Spiele • Wii U

New Super Mario Bros. U

Inside Nintendo 205: Die Entstehung von New Super Mario Bros. U und New Super Luigi U

Eigentlich ist Nintendo dafür bekannt, sich zwischen zwei Veröffentlichungen seiner beliebten Reihen recht viel Zeit zu lassen. Umso größer war Ende 2012 die Verwunderung, als nur drei Monate nach „New Super Mario Bros. 2“ ein weiteres Klempner-Jump’n’Run klassischer Machart auf den Markt kam. „New Super Mario Bros. U“, das als Starttitel für die neue Wii U erschien, war komplett unabhängig von seinem Vorgänger, wobei der Mangel an Innovationen beim nunmehr vierten Teil der Unterreihe auf viel Kritik stieß. Mit der Geschichte hinter diesem Spiel sowie der 2013 veröffentlichten Erweiterung „New Super Luigi U“ befassen wir uns in dieser Ausgabe von „Inside Nintendo“.

Aus Alt mach Neu

Das Spielprinzip hinter dem ersten „Super Mario Bros.“ war so zeitlos, dass es noch zwanzig Jahre später als Grundlage für einen Kassenschlager herhalten konnte: Nach mehreren Jahren ohne neues 2D-Jump’n’Run mit dem Konzernmaskottchen in der Hauptrolle brachte Nintendo 2006 in „New Super Mario Bros.“ für den DS das Konzept des Klassikers behutsam in die Gegenwart. Mit 30,8 Millionen Verkäufen sicherte sich der Titel den ersten Platz der meistverkauften DS-Spiele. Der Nachfolger „New Super Mario Bros. Wii“ erschien 2009 und erreichte ähnlich astronomische Verkaufszahlen.

Drei weitere Jahre später wurde die „New Super Mario Bros.“-Subreihe fortgesetzt – diesmal allerdings durch gleich zwei neue Veröffentlichungen: „New Super Mario Bros. 2“ für den 3DS sowie „New Super Mario Bros. U“ für die Wii U. Beide Titel entstammen zwar derselben Unterabteilung von Nintendo Entertainment Analysis & Development (EAD), sind jedoch größtenteils unabhängig voneinander entwickelt worden. Auch inhaltlich hängen sie nicht zusammen, sondern stellen komplett eigenständige Spiele dar.

Wie die ersten drei „New Super Mario Bros.“-Spiele entstanden sind, haben wir bereits in früheren „Inside Nintendo“-Reportagen berichtet (Ausgaben Nr. 122, 33 und 164). Nun, rund zehn Jahre nach Erscheinen von „New Super Mario Bros. U“ und im Anschluss an unseren vierteiligen „Wii-U-Report“, ist das bis heute letzte 2D-„Super Mario“ klassischer Machart an der Reihe.

Mit Super Mario in eine neue Ära

Die Entwicklung von „New Super Mario Bros. U“ begann Ende 2009. Damals wurde unmittelbar nach Abschluss der Arbeiten am Vorgänger Masataka Takemoto, einer der Leveldesigner, als Director für den Nachfolger eingesetzt. Takemoto hatte 2005 als Leveldesigner von „Yoshi Touch & Go“ sein Nintendo-Debüt gefeiert, war also ein recht frisches Gesicht beim Mario-Konzern.

Das neue Spiel war von Anfang an als Launchtitel für die kommende Wii-U-Konsole vorgesehen, wie der damalige Nintendo-Präsident Satoru Iwata im „Iwata fragt“-Interview erklärte: „Die Herstellung dieses Spiels war von dem Wunsch und der klaren Vorstellung geprägt, ein klassisches ‚Super Mario‘-Action-Spiel zu erschaffen, das unbedingt zeitgleich mit der neuen Spielkonsole eingeführt werden musste.“ Nachdem es seit dem N64 und „Super Mario 64“ kein brandneues „Super Mario“-Spiel zum Start einer neuen Nintendo-Konsole gegeben hatte, wurde diesmal das wohl zugkräftigste wie auch sicherste Pferd des Konzerns frühzeitig für die Hardware der kommenden Generation eingeplant.

V. l. n. r.: Produzent Takashi Tezuka, Director Masataka Takemoto, Game Designer Daiki Iwamoto und Shigeyuki Asuke, ebenfalls Game Designer sowie Director der Vorgänger für DS und Wii. Die Bilder sind dem „Iwata fragt“-Interview zum Spiel entnommen. Nicht anwesend war dort Produzent Hiroyuki Kimura. Sein Foto rechts stammt aus dem „Iwata fragt“-Interview zum 25-jährigen Jubiläum der „Super Mario“-Reihe.

Ein schleppender Start?

Manches spricht allerdings dafür, dass die Produktion von „New Super Mario Bros. U“ erst deutlich nach Ende 2009 richtig Fahrt aufnahm. Die erste Demo zum Spiel auf der E3 2011 wirkte nämlich sehr früh und hastig zusammengeworfen, wie wir später noch sehen werden. Auch die Arbeiten an „New Super Mario Bros. 2“, hervorgegangen aus einer internen Initiative, die Nintendo als „Mario-Paukschule“ bezeichnete, starteten erst im Laufe des Jahres 2011 richtig durch.

Ein genauerer Blick hinter die Kulissen unterstützt unsere These. Zwei der drei Planer von „New Super Mario Bros. U“ – Daiki Iwamoto sowie Shigeyuki Asuke, der Director der Vorgänger für DS und Wii – waren am Spieldesign von „Zelda: Skyward Sword“ beteiligt und stießen erst nach dessen Fertigstellung Ende 2011 zum „Mario“-Projekt hinzu. Generell litt die Entwicklung der ersten Wii-U-Spiele stark darunter, dass das „Zelda“-Epos einen Großteil der internen Nintendo-Belegschaft beanspruchte. Hinzu kam, dass die für beide „Mario“-Spiele zuständige EAD-Unterabteilung mit „Pikmin 3“ parallel noch an einem dritten großen Spiel arbeitete. So dauerte die Entwicklung von „New Super Mario Bros. U“ zwar auf dem Papier drei Jahre, doch richtig los ging es allem Anschein nach erst einige Zeit nach dem offiziellen Projektbeginn.

Die große Unbekannte und ein sicheres Fundament

Neben dem Plan, das Spiel pünktlich zum noch fernen Marktstart der kommenden Heimkonsole fertiggestellt zu haben, standen noch weitere Ziele bereits früh fest. So strebte Takemoto an, ein möglichst intuitives Spiel zu kreieren, das ohne jegliche Erklärungen verstanden werden konnte. Eine weitere frühe Säule des Projekts war die Suche nach neuen Spielkonzepten. Alleinstellungsmerkmale hatte das Spiel ja nicht zuletzt darum nötig, weil zeitgleich ein weiteres „New Super Mario Bros.“-Spiel in der Mache war.

Da sich die Planungen für die spätere Wii U Ende 2009 noch in einem recht frühen Stadium befanden, gab es zu Beginn der Arbeiten an „New Super Mario Bros. U“ noch kein Devkit, also keine Entwicklerplattform, für die Zielkonsole. Dem nicht genug, waren sogar die zentralen Funktionen des Geräts noch nicht abschließend geklärt. Vielleicht hat man sich gerade darum in diesem frühen Stadium für „New Super Mario Bros.“ mit seiner einfachen, stabilen und bewährten Formel als Launchtitel entschieden. Allzu große Experimente waren hier nicht erforderlich: „Wenngleich wir an einem neuen ‚Super Mario‘-Spiel arbeiteten, veränderte sich das grundlegende Gameplay ja nicht“, bemerkte Takemoto. Da fiel es dann nicht allzu schwer ins Gewicht, dass die Funktionen der Zielplattform noch nicht feststanden.

Zu Beginn der Entwicklung arbeitete das Team mit Material aus dem Wii-Spiel und machte sich an die Erstellung neuer Level. Währenddessen überlegte man, welche neuen Spielideen man einbauen könne. „Und als wir so arbeiteten, kam die Idee zu dem Wii U GamePad auf“, erzählte Takemoto. „Ich untersuchte einige der Ideen und beratschlagte mich anschließend mit Mr. (Takashi) Tezuka und Mr. (Hiroyuki) Kimura.“ Tezuka hatte an der Seite von Shigeru Miyamoto das erste „Super Mario Bros.“ entwickelt und fungierte bei den „New Super Mario Bros.“-Spielen als Produzent – zusammen mit Kimura, seines Zeichens Leiter der EAD-Unterabteilung Nr. 4.

Wie gut es dem Team gelungen ist, die Zielsetzung innovativer Ideen einzulösen, darüber lässt sich streiten. Symptomatisch dafür ist, dass Takemoto im „Iwata fragt“-Interview als eines der „Highlights“ die Weltkarte bezeichnete, die nun komplett zusammenhängend ist – was sie aber auch schon zwei Jahrzehnte zuvor in „Super Mario World“ gewesen war. „Ich wollte diese tolle Karte von vor über 20 Jahren zusammen mit der neuesten Wii-U-Technologie verwenden, und das Spiel so einen Riesenschritt voranbringen“, so Takemoto.

Auf der Suche nach einem Nutzen für das GamePad

Mit dem Wii U GamePad stand die zentrale Innovation der neuen Konsole fest – ein Controller mit integriertem Touchscreen. Die Minispiele aus dem Launchtitel „Nintendo Land“ haben maßgeblich dazu beigetragen, dass sich dieses Konzept herauskristallisierte. Doch das Entwicklerteam von „New Super Mario Bros. U“ konnte mit dieser Neuerung zunächst wohl eher wenig anfangen, wie sich aus dem „Iwata fragt“-Interview zum Spiel herauslesen lässt. Mit einem berührungsempfindlichen zweiten Bildschirm hatte man schließlich schon auf dem DS zu tun. „Als wir an ‚New Super Mario Bros.‘ für den Nintendo DS arbeiteten, hatten wir bereits mehrere Arten von Gameplay, wie beispielsweise das Berühren des unteren Bildschirms ausprobiert“, sagte Takemoto und gestand ein: „Aber das machte als Gameplay für ‚Super Mario‘ natürlich nicht besonders viel her.“

Mit zu trivialen Ideen für die Verwendung des zweiten Bildschirms, etwa als Karte oder für das Einsetzen eines Items, wollten sich die Entwicklerinnen und Entwickler diesmal nicht zufrieden geben. Andererseits erwies es sich als nicht gangbar, die gesamte Steuerung des Klempners auf den Touchscreen auszulagern, denn ohne eine herkömmliche Tastensteuerung fehlt jene Präzision, die ein 2D-Jump’n’Run ausmacht. Was das Team hingegen zu überzeugen vermochte, war die Idee, per Tippen auf den Touchscreen an beliebigen Stellen des Levels Blöcke erscheinen zu lassen. Dies war nur mit dem GamePad möglich, eröffnete neue Spielmöglichkeiten und war zugleich eine absolut intuitive Steuerungsmethode, wie Takemoto es sich zum Ziel gemacht hatte.

Geboren war damit die Idee des asymmetrischen Mehrspielermodus, in dem eine Person vermittels des GamePad Blöcke im Level setzt, um dem Mitspieler bzw. der Mitspielerin zu helfen – oder der anderen spielenden Person den Weg zu versperren. Einige Teammitglieder, darunter Planer Daiki Iwamoto, äußerten jedoch Bedenken, da das beliebige Setzen von Blöcken die sorgsame Gestaltung der Herausforderungen und Hindernisse obsolet zu machen drohte. Rasch war daher klar, dass die Nutzung der Blöcke durch Bedingungen begrenzt werden musste.

Das Pilzkönigreich – jetzt schärfer als die Realität?

Die größte Neuerung der Wii U neben dem GamePad war die auf einer Nintendo-Konsole erstmals mögliche HD-Grafik. Da „New Super Mario Bros. U“ somit das erste „Super Mario“-Spiel war, das mit hochauflösenden Grafiken entwickelt wurde, stellt sich die Frage, wie das Team Gebrauch von diesen neuen optischen Möglichkeiten gemacht hat. Als Produzent Tezuka Mitte 2012 in einem Interview danach gefragt wurde, verwies er auf die Miis als Spielfiguren.

Eine Einbindung der individuellen Avatare war bereits für den Wii-Ableger geplant gewesen. Aufgrund der geringeren Bildschirmauflösung ließen sich jedoch ihre Gesichtszüge nicht deutlich genug darstellen, sodass sie schwierig zu unterscheiden gewesen wären. Dies war dank der HD-Grafik nun kein Problem mehr, sodass die Spielenden endlich selber Teil des Spiels werden konnten. Davon abgesehen wurde im neuen Spiel der recht simple Grafikstil der Vorgänger unverändert beibehalten.

Screenshots aus der Demo „New Super Mario Bros. Mii“ von der E3 2011.

Routinearbeit, jetzt in HD

Die Implementierung der Miis war für Nintendo weitaus mehr als nur ein nettes Detail. Immerhin hat der Konzern auf der E3 2011 zur Weltpremiere der Wii U inmitten mehrerer Technik-Demos „New Super Mario Bros. Mii“ als vorstellenswert erachtet. Die Demo war buchstäblich das, was ihr Titel versprach – und hinterließ einen mäßigen Eindruck. „Sieht aus wie das Wii-Spiel in 1080p“, kommentierte damals Sebastian Stange von der Zeitschrift N-ZONE. „Offensichtlich ein hastiger Port, der obendrein leichte Bugs hatte. Etwa konnte man nix aufheben, da dazu die 1-Taste eingeblendet wurde. Die gibt es auf dem Controller nicht!“ Die aus Nintendos Sicht zentrale Innovation der Miis als Spielfiguren wird in dieser kurzen Einschätzung ganz übergangen.

Dennoch: Von allen Wii-U-Demos auf der E3 2011 war „New Super Mario Bros. Mii“ jene, die am ehesten den Eindruck erweckte, Potenzial für eine vollwertige Spielerfahrung zu haben. Nintendo betonte zwar, dass es sich allein um eine Demo und nicht um ein tatsächlich in der Entwicklung befindliches Spiel handle. Tatsächlich steckten aber, wenigstens auf dem Papier, bereits gut anderthalb Jahre Arbeit in dem Projekt. Jedenfalls dürfte kaum jemand überrascht gewesen sein, als im Frühjahr 2012 durchsickerte, dass ein neues „Super Mario“-Spiel auf Basis der Tech-Demo von der E3 2011 für die Wii U in der Mache sei.

Eine leichte Brise frischen Windes

Offiziell enthüllt wurde „New Super Mario Bros. U“ auf der E3 2012. Der 3DS-Teil erschien im August, stieß aber mit seinem wenig innovationsfreudigen Konzept, das abseits der Ausrichtung auf das Sammeln von Münzen kaum Neuerungen bietet, auf gemischte Resonanz. Drei Monate später kam dann der Nachfolger auf den Markt; in Europa war es am 30. November so weit. „New Super Mario Bros. U“ war neben „Nintendo Land“ eines von zwei Nintendo-Spielen, das den Marktstart der Wii U begleitete.

Abgesehen vom asymmetrischen Mehrspielermodus für bis zu fünf Spielende, der HD-Grafik und den Miis – die freilich nicht in der Hauptkampagne zur Verfügung stehen – muss man Unterschiede zum Wii-Teil mit der Lupe suchen. Wagemutige Innovationen waren zwar noch nie das Markenzeichen von „New Super Mario Bros.“, doch beim nunmehr vierten Spiel dieser Art innerhalb von sechs Jahren war der Erwartungsdruck umso größer. Im Vorfeld hatte Nintendo betont, dass am 3DS-Teil hauptsächlich jüngere Entwicklerinnen und Entwickler mitwirkten, während die erfahreneren Teammitglieder am Wii-U-Spiel beteiligt seien. Angesichts dessen mutet es recht ironisch an, dass „New Super Mario Bros. U“ im Vergleich zum 3DS-Teil bei vielen Spielenden einen frischeren Eindruck hinterließ. Aussagekräftig ist bereits der Umstand, dass es nach drei „New Super Mario Bros.“-Spielen mit identischem Hauptthema endlich eine brandneue Melodie zu hören gab.

Gewisse Herausforderungen im Boost-Modus sehen vor, dass der Hauptspieler bzw. die Hauptspielerin Unterstützung von einer zweiten Person erhält, die vermittels des GamePad-Touchscreens Blöcke im Level erzeugt. Einer der Programmierer schaffte diese Aufgaben aber auch völlig allein, was dem Team Beweis genug war, dass das gesamte Spiel auch für Einzelspieler zu bewältigen ist. „Das nennen wir ‚Das Spiel ohne Kumpel‘“, so Iwamoto.

Nach dem Spiel ist vor dem DLC

Wie für ein Spiel mit dem weltberühmten Klempner in der Hauptrolle nicht anders zu erwarten, verkaufte sich „New Super Mario Bros. U“ blendend. Die Fähigkeiten der Wii U stellte es allerdings bei Weitem nicht so gut unter Beweis, wie es eigentlich nötig gewesen wäre. Sicherlich ist der Titel daher nicht ganz unschuldig daran, dass das Konzept der neuen Konsole zu Beginn nicht vollends zu überzeugen vermochte.

Wie dem auch sei, die Geschichte hinter „New Super Mario Bros. U“ ist damit noch keineswegs zu Ende erzählt. 2013 veröffentlichte Nintendo nämlich mit „New Super Luigi U“ einen umfangreichen Bonusinhalt. Nachdem „New Super Mario Bros. 2“ als eines der ersten Nintendo-Spiele DLC (Downloadable Content) erhalten hatte, verriet Tezuka am Ende des „Iwata fragt“-Interviews zum Wii-U-Spiel, dass man auch für dieses kostenpflichtige Bonusinhalte plane. Um dem Eindruck zu wehren, dass bereits fertige Inhalte zurückgehalten würden, um sie separat feilzubieten, betonte er, dass die Arbeiten daran noch nicht begonnen hätten.

„New Super Luigi U“ war sogar als eigenständige Veröffentlichung erhältlich, doch war dies nicht von Anfang an so vorgesehen. „Wir hatten ursprünglich nicht so ein großes Projekt geplant“, erzählte Tezuka. Alles fing an mit der Überlegung, zusätzliche Level zu entwerfen, in denen es vor allem um Schnelligkeit gehen sollte. Zufällig ergab sich dann, dass das Team hinter „New Super Mario Bros. 2“ mit einer ganz ähnlichen Idee aufwartete und Bonuslevel für den Münzrausch-Modus herausbringen wollte. Das „U“-Team hatte die Idee zwar zuerst gehabt, doch da „2“ früher erscheinen sollte, kam den DLC-Plänen für den 3DS-Teil Vorrang zu.

In der Kürze liegt die Würze

Da Tezuka Anstoß daran nahm, dass die DLC-Pläne für die beiden „New Super Mario Bros.“-Spiele so ähnlich waren, wollte er das Wii-U-Projekt in eine andere Richtung lenken. Auf der Suche nach anderweitigen Konzepten kam ihm dabei die Idee besonders kurzer, dafür aber umso herausfordernderer Level in den Sinn. Unabhängig davon dachte Takemoto darüber nach, dass die Level der „New Super Mario Bros.“-Spiele immer länger geworden seien. „Und als mir gerade der Gedanke gekommen war, dass ich diesmal gerne kurze Level als herunterladbare Inhalte hätte“, erzählte er, „schlug Mr. Tezuka auf einmal auch vor, es mit kurzen Levels zu probieren. Und das war natürlich perfektes Timing.“

Es war aber nicht exakt derselbe Gedanke, der dem Produzenten und dem Director damals gekommen war. Tezuka nämlich hatte vor, sämtliche Level des Hauptspiels in kürzere und schwierigere Versionen umzuarbeiten. Takemoto war davon zunächst nicht sehr begeistert: „Ich dachte, dass das wahnsinnig viel Arbeit sein würde!“, erinnerte er sich zurück. Dazu ist zu erklären, dass diese Überlegungen gegen Ende der Entwicklung des Hauptspiels angestellt wurden. Entsprechend wenig motiviert waren die Teammitglieder durch die Aussicht, dass ihnen anstelle einer wohlverdienten Pause weiter Leveldesign-Arbeit wie am Fließband bevorstehen sollte. Iwata fasste es wie folgt zusammen: „Die Level sollten zwar kurz sein, aber für sie [die Entwickelnden] war es so, als ob sie gerade einen Marathon hinter sich gebracht hätten, und Sie ihnen dann direkt vor der Ziellinie gesagt hätten: ‚So, und jetzt lauft noch eine halbe Marathon-Strecke mehr.‘“

In den Spieldaten von „New Super Mario Bros. U“ konnten die Dataminer von tcrf.net zahlreiche ungenutzte Daten ausfindig machen, darunter verworfene oder frühere Levelentwürfe sowie viele aus „New Super Mario Bros. Wii“ übernommene Elemente, die hier aber nicht verwendet wurden. Hier sind zwei weitere interessante Entdeckungen zu sehen: Links ein Platzhalter-Bild, das frühere Sprites zeigt; auch Aussehen und Ort des Schlosses ganz hinten sind anders als im finalen Spiel. Rechts ist ein Platzhalter einer Kartenübersicht zu sehen.

Input von außen

Tezuka aber hielt weiter an der Idee fest. Da inzwischen auch „New Super Mario Bros. 2“ fertiggestellt war, stießen einige von dessen Leveldesignern zum „New Super Mario Bros. U“-DLC-Team hinzu. Sie brachten Motivation und neue Ideen sowie, da der 3DS-Titel primär auf Einzelspieler ausgerichtet war, eine etwas andere Designperspektive mit. So konnten die Arbeiten am Zusatzinhalt für das Wii-U-Spiel schneller vorangehen.

Ursprünglich sollte das geplante Erweiterungspack nur als klassischer DLC angeboten werden. Aus Nintendos Vertriebsabteilungen wurde allerdings der Wunsch nach einer eigenständigen Veröffentlichung an das Entwicklerteam herangetragen. Dadurch änderte sich das Konzept des Projekts ein wenig, denn nun mussten auch unerfahrenere Spielerinnen und Spieler, die eventuell das Hauptspiel gar nicht besaßen, beim Leveldesign berücksichtigt werden. Da die Level ja nicht nur schwieriger, sondern auch kürzer werden sollten, hoffte das Team, dass das Grundkonzept fortgeschrittene und unerfahrene Spieler zugleich ansprechen werde.

Raus aus des Bruders Schatten

Bis dahin war überhaupt noch nicht vorgesehen, den Zusatzinhalt ganz auf Luigi zu fokussieren. Erst als Iwata intern erklärt hatte, dass das Jahr 2013 zum „Jahr des Luigi“ ernannt werden solle, versuchte Tezuka den Bonusinhalt darauf abzustimmen. Wieder einmal war Takemoto von der Idee seines Produzenten erst wenig angetan, er stimmte aber bald ein. Das Konzept hinter dem DLC-Projekt nahm damit endlich Gestalt an und erhielt die nötige Abgrenzung vom 3DS-Spiel: Es sollten nicht nur alle Level des Hauptspiels in kürzere und schwierigere Versionen umgearbeitet werden; darüber hinaus sollte Luigi mit seiner leicht von Mario abweichenden Steuerung die einzige Spielfigur sein. „Endlich konnten wir das Konzept des Spiels ganz klar beschreiben“, erklärte Takemoto diesen Meilenstein. „Ab diesem Zeitpunkt habe ich einen guten Zugang zu dem Projekt gefunden und dann war es auch einfach, es zu entwickeln.“

Da Mario im ganzen Spiel nicht auftauchen sollte, musste nun für den Mehrspielermodus ein Ersatz her. Prinzessin Peach kam aus Storygründen nicht infrage. Warum nicht die Miis erwogen wurden, auf deren Einbindung als Spielfigur im Hauptspiel Nintendo doch so stolz war, ist nicht bekannt. Stattdessen versuchte es Takemoto mit einem unkonventionellen Kandidaten: Mopsie, eine im Hauptspiel neu eingeführte, eigentlich gegnerische Figur. Mopsie kann von Gegnern nicht verwundet werden, was ihn ideal für weniger erfahrene Spieler machte.

Keine Spur von Mario: In „New Super Luigi U“ übernimmt Bruder Luigi die Hauptrolle. „Dass Mario nicht auftauchen soll“, bemerkte Iwata, „ist etwas, das man sonst nie im Entertainment Analysis & Development Department hört!“

Das Dauerbrenner-Duo

Im Februar 2013 rief Iwata in einer „Nintendo Direct“-Ausstrahlung das „Jahr des Luigi“ aus und kündigte „New Super Luigi U“ offiziell an. Zu den weiteren Spielen, die für das „Jahr des Luigi“ geplant waren, gehören „Luigi’s Mansion 2“, „Mario & Luigi: Dream Team Bros.“ und „Dr. Luigi“. Am 20. Juni wurde „New Super Luigi U“ veröffentlicht; als eigenständige Handelsversion kam das Erweiterungspack im Juli auf den Markt.

Das vierte „New Super Mario Bros.“-Spiel war zusammen mit seinem Erweiterungspack ein großer Erfolg. Das Hauptspiel wurde weltweit 5,82 Millionen Mal verkauft, womit es Platz 3 der meistverkauften Wii-U-Spiele erreichte. Die eigenständige Version von „New Super Luigi U“ ging indes 3,07 Millionen Mal über die Ladentheken – das reichte für den achten Platz auf der Liste der erfolgreichsten Wii-U-Titel. Im Vergleich zu den Vorgängern waren diese Zahlen relativ schwach, doch wie bei allen Wii-U-Spielen ist hier der Misserfolg der Konsole zu berücksichtigen.

Das letzte seiner Art?

Um das Verkaufspotenzial des prallgefüllten Jump’n’Run-Pakets voll auszuschöpfen, veröffentlichte Nintendo im Januar 2019 für die Nintendo Switch „New Super Mario Bros. U Deluxe“, das neben dem Hauptspiel auch den Zusatzinhalt umfasst. Mit Toadette und Mopsie bietet die Hauptkampagne zwei neue Spielfiguren, wobei Erstere mit der Superkrone zudem ein brandneues Item erhielt. Nach offiziellen Angaben wurde „New Super Mario Bros. U Deluxe“ bis März 2022 weltweit 12,72 Millionen Mal verkauft. Das reicht zwar nicht für die Top Ten der Switch-Software, überbietet aber deutlich die Verkäufe der ursprünglichen Wii-U-Version.

Auf ein neues klassisches 2D-„Super Mario“, gar auf ein fünftes „New Super Mario Bros.“, warten Spielende bis heute vergeblich. Mit „Super Mario Maker“, das 2015 für Wii U und später auch für 3DS erschien, sowie der Fortsetzung für Switch scheint der Appetit langfristig gesättigt zu sein. Ob diese für Nintendo so wichtigen und erfolgreichen Spiele jemals wieder einen herkömmlichen Ableger erhalten werden, steht daher in den Sternen. Sollten „New Super Mario Bros. U“ und „New Super Luigi U“ tatsächlich den Abschluss dieser Subreihe darstellen, dann hat das Entwicklerteam immerhin noch einmal alles geben können – und dabei, so die Ansicht vieler Kritiker, das wohl beste 2D-„Super Mario“-Spiel der jüngeren Zeit hinterlassen.

Quellen: „Iwata fragt: New Super Mario Bros. U“, Nintendo.de, 2012; „Iwata fragt: New Super Luigi U“, Nintendo.de, 2013. Zusätzliche Quellen sind im Text verlinkt.

Weiterführende Links: Forum-Thread
Weitere Infos im Hub

Inside Nintendo

Hinter den Kulissen von Nintendo

Bisher gibt es zwei Kommentare

Du bist nicht angemeldet. Logge dich ein oder registriere dich, um kommentieren zu können.
  • Avatar von K-I-T-N
    K-I-T-N 30.01.2023, 16:31
    Zitat Zitat von Marlonius Beitrag anzeigen
    Die Super Mario Maker waren denke ich der Abschluss dieser Reihe. Und damit auch der bestmögliche. Engine und Artstyle waren zwar stimmig, aber zu Zeiten von NSMBU und NSMB2 las man von wirklich sehr vielen Leuten, dass sie den immergleichen Spielen überdrüssig wurden. Wenn die nächsten 2D Marios kommen, rechne ich schon mit nem neuen Stil. Wüsste zwar auf die Schnelle nicht, wie man die Formel jetzt ändern könnte, aber was frisches Neues muss schon her.
    Ich glaube nicht, dass dem der Fall sein wird. Ja es gibt die berechtigte Kritik an der immergleichen Formel. Und das auch zu Recht. Man muss aber auch sagen, auf jeder Plattform hat sich NSMB besser verkauft als Kirby, Donkey Kong, Yoshi, Mario Maker und andere 2D Plattformer von Nintendo. Meist sogar deutlich besser. Das zeigt, dass die Spielereihe in der Masse halt extrem beliebt ist, egal wie sehr die innovationsarmut kritisiert wird.

    Ist halt wie ne Salami-Pizza. Das ist auch nichts besonders, dennoch wird jeder Pizza-Hersteller dir sagen, dass sich die Salami-Pizza am meisten verkauft, weil es der solide Allrounder ist.

    Und auch Mario Maker wird die NSMB-Reihe nicht ersetzen. Denn es gibt Leute, die wollen weder Level bauen, noch wollen sie User-Level aus dem Netz zusammensuchen. Die wollen einfach ein reguläres Mario-Spiel. Sieht ma nauch daran, dass sich Mario Maker 2 7,9 Millionen und NSMBU Deluxe 13,3 Millionen Mal auf der Switch verkauft hat.

    Viele Spielereihen haben auf der Switch einfach einen Port der Wii U-Fassung erhalten, weil es ja für die meisten Switch-Kunden dennoch ein neues Spiel war und weil Nintendo so das Lineup der Switch ohne viel Arbeit schnell in der Breite vergrößern konnte.

    Ich halte es aber für nicht unwahrscheinlich, dass wir auf der nächsten Nintendo-Hardware ein neues NSMB sehen werden.
  • Avatar von Marlonius
    Marlonius 29.01.2023, 12:05
    Die Super Mario Maker waren denke ich der Abschluss dieser Reihe. Und damit auch der bestmögliche. Engine und Artstyle waren zwar stimmig, aber zu Zeiten von NSMBU und NSMB2 las man von wirklich sehr vielen Leuten, dass sie den immergleichen Spielen überdrüssig wurden. Wenn die nächsten 2D Marios kommen, rechne ich schon mit nem neuen Stil. Wüsste zwar auf die Schnelle nicht, wie man die Formel jetzt ändern könnte, aber was frisches Neues muss schon her.