wird doppelt blockiert: durch unablässige, immer noch tiefer bohrende, an Bergman gemahnende Analyse und durch Horroreffekte, die zunehmend entlang einer Grenze zwischen vielleicht beabsichtigter und möglicherweise unfreiwilliger Komik operieren. Einfühlung ins Unglück einer sich opfernden Heldin, wie sie «Dogville» trotz aller brechtschen Verfremdung zuliess, wird hier verwehrt. Der Frau, dem immer schon prekären Zentrum in Triers Filmen, werden keine mildernden Umstände mehr zugestanden, ihr, die erneut zur Rächerin wird, bleibt die Erlösung versagt.
Das wäre die euphemistische Formulierung. Was ihr widerfährt, das ist die blanke Vernichtung. Nicht mehr auf dem Scheiterhaufen wie einst den Hexen quer durch Europa - wovon auf kühne, krud-dokumentarische Weise bereits «Häxan» (1921) von Triers Landsmann Benjamin Christensen handelte -, aber durchaus im Feuer. Das Perfide an «Antichrist» ist natürlich, wie Trier seine Protagonistin hier erst Forschungen zu eben diesen Hexenverfolgungen, dem «Gynozid», anstellen lässt, um ihr zuletzt dasselbe Ende bereitzuhalten. In der Logik des Films ist es freilich die einzig mögliche Weise für den Mann, dieser in besinnungsloser Wut nach seinem Leben trachtenden Furie zu entgehen. Worauf die Argumentation hinausläuft, signalisiert ja bereits das von Per Kirkeby gestaltete, bösartig rote Logo des Films, das das auslautende t des Titels mit dem[*], dem Symbol fürs Weibliche, verschmilzt. - Woher rührt die Vernichtungswut der Frau? Im letzten Grund unerklärt, hat sie ihre Ursache im Tod des Kinds und ihren Anlass in der heiklen Operation, die der Mann daraufhin verfügt. Er, der Analytiker, unternimmt den fatalen Schritt, die eigene Frau in Therapie zu nehmen. Und so hört sie denn Sätze wie, dass ihr «Trauerprozess überhaupt nicht atypisch» sei, wird sie provozierend souverän durch Rollenspiele zur «Aufarbeitung» des Geschehenen geführt - deren prekäre Suggestionen wir vielleicht unterschätzen, weil sie in derart suggestiv-verführerische Bildfindungen transponiert erscheinen. Was Anthony Dod Mantle, der bereits für «Dogville» und «Manderlay» je eigene Bildkonzepte entworfen hatte, hier an Kameraarbeit leistet, das reisst fürwahr neue Abgründe des Sehens auf.
Der Griff in die Werkzeugkiste
Zentral ist dabei die digitale Bildbearbeitung, die wir zum Teil gar nicht als solche wahrnehmen, wenn sie scheinbaren Alltagssituationen unmerklichen Zuschuss an Intensität verleiht, sei's durch Lichtgebung, Schärfeverschiebungen oder Farbveränderungen. Prominenter sind die Bereiche, in denen die Bildbearbeitung sichtbar in den Vordergrund tritt; nicht als Selbstzweck, sondern zur Erschütterung und Überhöhung der Realität. Da lässt ein insistierendes, feines Flirren im dichten Teppich der Farnpflanzen eine tiefer liegende Störung annehmen, da schreitet die weissgekleidete Frau über eine Brücke hinein in jenen verwunschenen Wald, Inbegriff der Schrecken, hinein in ein Albtraumland mit Plätzen wie dem «Fuchsbau», an dessen Ende «Eden» liegen wird, das verwunschen-verwünschte Haus des Paars auf einer Lichtung im Waldesdunkel, Ort der Sehnsucht und des Begehrens, Schauplatz der Versehrungen und Verheerungen.
Vollends offensichtlich wird die digitale Nachbearbeitung, wenn der Mann, dem Willem Dafoe verhalten-prägnant Gestalt verleiht, in einem Bild ohne jede Tiefe, dem trotzdem die Verneigung vor Tarkowski gelingt, im Regen der herniedertrommelnden Eicheln steht; und selbstverständlich dann, wenn die Frau, die grandiose, furchterregende Charlotte Gainsbourg, ihm den Unterschenkel durchlöchert, um ihm daran zwei Eisengewichte zu montieren, mit denen er sich, fluchbeladen, fortschleppt. Der Griff in die (digitale) Werkzeugkiste missrät jedoch dort, wo Hindin, Fuchs und Rabe nicht mehr jenen untergründigen Horror einer dunkel-unergründlichen Natur verkörpern, sondern zu platten Schockeffekten eingesetzt werden.
Letztlich vermögen aber auch derlei Spielereien dem Format dieses ausserordentlichen Films nicht wirklich etwas anzuhaben, in dem Lars von Trier aus dem Schatten seiner Depression heraus seine beiden verlorenen Menschen unter dem zart evozierten Sternbild von Schmerz, Trauer und Verzweiflung, den «drei Bettlern», wie sie auch genannt werden, schonungslos die fürchterlichsten Qualen erdulden lässt; der in betörend schönen Bildern die Klage von Prolog und Epilog gestaltet - die Arie «Lascia ch'io pianga» aus Händels «Rinaldo», als der einzigen Musik - und immerhin im Trost der Kunst aufhebt.
Christoph EggerWhat lies in the shadow of the statue? .