Am 21. April 1989, also vor etwa 25 Jahren, ist „Super Mario Land“ in Japan als Launchtitel für den Game Boy auf den Markt gekommen. Als erstes Handheld-„Mario“ orientiert es sich zwar an „Super Mario Bros.“, wartet aber mit zahlreichen untypischen Ideen auf – es ist das etwas andere „Super Mario“. Mit millionenfachen Verkäufen avancierte es zu einem der meistverkauften Videospiele überhaupt; inzwischen ist es für die jüngere Generation auch im 3DS-eShop erhältlich. Mit „Super Mario Land 2“ brachte Nintendo 1992 sogar einen direkten Nachfolger heraus. Die beiden „Super Mario Land“-Spiele stechen deutlich aus ihrer Reihe heraus; Nintendo selbst scheint sie manchmal selbst nicht zur „Mario“-Reihe zu zählen. Ohne sie sähe Nintendos Spielerepertoire heute jedoch ganz anders aus, denn ohne „Super Mario Land“ würde es weder Wario noch Daisy geben. Wie es dazu kam, und warum „Super Mario Land“ innerhalb der Reihe so eine Außenseiterposition einnahm – diesen Fragen möchten wir anlässlich des 25. Geburtstags in diesem Report auf den Grund gehen.
Das etwas andere „Super Mario“
Wer „Super Mario Land“ zum ersten Mal startet, wird in den ersten
Sekunden den Eindruck haben, eine schlicht und ergreifend an die
schwache Leistungsfähigkeit des Game Boy angepasste Portierung von
„Super Mario Bros.“ zu spielen. Aufgrund der niedrigeren
Bildschirmauflösung ist die Grafik halt grober und pixeliger, außerdem
nur in schwarz-weiß; sonst orientiert es sich aber scheinbar gut an
seinem Vorbild.
Doch dann stechen dem Erstspieler immer mehr skurrile Unterschiede ins
Auge. Warum explodieren Koopas in diesem Spiel? Warum wurde der
1-UP-Pilz durch ein Herz ersetzt? Je weiter man spielt, desto mehr und
desto größere Fragen kommen auf: Warum durchquert man diesmal nicht das
Pilzkönigreich, sondern das Sarasaland? Warum wird nicht Prinzessin
Peach, sondern Prinzessin Daisy gerettet und warum ist nicht Bowser der
Hauptgegner, sondern der Außerirdische Tatanga? Wo ist der
Zweispielermodus abgeblieben? Warum verschießt Feuer-Mario Bälle, die
von den Wänden abprallen? Seit wann gibt es in „Super Mario“-Spielen
Level, die eindeutig an Länder wie Ägypten oder China angelehnt sind?
Und seit wann ballert sich Mario in einem Flugzeug oder U-Boot den Weg
durch die Level frei?!
Zum Teil kann man diese Fragen anhand der schwachen Technik des Game Boy
erklären. Vielleicht war es den Machern schlicht und ergreifend nicht
möglich, die vertikale Bewegung der Koopa-Panzer berechnen zu lassen,
weshalb man die Gegner lieber explodieren ließ – zumal es sich trotz der
frappierenden äußerlichen Ähnlichkeit tatsächlich gar nicht um Koopas
handelt. Man darf eben nicht vergessen, dass „Super Mario Land“ ein
Launch-Spiel des Game Boy ist und das volle Potenzial des Handhelds gar
nicht ausschöpfen kann. Doch selbst, wenn man dies bedenkt, ist dies
keine logische Erklärung für die vielen konzeptionellen Unterschiede zu
den vorherigen „Super Mario Bros.“-Spielen – ganz zu schweigen von der
ungewöhnlich unpräzisen Steuerung, durch die sich Mario mehr denn je wie
ein übergewichtiger Klempner anfühlt.
Dringend gesucht: Ein Handheld-„Mario“
Wenn man herausfinden möchte, warum ein Spiel so ist, wie es ist,
betrachtet man am besten, wie dieses Spiel entstanden ist – und genau
dies werden wir nun tun. Leider sind die „Super Mario Land“-Spiele die
einzigen aus der ganzen „Super Mario“-Reihe, zu denen es keinerlei
genaue Informationen zur Entwicklung gibt (abgesehen von den Namen der
beteiligten Entwickler). Kein Mitwirkender hat sich je in einem
Interview zu diesem Thema geäußert. In den vergangenen Monaten haben wir
zwar versucht, mit Mitarbeitern von „Super Mario Land“ Kontakt
aufzunehmen und diesbezüglich nachzuhaken, bislang jedoch ohne Erfolg.
Daher müssen wir uns den Entwicklungsablauf aus den wenigen vorliegenden
Daten rekonstruieren.
Ende der 1980er Jahre arbeitete die Nintendo-Abteilung Research &
Development 1 (R&D1) an dem, was der bis dato größte Durchbruch des
Konzerns werden sollte: Der Handheld Game Boy. Im Gegensatz zu den
Anfang der 1980er Jahren veröffentlichten "Game & Watch"-Geräten,
ebenfalls von R&D1, unterstützt der Game Boy austauschbare
Cartridges. Da der Game Boy eine gerade im Vergleich zu
Konkurrenz-Handhelds aus der damaligen Zeit erbärmliche Technik
aufweist, benötigte Nintendo Must-Have-Titel zum Systemlaunch. Einer
dieser Titel war „Tetris“, dessen Lizenz Nintendo nach einer äußerst
langwierigen und hartnäckigen Prozedur erlangen konnte.
Als weiteres Launch-Spiel bot sich natürlich auch ein auf eine bekannte
Nintendo-Figur basierendes Spiel an, und zur damaligen Zeit gab es keine
bekanntere Figur als Super Mario, die eben erst in Nordamerika den
Bekanntheitsgrad von Mickey Maus übertroffen hatte. Damit war der Fall
klar – ein portables „Super Mario“-Spiel musste zur Markteinführung des
Game Boy her.
Ein frisches Team bringt frischen Wind
Die drei – bzw. mit „The Lost Levels“ vier – damals bereits erschienenen
„Super Mario“-Spiele waren alle unter der Leitung der
Entwickler-Titanen Shigeru Miyamoto und Takashi Tezuka in der Abteilung
Entertainment Analysis & Development (EAD) entwickelt worden; die
Musik stammte stets von Koji Kondo, die Programmierung übernahm jedes
Mal das gleiche externe Team. Doch leider stand die EAD damals für die
Entwicklung des geplanten Handheld-„Marios“ nicht zur Verfügung; zur
damaligen Zeit (um 1988)
begannen nämlich die Arbeiten an den nächsten „Super Mario“- und
„Zelda“-Teilen für die neue Nintendo-Heimkonsole SNES. Außerdem hatte
die EAD noch nie ein mobiles Spiel entwickelt; dies würde sich erst 1993
mit „Zelda: Link's Awakening“ ändern.
Es blieb also nichts anderes übrig, als das Spiel von R&D1
entwickeln zu lassen, die für alle übrigen Game Boy-Starttitel von
Nintendo zuständig waren und sich bereits mit Spielen wie „Metroid“ oder
„Kid Icarus“ einen Namen gemacht hatten. Das Team, welches das „Super
Mario Bros.“ für den Game Boy entwickeln sollte, umfasste nur acht
R&D1-Mitarbeiter: Den Abteilungsleiter Gunpei Yokoi als Produzent,
Satoru Okada als Projektleiter, Hirokazu Tanaka als Komponist sowie zwei
Programmierer, zwei Grafiker und ein Unterstützer. Yokoi, Okada, Tanaka
sowie der Designer Hirofumi Matsuoka hatten zuvor bereits gemeinsam an
zwei anderen Spielen gearbeitet, nämlich „Famicom Wars“ (Famicom, August
1988)
sowie „Miho Nakayama's Heartbeat High School“ (Famicom, 1987). Im
Gegensatz zu diesen Spielen war „Super Mario Land“ aber ein
R&D1-internes Projekt.
Unfertig auf den Markt geschmissen?
Wann exakt die Entwicklung von „Land“ begann, ist unklar. Da Okada zuvor
jedoch Projektleiter von „Famicom Wars“ war, kann er erst in der
zweiten Hälfte 1988 die Arbeiten an „Land“ gestartet haben. Das Spiel
kam bereits im April des folgenden Jahres auf den Markt, was auf eine
recht kurze Entwicklungsphase hinweist; nicht länger als ein halbes oder
ein Dreivierteljahr kann sie gewesen sein. Zum Vergleich: „Super Mario
Bros.“ war acht Monate lang in der Entwicklung, „The Lost Levels“
ungefähr ein Dreivierteljahr, „Super Mario Bros. 3“ sowie „World“ je
zwei Jahre.
Die relativ kurze Entwicklungszeit und die Tatsache, dass das Spiel zur
Markteinführung des Game Boy fertig sein musste, sprechen dafür, dass
das Projekt überhastet fertiggestellt werden musste. Ein weiteres Indiz
ist, dass sich das Spiel stellenweise ziemlich unfertig anfühlt;
namentlich gibt es in der Erstversion des Spiels Glitches sowie Flüchtigkeitsfehler im Leveldesign und wie der Speedrun-Weltrekord aufzeigt, ist die Kollisionserkennung des
Spiels erbärmlich schlecht. Auch der Umfang fällt sehr gering aus; mit
nur zwölf Leveln ist das Spiel etwa nur ein Drittel von „Super Mario
Bros.“
Neuland
Weder Miyamoto noch irgendein anderes Mitglied des „Super Mario“-Teams
wirkte an „Super Mario Land“ mit; in Kombination mit der kurzen
Entwicklungsdauer erklärt dies bereits einige Eigenarten des Titels.
Aber das ist noch längst nicht alles. Die Projektverantwortlichen –
Gunpei Yokoi und Satoru Okada – sind im Gegensatz zu Miyamoto nämlich
weniger Spieleentwickler als vielmehr Ingenieure. Sie waren die
Chefentwickler des Game Boys; ein Umstand, der die Vermutung weckt, dass
„Super Mario Land“ zugleich eine Art Technik-Demo für das Handheld
gewesen sein könnte; eine Art Proof-of-Concept, dass ein wenn auch
abgespecktes „Super Mario Bros.“ auf dem Handheld lauffähig ist. Durch
den Mangel an Erfahrung in der („Mario“)-Entwicklung können wir nun
beispielsweise die unpräzise Steuerung des Spiels erklären.
Hinzu kommt, dass „Super Mario Land“ zur ersten Generation Game
Boy-Titel gehört. Spätere Spiele zeigen, dass es die schwache Konsole in
Sachen Steuerung und Grafik locker mit ihrem starken Bruder NES
aufnehmen konnte, die in „Super Mario Land“ beide sehr schwach
ausfallen. Die Musik des Spiel hingegen ist auch aus technischer Sicht
vergleichsweise hochwertig ausgefallen. Der von Hirokazu Tanaka
komponierte Score war der erste aus der „Super Mario“-Reihe, der nicht
aus der Feder Koji Kondos stammte. Das Main Theme sowie die
Untergrund-Melodie (und Teile der Shooter-Level-Melodien) orientieren
sich zwar noch stark an Kondos Stücken, generell komponierte Tanaka aber
einen abwechslungsreichen, exzellent zu den jeweiligen Thematiken
passenden Soundtrack, der auch nach dem Spielen noch lange im Ohr
erhalten bleibt.
Ein großer Erfolg
Ursprünglich sollte ein Bundle bestehend aus „Super Mario Land“ und
einem Game Boy auf den Markt gebracht werden, letztlich wurde das Spiel
aber von „Tetris“ als Bundle-Spiel verdrängt, welches eine noch größere
Zielgruppe ansprach. Nichtsdestoweniger wurde „Super Mario Land“ mit
etwa 18 Millionen Verkäufen ein gewaltiger Erfolg und eines der
erfolgreichsten „Mario“-Spiele überhaupt. Ein so großer Erfolg, dass es
für Nintendo nur logisch war, einen direkten Nachfolger auf den Markt zu
bringen. Dies geschah drei Jahre später, 1992, mit „Super Mario Land 2:
6 Golden Coins“.
Mit „Super Mario Land 2“, „Super Mario Land 3: Wario Land“ und der danach folgenden „Wario Land“-Reihe werden wir uns aber erst im nächsten „Inside Nintendo“-Teil in zwei Wochen auseinandersetzen.
Bisher gibt es fünf Kommentare
Ich freu mich auf den nächsten Bericht.
Sorry, dieser Bericht hat mich an die Geschichte erinnert. Sehr aufschlussreich!