1990 erschien „Fire Emblem“ erstmals für den Famicom in Japan und startete eine Reihe, die immer erfolgreicher wurde. Vor allem „Fire Emblem: Awakening“ ließ die strategischen Schlachten endgültig auch im Westen so groß werden, dass man als Nintendo-Fan nicht mehr drumherum kam. Nun erscheint mit „Fire Emblem Engage“ bereits der zweite Hauptteil für Nintendo Switch, und obwohl eine neue Geschichte in einer ebenso neuen Welt erzählt wird, feiert der Titel die bisherigen Helden wie kein anderer.
Der wiedererweckte Gott
Nach einer nicht unbedingt aufschlussreichen Eröffnung erwacht Wyrmgott Alear - in unserem Fall die männliche Version - aus einem tiefen, tausendjährigen Schlaf. Er ist eines der mächtigsten Wesen der Welt, kann sich aber an kein einziges Detail aus seiner Vergangenheit erinnern. Nach einer ersten Begegnung mit freundlichen Gesichtern und düsteren Feinden kommt ihm aber seine Mutter Lumera zur Hilfe, die sich kurzerhand in einen Drachen verwandelt und damit bereits zeigt, welche Mächte auch in Alear schlummern. Schnell wird aber klar, dass die Bedrohung mit den Emblem-Ringen zusammenhängt, mit denen Helden aus anderen Welten beschworen werden können. Mit Marth steht einer der ikonischsten Alear zur Seite, und nach einem katastrophalen Ereignis wird allen klar, dass sie die zwölf Ringe so schnell wie möglich sammeln müssen, um die Welt von Elyos vor einer gefährlichen Bedrohung zu retten.
Obwohl die Geschichte viel Potential bietet, dauert es so einige Kapitel, bis sie in Fahrt kommt. Es geht durch diverse Gebiete, in denen neue Verbündete und Feinde vorgestellt werden, all die Unterhaltungen und Geschehnisse wirken aber wie ausgedehnte Nebengeschichten, die in die Haupthandlung eingeflochten werden. Zwar lernt man so den bereits früh stark anwachsenden Cast kennen, wird zugleich aber auch etwas überwältigt, ohne dass der Spannungsbogen ansteigt. Das ändert sich glücklicherweise, sobald ein recht großes Ereignis Chaos in die etwas zu perfekte Gruppe bringt und ab da beginnt man, sich deutlich mehr in die Ereignisse hineinzusteigern. Der deutlich höhere Humor-Anteil ist nach „Three Houses“ zwar ein sehr deutlicher Kurswechsel, funktioniert aber überraschend gut.
Eine schöne Wandlung
Einen Kurswechsel gibt es auch bei der Präsentation. Setzte der Vorgänger noch auf einen realistischeren Stil, sieht „Engage“ häufig wie ein Anime aus, was auch durch die Cell Shading-Optik erzeugt wird. Damit arbeitet man zugleich auch mit den vom System gegebenen Möglichkeiten, weshalb die Ortschaften deutlich besser aussehen und die noch immer nicht perfekte Kantenglättung weitaus weniger stört als zuvor. Sowieso wirken die Orte erheblich lebhafter, sowohl in Sachen Abwechslung, als auch in der Farbgebung. Perfektioniert wird das durch deutlich mehr Zwischensequenzen und wunderschöne Zeichnungen, die einen jedes Mal in ihren Bann ziehen. Rein optisch handelt es sich hier ohne Frage um den besten Ableger der Reihe.
Die Sprachausgabe ist ebenfalls solide, auch wenn die englischen Stimmen sehr theatralisch daherkommen und in nahezu jeder Unterhaltung bewusst übertreiben. Gepaart mit einem wahnsinnig starken Soundtrack dürfte jeden Fan der Reihe ein Ohrenschmaus erwarten.
Der Grundpfeiler
Natürlich sind es aber die Schlachten, die den Reiz der Reihe ausmachen. Diese sind auf den ersten Blick exakt das, was man erwarten würde: Auf überraschend großen, in Quadrate eingeteilte Schlachtfelder geht es gegen zahlreiche feindliche Truppen, während man die eigenen entsprechend in Stellung bringt, um anzugreifen, Orte zu verteidigen oder Einheiten zu eskortieren. Dabei fällt vor allem auf, dass nun wahlweise die eigenen Soldat*innen direkt gesteuert werden können, statt nur über den Cursor. Die Änderung macht nicht viel aus, sieht aber schöner aus. Schon früh wird man viele Einheiten koordinieren müssen, und da die Aufgaben immer komplexer werden, sollte man stets die Übersicht behalten. Zufällige oder nicht vorhersehbare Ereignisse, wie besonders mächtige Fernkampfangriffe oder wenn plötzlich weitere Feinde auftreten, sorgen dann auch dafür, dass man sich immer wieder anpassen muss. Die sehr detaillierte UI, die sogar Kampfvoraussagungen trifft, hilft dabei immens.
All das gehört ebenso zu jedem Teil der Reihe wie das Waffensystem. Diese lassen sich nämlich in diverse Kategorien einteilen, wobei drei Waffenarten im Dreieck jeweils im Vorteil sowie im Nachteil zu den anderen stehen. Das wird natürlich stark erweitert, denn der Nahkampf ist im Vorteil zum Fernkampf, Pegasus-Reiter*innen müssen sich vor Bögen fürchten - die Wechselwirkungen sind schnell erlernt. Natürlich gibt es neue Waffen, doch am Grundprinzip hat sich nichts geändert und das ist auch gut so, denn es funktioniert fantastisch. Gerade weil die Schlachten schon früh sehr weitläufig werden, wird man durchaus auch auf der normalen Schwierigkeitsstufe gefordert. Natürlich darf man auch wieder bestimmen, ob die eigenen Einheiten in der nächsten Schlacht auftauchen, nachdem sie besiegt wurden, oder komplett entfallen. Das Balancing funktioniert besser mit der ersten Option, denn manchmal ist es sinnvoll, Einheiten zu opfern - wer sich der größtmöglichen Herausforderung stellen möchte, darf sich aber am Perma-Tod versuchen.
Mehr als nur Fan-Service
Völlig neu ist aber die Engage-Mechanik, die den Anime-Unterton weiter verstärkt. Zuvor mit entsprechenden Ringen ausgerüstete Einheiten können nämlich Helden wie Marth, Celica oder Sigurd beschwören, die dann mit ihnen zusammen kämpfen. Das sorgt nicht nur für einen Stärkeboost, auch eine erweiterte Bewegung, neue Waffen, ein besonders starker Angriff und weitere Eigenheiten werden dann aktiviert, die die jeweilige Einheit extrem stark werden lässt. Damit sie nicht zu übermächtig werden, muss zuvor eine entsprechende Leiste gefüllt werden - schneller geht das über gesonderte Felder, die aber nicht immer nett positioniert wurden. Einmal im Engage-Modus, hält dieser auch nur für drei Züge an, weshalb man sich genau überlegen sollte, wann der beste Zeitpunkt ist. Einige Feinde besitzen diese Macht ebenfalls, weshalb das Machtverhältnis nicht komplett gekippt wird.
Die Beschwörung beliebter Helden ist in den ersten Missionen noch etwas ungewohnt, da man sie schlichtweg nicht benötigt, um die noch schwachen Feinde zu besiegen. Wie aber auch in der Handlung, wächst ihre Bedeutung immens an, und alleine dank ihnen können ausweglose Situationen doch noch gemeistert werden. Zudem werden die Banden zwischen Einheit und Emblem immer stärker, was aber auch bedeutet, dass es nicht unbedingt sinnvoll ist, die vorgegebenen Paarungen zu verändern. Gepaart mit extrem abwechslungsreichen Schlachtfeldern, die permanent neue und interessante Eigenheiten einführen, handelt es sich teilweise um die besten Kämpfe der Reihe. Und wer vor all dem Angst hat: Durch einen Zeitkristall kann jede einzelne Aktion rückgängig gemacht werden, die in einem Kampf getätigt wurde.
Spannende Ansätze
Überraschend ist, was nach den Kämpfen passiert. Alear darf dann nämlich auf einem Abschnitt der Schlachtfelder frei herumlaufen, die dank Perspektivenwechsel fantastisch aussehen. Dort stehen dann Einheiten, Bürger und andere Charaktere herum, die kurze Dialoge und Items bieten, während Gegenstände überall verteilt sind. Wer will, darf sogar Tiere für den eigenen Bauernhof mitnehmen - all das ist wunderbar und sorgt dafür, dass die Karten noch erinnerungswürdiger werden. Leider fühlt sich das alles gleichzeitig ein wenig begrenzt an, denn viel mehr als einige Punkte abzulaufen kann man nicht. Somit wird die Neuheit vor allem zu einem optischen Pluspunkt, der sich im nächsten Teil gerne weiterentwickeln darf.
Zurück ist derweil eine Weltkarte, auf der Nebenmissionen, das nächste Hauptkapitel sowie weitere Kämpfe angesteuert werden. Das sieht deutlich schöner aus, als sich die Aufgaben aus einer Liste auszusuchen, und macht die Welt authentischer, schließlich weiß man immer, wo man sich gerade befindet. Immer wieder tauchen neue Einheiten auf, die bereits gemeisterte Kapitel aufsuchen, weshalb man auf den bekannten Karten gegen stärkere Feinde kämpfen kann, was überaus unterhaltsam und dank der Belohnungen auch empfehlenswert ist. All diese Änderungen sind nicht unbedingt weltbewegend, sorgen aber für ein rundes Gesamtpaket.
Die Bastion des Friedens
Das Somniel ist der neue Dreh- und Angelpunkt, der zwischen fast jeder Mission besucht werden kann. Wie schon in Garreg Mach zuvor, darf man hier trainieren, neue Ausrüstungen kaufen, sich mit den Verbündeten unterhalten und allerlei Boni abstauben, die sich allesamt auf die Kämpfe auswirken. Das Somniel ist wunderschön geraten, dafür aber auch kleiner geworden. Das ist glücklicherweise kein Problem, denn dadurch lässt sich jeder Ort schnell erreichen und alles bleibt übersichtlich - Schnellreisen sind dennoch möglich. Wer will, kann hier zwischen Kapiteln bis zu drei Mal Einheiten trainieren lassen, Geschenke verteilen, um Unterstützungsgespräche freizuschalten und sogar Tiere bewirten sowie Angeln. Die Menge an Aktivitäten überrascht, und die Mini-Spiele sind kurzweilig genug, um eine Abwechslung darzustellen. Mit der Kriegskasse darf man sogar in die Länder von Elyos investieren, um weitere Verbesserungen freizuschalten. Zwar muss man nicht zwischen den Schlachten zum Somniel, empfehlenswert ist es aber.
Die Fülle an Aktivitäten unterhält, doch gleichzeitig können diejenigen, die lieber der Handlung folgen und das Drumherum ignorieren, dies größtenteils tun. Das nächste Kapitel anzusteuern ist nämlich jederzeit möglich, was durchaus reizvoll ist, denn an einigen Punkten in der Geschichte möchte man direkt weiterziehen, anstatt jedes Mal zur Pause gezwungen zu werden. Dadurch geht das Spiel erheblich flotter voran, ohne dass man das Gefühl hat, wichtige Inhalte zu verpassen. Wer mehr Zeit in die optionalen Gespräche und Beziehungen investieren möchte, muss diese zwar gezielt aufsuchen, dann erhält man aber genau das, wofür die Reihe bekannt ist.
Zu viele Freunde
Was die Charaktere selbst angeht, dürften sich die Meinungen scheiden. Nach wenigen Kapiteln hat man bereits so viele im eigenen Team, dass gar nicht alle davon mit aufs Schlachtfeld können. Das wird schnell zum Problem, denn einige erhalten bereits nach einem Kapitel eine dermaßen untergeordnete Rolle, dass sie danach kaum Relevanz in der Handlung haben. Natürlich ermöglicht das eine bessere Anpassung für die Schlachten, schließlich hat man sehr viele Einheiten zur Auswahl, die frei angepasst werden können und ihre Klassen ohne Probleme wechseln dürfen. Gleichzeitig passiert es durchaus, dass man sich eine gute Truppe zurecht stellt und die anderen danach völlig ignoriert. Hier wird dann doch deutlich, dass die Perma-Tod-Mechanik ein Herzstück für die Reihe bleibt.
Natürlich steht das im großen Kontrast zu „Three Houses“. Dort hat man nicht nur eine klar definierte Startgruppe, sondern lernt diese auch intimer kennen, sowohl zwischen den Kapiteln als auch während den entsprechenden Missionen. „Engage“ setzt derweil auf Masse, und selbst die Unterstützungsgespräche sind deutlich oberflächlicher. Somit vergisst man viele der Helden, denn während die einzelnen Mitglieder der Häuser sowie die Königreiche ins Herz geschlossen sind, können wir uns schon jetzt nur an einen Bruchteil der Namen erinnern, die in den meisten Zwischensequenzen auftauchen.
Kleine Highlights
Nebenmissionen gehören natürlich zum guten Ton. „Fire Emblem Engage“ geizt mit ihnen nicht, weshalb man jede von ihnen genießen sollte. Sie stellen nämlich durchweg interessante Herausforderungen auf neuen Karten dar und bringen sogar ihre spielerischen Eigenheiten mit, die immer wieder überraschen. Zudem darf man sich auf zusätzliche Zeit mit einigen Nebencharakteren freuen, die an diesen Stellen endlich präsenter sind, am interessantesten sind aber die Missionen, in denen die Embleme im Fokus stehen. Mehr von den Abenteuern aus anderen Spielen sorgt nicht nur für tolle Momente für Fans, sondern lässt die Begleiter*innen noch stärker strahlen, als in der eigentlichen Geschichte.
Immenses Potential
Etwas ungewohnt, beinhaltet „Fire Emblem Engage“ durchaus viele Online-Modi. In den Staffelprüfungen darf man gemeinsam auf verschiedenen Karten kämpfen, was durchaus interessant klingt, wir aber im Test durch die noch zu kleine Spieler*innenbasis nicht ausprobieren konnten. In den Dimensionsprüfungen geht es derweil klassischer daher, denn hier darf man mit seinen eigenen Einheiten online gegen andere antreten, sowohl zufällig, als auch gegen Freunde. Das ist sehr unterhaltsam, denn der Modus funktioniert asynchron, man muss also nicht gegen jemanden antreten, der gerade online ist. Wer hingegen den Spezialkampf auswählt, darf sogar seine eigene Karte erstellen und auf dieser antreten, oder andere herunterladen. Wir wollen hier noch kein Urteil ziehen, da solche Online-Modi von einer aktiven Spielendenschaft leben und somit erst in den Wochen nach der Veröffentlichung ihr wahres Gesicht zeigen. Zumindest der erste Eindruck ist aber erstklassig.
Durchweg ansehnlich
Neben den wunderbaren Zwischensequenzen und Charakterdesigns fallen auch die Animationen positiv auf. Besonders die Engage-Angriffe wurden eindrucksvoll inszeniert und lassen einen regelmäßig staunen - wer lieber auf Tempo setzt, darf jegliche gesonderte Kamerafahrt und Sequenz innerhalb der Kämpfe auch abstellen, verpasst dann aber detailverliebte Szenen. Auch die UI ist erstklassig geraten und verrät auf einen Blick, wie ein einzelner Kampf vermutlich ablaufen wird, während die wichtigsten Statuswerte stets einsehbar sind, ohne in gesonderte Menüs zu gehen. Die kurzen Ladezeiten sind da schon fast keine Erwähnung wert.
Wenn ihr noch mehr zum Spiel erfahren wollt, empfehlen wir euch unsere Podcast-Episode zu "Fire Emblem Engage".
Bisher gibt es 29 Kommentare
Da ich mir die ganzen Trailer nicht angeschaut habe, bin ich vom Ring/Emblem-System soweit positiv überrascht. Ich hab hier tatsächlich einfach Pay2Win-Helden erwartet, was es zum Glück dann doch nicht so ganz ist. Die Story ist soweit auch ganz solide - gerade nach dieser furchtbar konstruierten Schulhofsimulation.
Nur Nintendos Betteln nach mehr Geld nervt. Gleich beim ersten Start des Spiels ein blöder Popup. Season Pass bla bla... Gratis-Inhalt.
Wie? Gratis? Ich geh in den eShop. Ähhh... Wenn ich erst 30€ zahlen muss, ist es kein Gratis-Inhalt ....
Naja jetzt ist es ja eh Wurst.
Ich habe auf YT unzählige Videos blockiert damit ich nicht gespoilert werde. Es ist schon interessant das er dort schon Guides gibt, wie man die Chars am Besten spielen sollte.
was bitte ist hier los? D: das spielt wird in den letzten zügen doch noch arg weird...
Chrom und Lutschina werden ja leider auch noch übergangen. OBWOHL AWAKENING JA SO WICHTIG FÜR DIE REIHE WAR EINSELF!!!!
Nicht Maincharakter sind zumindest mit Original-Artworks bei den Bond-Rings vertreten.
Ich lass es die Freundin schön laut zocken, während ich nebenbei in Splatoon ein paar Sets baue.
Ich freue mich auf Freitag!
Bezüglich der Story ist FE9 immer noch mein Lieblingsteil. Wahrscheinlich wird Engage da nicht mithalten können, wenn man sich andere Reviews anschaut.
https://www.gonintendo.com/contents/14931-fire-emblem-engage-x-fire-emblem-heroes-collaboration-announced