Inside Nintendo 204: Der Wii-U-Report, Teil 4: Chronik eines Misserfolgs

Vor zehn Jahren ist die Wii U auf den Markt gekommen, doch schon längst ist sie Geschichte: Anfang 2017 wurde die Produktion der erfolglosesten Nintendo-Heimkonsole eingestellt, um den Weg für die kommende Nintendo Switch zu bereiten. Der japanische Konzern hat sich durchaus kämpferisch gegeben und lange Zeit versucht, das Ruder herumzureißen. Doch die Lage war aussichtslos – so sehr, dass man eine Wii-U-Retrospektive nicht einmal mit dem Motto „Aufstieg und Fall“ betiteln könnte, denn so etwas wie einen Aufstieg, eine anfängliche Hochphase, hat es beim Wii-Nachfolger nicht gegeben. Den Misserfolg der Heimkonsole zeichnen wir in diesem abschließenden Teil des Wii-U-Reports nach.

Der Misserfolg und der kurze Marktzyklus der Wii U sorgten dafür, dass viel Potenzial ungenutzt blieb. Es hätte sich beispielsweise angeboten, Spiele wie „Pac-Man VS“, die die Konnektivität zwischen GameCube und Game Boy Advance nutzten, neu herauszubringen. Mehrfach angekündigt, aber trotzdem nie umgesetzt wurde die Funktion, mehrere GamePads mit einer Wii U zu verbinden (Bildquelle: Wikimedia Commons).

Spieledürre und eine nachgeholte Problemphase

In der Januar-2013-Ausgabe von „Nintendo Direct“ hatte der Konzern – offenkundig unter dem großen Druck der weit hinter den Erwartungen zurückbleibenden ersten Verkaufszahlen – große, teilweise noch weit in der Zukunft liegende Spiele enthüllt. Indirekt hatte Nintendo damit einen zentralen Faktor für den schwachen Start der Wii U eingestanden: Es waren zur Markteinführung und zum sogenannten Launch-Fenster nicht genügend überzeugende Spiele in Sicht. Ein ähnliches Problem hatte anderthalb Jahre zuvor auch den 3DS geplagt, der erst Ende 2011 dank Hits wie „Super Mario 3D Land“ und „Mario Kart 7“ richtig durchstartete.

Die damalige Spieledürre auf der Wii U erklärte Iwata in der „Nintendo Direct“ mit folgenden Worten: „Da der Entwicklungsaufwand für jeden einzelnen Titel immer größer wird, können wir mit der Vorgehensweise der Vergangenheit nicht genug Titel für Wii U vorbereiten.“ Spätestens an dieser Stelle wurde deutlich, dass Nintendo mit der Wii U, der ersten hauseigenen HD-Konsole, vor jenen Problemen stand, die die restliche Spieleindustrie bereits einige Jahre zuvor mit der Markteinführung von Xbox 360 und PlayStation 3 hatte überwinden müssen: Der Übergang zu HD-Grafik sorgte dafür, dass die Entwicklung neuer Spiele deutlich komplexer wurde und viel mehr Ressourcen erforderte.

Mangelhafte Planung hinter den Kulissen?

Nintendos interne Softwareentwicklungsteams, allen voran die berühmte Abteilung Entertainment Analysis & Development (EAD), hatten damals eine relativ kleine Belegschaft, die den stark gestiegenen Anforderungen für HD-Entwicklung kaum gewachsen war. Mehr noch, 2011 war der Großteil von Nintendo EAD mit der Fertigstellung des Wii-Epos „Zelda: Skyward Sword“ ausgelastet. Daneben musste zu dieser Zeit auch der 3DS mit Spielen versorgt werden, die wegen des holprigen Marktstarts der Konsole hohe Priorität hatten. An dieser Stelle rächte es sich, dass Nintendo mit den für seine Konsolen so wichtigen First-Party-Spielen zwei Plattformen gleichzeitig unterhalten musste.

Die Kombination dieser drei Probleme – Umstieg auf HD-Entwicklung, Versorgung von zwei Plattformen auf einmal und das Mammut-Projekt „Skyward Sword“ – sorgte dafür, dass Nintendo mit der Entwicklung der so wichtigen hauseigenen Spiele für die Wii U nicht hinterherkam. Symptomatisch dafür ist eine Anekdote aus der Entstehung des 3DS-Spiels „The Legend of Zelda: A Link Between Worlds“. Das zunächst aus nur drei Personen bestehende Team hinter diesem potenziell hochkarätigen Projekt wurde im Oktober 2010 aufgelöst, um bei der Entstehung künftiger Wii-U-Spiele auszuhelfen.

Die Entwicklung mancher vielversprechender Titel, die der Wii U auf die Sprünge zu helfen versprachen, allen voran „Super Mario 3D World“ und „Mario Kart 8“, konnte erst nach der Fertigstellung der 3DS-Ableger der entsprechenden Reihen Ende 2011 beginnen. Ähnlich war der Fall von „Super Smash Bros. for Wii U“, dessen Entwicklung Spieldirector Masahiro Sakurai erst nach Abschluss seines 3DS-Projekts „Kid Icarus: Uprising“ beginnen konnte.

Dieses Diagramm zeigt die Verkäufe der Wii-U-Konsole im zeitlichen Verlauf weltweit sowie in den drei Marktregionen. Diese und die weiteren Grafiken in diesem Artikel beruhen auf von Nintendo zur Verfügung gestellten Daten. Ähnliche Diagramme zu den früheren Nintendo-Konsolen finden sich zum Vergleich in „Inside Nintendo 157“ (3DS), „Inside Nintendo 140“ (Wii) und „Inside Nintendo 112“ (DS).

Partnerverlust und erste Aufschwünge

Im Mai 2013 erfolgte ein Paukenschlag: Publisher EA kündigte an, die Wii U infolge der schlechten Verkaufszahlen künftig nicht mehr mit neuen Spielen zu unterstützen. Der Spielegigant hatte zum Start der Konsole „Mass Effect 3: Special Edition“ und „Need for Speed: Most Wanted U“ sowie im März 2013 „FIFA 13“ veröffentlicht. Künftig aber würden EAs beliebte und erfolgreiche Reihen von vornherein nicht für die Wii U geplant werden. Die Meldung bedeutete de facto das Scheitern von Nintendos Versuch, die Dritthersteller und den Markt der sogenannten Intensivspieler zurückzuerobern.

Die Unterstützung durch Dritthersteller begann also nachzulassen, doch Nintendo selbst vermochte die sich vergrößernden Lücken im Releasekalender nicht zu füllen. Der nächste hauseigene Titel nach den Launchspielen „New Super Mario Bros. U“ und „Nintendo Land“ war im März 2013 die Minispielsammlung „Game & Wario“. Aufsehenerregendere Exklusivtitel ließen bis in den Sommer auf sich warten. Im Juni erschien die Erweiterung „New Super Luigi U“, im Juli das lang ersehnte „Pikmin 3“ sowie „Lego City Undercover“ und im August der Platinum-Games-Actionkracher „The Wonderful 101“. Die neuen Veröffentlichungen sorgten jeweils für einen deutlichen Anstieg der Verkäufe der Wii U. Ab Juli ging sie monatlich endlich häufiger über die Ladentheken als ihre Vorgängerin, die fast sieben Jahre alte Wii.

Beim 3DS hatte Nintendo 2011 den Preis der fast noch brandneuen Konsole um ein Drittel reduziert, um die Verkäufe anzukurbeln. Zu einer ähnlich drastischen Maßnahme kam es im Falle der Wii U zwar nicht, dennoch trat im September 2013 für die Premium-Variante eine Preissenkung um etwa 50 Dollar in Kraft. Dies gab in Kombination mit dem Remake „The Legend of Zelda: The Wind Waker HD“ den Verkaufszahlen der Konsole einen kräftigen Schub. Im Vereinigten Königreich etwa war eine Steigerung um beeindruckende 685 Prozent zu verzeichnen. Die Situation schien sich somit im Herbst 2013 etwas zu bessern. Dazu passend stellte Nintendo damals offiziell die Produktion der alten Wii ein.

Das Ende des Vorsprungs: Der Konsolenkrieg geht in die achte Runde

Gegen Ende des Jahres 2013 brachte Nintendo neben kleineren Spielen wie „Wii Party U“ oder „Wii Fit U“ endlich den so dringend benötigten ersten Kassenschlager heraus: „Super Mario 3D World“. Des Klempners 3D-Jump’n’Runs stellen seit jeher einen der wichtigsten Kaufgründe für Nintendos Konsolen dar, und so lasteten hohe Erwartungen auf dem Titel, der gar als potenzieller Retter der Konsole gehandelt wurde. Dass Nintendo sein größtes Geschoss Ende November abfeuerte, war kein Zufall. Zur gleichen Zeit brachten Sony und Microsoft ihre eigenen Konsolen der achten Generation auf den Markt, die PlayStation 4 und Xbox One. War die Wii U technisch der PlayStation 3 und der Xbox 360 leicht überlegen, so ließ die neue Konkurrenz Nintendo wieder einmal sehr alt aussehen. Das Schicksal der Wii drohte sich zu wiederholen.

Inmitten dieser Situation kam „Super Mario 3D World“ glücklicherweise kritisch und kommerziell gut an und brachte der Wii U viel positive Aufmerksamkeit ein. Für den Titel des meistverkauften Wii-U-Spiels des Jahres 2013 genügte es aber nicht. Stattdessen schaffte es „New Super Mario Bros. U“ an die Spitze. Der Launchtitel wiederum nahm auf der plattformübergreifenden Liste der meistverkauften Spiele des Jahres nur Rang 17 ein. Generell befanden sich in der Top 100 nur sechs Wii-U-Spiele. Freilich schafften es noch weniger Spiele für die neuen Konsolen von Sony und Microsoft in die Top 100. Die neue Konsolengeneration hatte es somit auch abseits des Nintendo-Lagers schwer, sich gegen die alte durchzusetzen.

Verkäufe der Wii-U-Hardware pro Fiskaljahr. Normalerweise steigen die jährlichen Hardwareverkäufe zur Mitte des Lebenszyklus einer Konsole stark an, doch bei der Wii U gingen die Zahlen fast nur bergab. Anfang 2017 wurde die Produktion der Konsole bereits eingestellt. Der anderthalb Jahre früher veröffentlichte 3DS verkaufte sich hingegen noch im Finanzjahr bis März 2019 fast so oft wie die Wii U in ihrem letzten Jahr.

Von Nintendo-Spielen am Leben gehalten

Die Dichte an exklusiven Hochkarätern war 2014 etwas höher als im Vorjahr. Die wichtigsten Nintendo-Veröffentlichungen für Wii U waren damals „Donkey Kong Country: Tropical Freeze“ im Februar, „Mario Kart 8“ im Mai, „Hyrule Warriors“ im September, „Bayonetta 2“ im Oktober und „Super Smash Bros. for Wii U“ im November. An der Qualität all dieser Exklusivspiele bestand kein Zweifel, und entsprechend verkauften sie sich auch millionenfach. Es waren aber einfach zu wenige, um die inzwischen fast ganz eingebrochene Dritthersteller-Unterstützung auszugleichen.

Immer größer wurde inzwischen auch die Skepsis bezüglich des GamePad. Abgesehen von Karten- oder Menübildschirmen hielt sich der Mehrwert in den meisten Spielen stark in Grenzen. „Tropical Freeze“ und „Super Smash Bros.“, immerhin zwei exklusiv für die Plattform entwickelte Spiele, nutzten den vermeintlich so innovativen zweiten Bildschirm sogar abgesehen von Off-TV-Play gar nicht.

Um den Unkenrufen, die die Existenzberechtigung des GamePad infrage stellten, zu begegnen, präsentierte Nintendo auf der E3 2014 eine Reihe von Projekten, die den Controller intensiver einbinden. Der Farb-Shooter „Splatoon“ konnte durch seinen kreativen und frischen Ansatz auf voller Linie überzeugen, während die Prototypen „Project Giant Robot“ und „Project Guard“ auf weniger Interesse stießen – Ersterer wurde sogar nie zu einem fertigen Spiel. Auch ein neues „Star Fox“-Spiel wurde in einem frühen Stadium gezeigt.

Zukunftssorgen

Bereits Anfang 2014 hatten sich infolge der schwachen Zahlen und der starken Konkurrenz die Stimmen gemehrt, die mit einer baldigen Einstellung der Wii U rechneten. Dem trat Nintendo entschieden entgegen. Als der Konzern aber 2015 seine ablehnende Haltung gegenüber Mobile-Spielen aufgab und den Einstieg in diesen schnell wachsenden und lukrativen Markt bekanntgab, sahen Beobachter das Ende dedizierter Konsolen des Konzerns immer näher rücken. Der 3DS lief zwar inzwischen fabelhaft, aber auch die langfristige Zukunft von Handheld-Konsolen wurde in Frage gestellt.

Nicht selten wurde die Wii U daher verglichen mit der Dreamcast, der letzten Heimkonsole des früheren Nintendo-Konkurrenten Sega. Im März 2015 aber bekräftigte Konzernchef Satoru Iwata, dass man den Heimkonsolen-Markt auch langfristig nicht aufgeben werde. Dazu kündigte er eine mysteriöse neue Konsole unter dem Projektnamen „NX“ an. Obwohl keine Details über NX bekanntgegeben wurden, rechneten die meisten damit, dass es sich um Nintendos nächste Heimkonsole handeln werde. Damit markierte die Ankündigung den Anfang vom Ende der Wii U – nicht einmal zweieinhalb Jahre nach deren Markteinführung. Zum Vergleich: Die Switch ist nun fast sechs Jahre auf dem Markt, ohne dass bereits ein Nachfolgegerät offiziell in Sicht wäre.

Angesichts der Hardwareabsätze waren die Spieleverkaufszahlen solide. Sie stiegen sogar von Jahr zu Jahr immer weiter an. Außerdem entfiel die Hälfte der Verkäufe jeweils, ähnlich wie bei den Konsolenverkäufen, auf Nordamerika, während in Japan Wii-U-Spiele etwas weniger häufig abgesetzt wurden als in Europa und den übrigen Regionen.

Gute Überraschungen, weitere Enttäuschungen und ein Schock

Im Juni 2015 wurde in Japan die Basic-Variante der Wii U tatsächlich vom Markt genommen, doch insgesamt hielt Nintendo weiterhin an seiner Konsole fest und bemühte sich um einen halbwegs stabilen Spielenachschub. Das erste größere Spiel 2015 erschien in Europa bereits am dritten Tag des Jahres, nämlich „Captain Toad: Treasure Tracker“. Neben guten Fortsetzungen bekannter Reihen wie „Kirby und der Regenbogen-Pinsel“, „Mario Party 10“, „Mario Tennis: Ultra Smash“ und „Yoshi’s Woolly World“ hatte Big N in diesem Jahr vor allem zwei große Überraschungen auf Lager: „Splatoon“ war eine der größten neuen Marken des Herstellers seit einigen Jahren, während der Levelbaukasten „Super Mario Maker“ ebenfalls sehr innovativ daherkam und ein großes Kaufargument für die Wii U darstellte.

Ende des Jahres erschien mit „Xenoblade Chronicles X“ ein umfangreiches Rollenspiel. Ein Highlight eher in negativer Sicht war das exklusive Hack’n’Slay „Devil’s Third“ von „Dead or Alive“-Schöpfer Tomonobu Itagaki, das katastrophale Wertungen erhielt. Die zuletzt auf dem 3DS äußerst verkaufsstarke „Animal Crossing“-Reihe enttäuschte indes gegen Jahresende mit dem Wii-U-Spin-off „Amiibo Festival“. Darüber hinaus hinterließ das völlige Ausbleiben neuer Titel von Reihen wie „Metroid“ oder „F-Zero“ bei eingefleischten Nintendo-Fans einen faden Beigeschmack.

Einen schweren Schlag erlitt die Nintendo-Welt in diesem Jahr durch den plötzlichen Tod von Konzernchef Satoru Iwata am 11. Juli 2015. Iwata, der maßgeblich zum großen Erfolg von DS und Wii beigetragen hatte und eines der wichtigsten und beliebtesten Gesichter des Konzerns war, starb in einer Zeit, in der Nintendos Zukunft so unsicher schien wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die Arbeiten an der Nintendo Switch, die später sogar die Wii-Glanzzeiten überflügeln würde, waren zwar längst in vollem Gange. Doch zur Zeit von Iwatas Tod stand diese Zukunft noch komplett in den Sternen.

„Breath of the Wild“ – das Ende und der Anfang

2016 ließ die Menge an neuen Veröffentlichungen für die Wii U spürbar nach. Highlights waren im März das HD-Remaster von „The Legend of Zelda: Twilight Princess“ und das Crossover „Pokémon Tekken“. Im April erschienen die von Platinum Games mitentwickelten „Star Fox“-Teile „Zero“ und „Guard“, die aber nur mäßige Wertungen erhielten. Darüber hinaus kamen im Juni ein weiteres „Mario & Sonic bei den Olympischen Spielen“ sowie das Rollenspiel-Crossover „Tokyo Mirage Sessions #FE“ auf den Markt, und im Oktober folgte „Paper Mario: Color Splash“.

Es zeichnete sich zwar deutlich ab, dass nur noch wenige Spiele für die Wii U erscheinen würden, doch mit der Enthüllung von NX ließ Nintendo noch auf sich warten. Daher verfolgte der Konzern auf der E3 2016 eine mutige Strategie und beschränkte sich auf ein einziges Spiel. Dieses aber hatte es so sehr in sich, dass es Big N damit gelang, die gesamte Spielemesse zu dominieren. Die Rede ist von „The Legend of Zelda: Breath of the Wild“. Es steckte, so die Botschaft, tatsächlich noch Leben in der Wii U. „Breath of the Wild“ erschien am 3. März 2017 als letztes Nintendo-Spiel für die Wii U. Es markierte zugleich den Beginn einer neuen Generation, denn es war auch Launchtitel der an diesem Tag weltweit veröffentlichten Switch.

In diesem Diagramm ist die Anzahl an jährlichen Spieleveröffentlichungen für die Wii U, unterteilt nach den drei Regionen, zu sehen. Berücksichtigt sind dabei nur Disc-Spiele; eShop-Exklusivtitel sind nicht inbegriffen. Interessanterweise erschienen im Westen deutlich mehr Titel für die Wii U als in Japan.

Ein Indie-Paradies

Wir haben uns hier bislang auf von Nintendo entwickelte oder zumindest veröffentlichte Spiele beschränkt. Diese waren natürlich nicht alles, was für die Wii U erhältlich war, doch die Unterstützung namhafter Dritthersteller hatte nach dem vielversprechenden Start 2012 enorm nachgelassen. Im Herbst 2013 gab es noch eine größere Third-Party-Welle mit „Sonic Lost World“, „Deux Ex: Human Revolution – Director’s Cut“, „Batman: Arkham Origins“, „Assassin’s Creed IV: Black Flag“ und „Call of Duty: Ghosts“ – übrigens das bis heute letzte Spiel der Shooter-Reihe für eine Nintendo-Konsole. Besonders lange hielt Ubisoft die Stellung und brachte im November 2014 eine Portierung von „Watch Dogs“ sowie im Laufe der Jahre mehrere „Just Dance“-Spiele auf den Markt. Auch blieben Activision mit „Skylanders“ sowie Warner Bros. mit einer Reihe an „Lego“-Spielen der Wii U recht lange treu.

Von diesen wenigen Ausnahmen abgesehen kamen praktisch keine neuen namhaften Dritthersteller-Spiele für die Wii U heraus. Ganz anders sah es hingegen auf der Indie-Front aus. Nintendos Konsole genoss bei unabhängigen kleinen Entwicklern sogar einen sehr guten Ruf, sodass im Laufe der Jahre fast alles, was Rang und Namen in der Szene hatte, und darüber hinaus noch viel mehr für die Wii U erschien. Hier auch nur die bekanntesten Spiele nennen zu wollen, würde den Rahmen des Artikels sprengen. Zumindest also die Indie-Entwickler konnte Nintendo langfristig ansprechen.

Abschied auf Raten

Noch nach 2017 erschienen zahlreiche, wenngleich kaum bekannte Download-Spiele für die Wii U. Sogar 2022 kamen mit „Pad of Time“, „Reversi 32“ und „Shadow Archer Special“ noch drei neue Titel heraus. Seit Anfang 2022 können Entwickler allerdings keine neuen Wii-U-Spiele mehr bei Nintendo einreichen, sodass der Spielenachschub endgültig versiegen wird – wie übrigens auch beim 3DS. Bereits zuvor war im Februar das schrittweise Abschalten des eShop beider Konsolen angekündigt worden, und seit August lässt sich das Guthaben nicht mehr aufwerten. Noch ist es möglich, Spiele mit Restguthaben zu erwerben, aber auch diese Funktion wird bereits im März 2023 eingestellt werden.

Online-Spielen mittels des Nintendo Network wird jedoch auf absehbare Zeit hin möglich bleiben. Auch soll die Option bestehen bleiben, einmal erworbene Spiele erneut herunterzuladen. Dennoch bedeutet die Abschaltung des eShop, dass unzählige Wii-U-exklusive Download-Spiele nun de facto vollständig vom Markt verschwinden werden. Ein weiteres Problem wird sich wohl erst langfristig zeigen: Entgegen früherer Ankündigungen hat Nintendo nie separate GamePads veröffentlicht. Da der obligatorische Tablet-Controller deutlich anfälliger für Beschädigungen ist als klassische Controller, könnte es in ferner Zukunft durchaus schwierig werden, noch voll funktionstüchtige Wii-U-Konsolen auf dem Retro-Markt zu finden.

Hier sind Nintendos Prognosen für Hardware- (links) und Softwareverkäufe (rechts) der Wii U im Vergleich zu den tatsächlichen Verkaufszahlen abgebildet. Bei den Konsolenabsätzen erreichte die Wii U nicht ein Mal die Erwartungen; die Spieleverkäufe hingegen übertrafen sie in zwei Fiskaljahren deutlich.

Erwartungslimbo

Am 31. Januar 2017, wenige Wochen vor Marktstart der Switch, stellte Nintendo die Produktion der Wii U ein. Damit war die Konsole nur vier Jahre und knapp drei Monate auf dem Markt gewesen. Laut offiziellen Angaben liegen die weltweiten Verkaufszahlen bei insgesamt 13,56 Millionen Einheiten. Davon entfällt mit 6,49 Millionen fast die Hälfte auf Nordamerika. In Japan ging die Konsole 3,34 Millionen Mal über die Ladentheken und in den anderen Regionen inklusive Europa 3,74 Millionen Mal.

Die Wii hingegen war auf knapp über 100 Millionen Verkäufe gekommen. Ähnliche Zahlen hatten zumindest einzelne Mitarbeitende des Konzerns auch für die Wii U erwartet. Der damalige Unternehmenspräsident Tatsumi Kimishima verriet nämlich auf einem Investorentreffen: „In einem internen Meeting mit Vertriebsmitarbeitern prognostizierte jemand, dass wir weltweit fast 100 Millionen Wii-U-Systeme verkaufen würden. Der Gedanke war, weil sich die Wii gut verkauft hat, würde die Wii U dem Beispiel folgen.“

Die zitierte Stimme war natürlich nicht repräsentativ für den gesamten Konzern. Trotzdem ist offenkundig, dass die Wii U haushoch hinter Nintendos Erwartungen zurückblieb. Jedes Finanzjahr verfehlte die Konsole aufs Neue Nintendos stetig weiter nach unten angepassten Prognosen. Von den fünf Finanzjahren, in denen die Wii U auf dem Markt gewesen war, schlug sie sich bezeichnenderweise im ersten am besten, obwohl sie da nur weniger als ein halbes Jahr erhältlich gewesen war. Lagen die Zahlen dort bei 3,45 Millionen, so sackten die Verkäufe im folgenden Finanzjahr von März 2013 bis März 2014 auf nur 2,72 Millionen ab. In den nächsten beiden Fiskaljahren erreichten sie fast wieder die Verkäufe des ersten, nur um nach März 2016, als die Ablösung durch NX/Switch in Sicht war, stark abzustürzen.

Wo Schatten ist, ist auch Licht

Erfreulicher waren für Nintendo die Softwareverkäufe. Insgesamt konnten 103,53 Millionen Spiele für die Wii U unters Volk gebracht werden. Ganz im Gegensatz zu den Hardwarezahlen nahmen die Spieleverkäufe in jedem Jahr immer weiter zu – von 13,42 Millionen Einheiten im Finanzjahr bis März 2013 hin zu 27,36 Millionen im Finanzjahr bis März 2016. 2015 und 2016 übertrafen die Zahlen Nintendos Prognosen sogar deutlich! Über schlechte Spieleverkäufe konnte sich das Unternehmen somit nicht beschweren. Ganz im Gegenteil, es schien fast, als sei jedes Spiel, das der Konzern selber für die schwächelnde Wii U auf den Markt brachte, bereits zum Millionenseller prädestiniert. Hinsichtlich der Spiele kann somit nicht wirklich von einem Flop die Rede sein.

Die Liste der zehn meistverkauften Wii-U-Spiele ist – wie übrigens bei allen Nintendo-Konsolen der letzten Jahre – ausschließlich mit Nintendo-Eigenproduktionen besetzt. Platz 1 erreicht „Mario Kart 8“ mit beeindruckenden 8,46 Millionen Verkäufen – zwei Drittel aller Wii-U-Besitzerinnen und -Besitzer nannten damit auch das Rennspiel ihr Eigen! Ebenfalls aufs Siegertreppchen schafften es „Super Mario 3D World“ mit 5,88 Millionen und „New Super Mario Bros. U“ mit 5,82 Millionen Einheiten. Es folgen „Super Smash Bros. for Wii U“, „Nintendo Land“, „Splatoon“, „Super Mario Maker“, „New Super Luigi U“ und „Zelda: The Wind Waker HD“. Das Schlusslicht der Top 10 bildet „Mario Party 10“ mit immer noch guten 2,27 Millionen abgesetzten Einheiten.

Hardware- (links) und Softwareverkäufe (rechts) der Wii U im Vergleich zu den entsprechenden Zahlen der übrigen Nintendo-Heimkonsolen. Die Wii U hat den Niedergang, der vom NES bis zum GameCube konstant zu beobachten ist, fortgesetzt, als hätte es die Wii nicht gegeben. Dafür führt nun die Switch den Erfolg der Wii weiter, was ohne die Wii U kaum möglich gewesen wäre.

Nintendo – Leave Luck to Heaven

Die guten Spieleverkäufe und der inzwischen sehr erfolgreiche 3DS auf der einen und die finanzielle Absicherung durch die gigantischen Gewinne aus der DS- und Wii-Ära auf der anderen Seite sorgten dafür, dass der Misserfolg der Wii U keine akute Bedrohung für Nintendos Fortbestand darstellte – auch wenn kritische Stimmen das immer wieder behaupteten. Wäre es mit der Switch so weitergegangen, hätte Nintendos Zukunft als eigenständiger Plattformbetreiber durchaus düster ausgesehen. Doch bekanntlich ist es zu einer erneuten Wendung in der bewegten Geschichte des Konzerns gekommen. Die neue Hybridkonsole hat sich allein bis September 2022 über acht Mal so oft verkauft, wie die Wii U in ihrem gesamten Lebenszyklus.

In mancherlei Hinsicht wäre dieser Erfolg ohne den finanziell gescheiterten Vorläufer nicht möglich gewesen. Die Wii U als Prototyp der Switch zu bezeichnen, würde zwar den starken Unterschieden in den jeweiligen Konzepten nicht gerecht werden, doch die Grundidee der Switch führt die von ihrer Vorgängerin eingeschlagene Richtung einer Verschmelzung von Heimkonsole und Handheld konsequent und gelungen zur Vollendung. Indem Nintendo zahlreiche Wii-U-Spiele für die Switch portierte, konnte hier außerdem rasch ein überzeugendes Portfolio an für den Großteil der Spielenden neuen Titeln aufgebaut werden. Mit Ausnahme von „Xenoblade Chronicles X“ haben inzwischen fast alle bedeutenden Exklusivtitel auf der Nachfolgekonsole eine zweite Heimat gefunden.

Was bleibt?

Doch die Switch macht nicht alles besser als ihre Vorgängerin. Sie bietet keine Abwärtskompatibilität, die Verfügbarkeit von Retro-Klassikern reicht nicht an das Virtual-Console-Angebot heran, einen Internet-Browser gibt es bis heute nicht und die Akkulaufzeit unterbietet noch einmal jene des Wii U GamePad. Brandneue Teile von „Mario Kart“, „Zelda“, „Star Fox“ oder „F-Zero“ sind immer noch nicht erschienen. Auch das minimalistische und stille Hauptmenü lässt manche Nintendo-Fans etwas wehmütig an die verspielter und liebevoller gestaltete Wii U zurückdenken. Und das Zwei-Bildschirm-Konzept bleibt unnachahmbar.

Ja, die Wii U ist mehr als eine Fußnote der Nintendo-Geschichte, mehr als der gescheiterte Wii-Nachfolger und erfolglose Switch-Vorläufer. Sie ist eine Konsole mit einzigartigem Konzept und fantastischen First-Party-Spielen, zurückgehalten durch ein Gemengelage aus diversen ungünstigen Entscheidungen und der allgemeinen Marktsituation. Doch der Freude, die sie Spielerinnen und Spielern bereitet hat und teils immer noch bereitet, tut das keinen Abbruch.

Zwei nahe Verwandte: Das Wii U GamePad und die Nintendo Switch im Handheld-Modus.

Die den Diagrammen und dem Text zugrundeliegenden Daten entstammen Nintendos „Investor Relations“-Datenbank.

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Bisher gibt es sieben Kommentare

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  • Avatar von Tobias
    Tobias 29.12.2022, 12:49
    Freut mich, dass es Leute gibt, die die Wii U immer noch zu schätzen wissen! Meine Wii U ist auch nach wie vor noch am Fernseher angeschlossen. Und an Octoling33 Dank für das Lob und schön, dass wir dich jetzt mit Account begrüßen dürfen!
  • Avatar von kraftw33rk
    kraftw33rk 29.12.2022, 10:19
    Ich finde es zu schade, dass die WiiU, die bis auf die Tatsache, dass man den Controller nicht aus dem Raum tragen durfte, schon eine kleine Pre-Switch darstellt, so einen Misserfolg hatte.
    Erstmals echtes HD-Gaming, Multimonitorlösung, einen tollen eShop mit Spielen aus der SNES-Ära und gleich die ganze Wii (und anfangs auch der Gamecube) gleich noch komplett mit in der Hardware verbaut! Für mich war und ist die WiiU auf jeden Fall in den Top3 aller je rausgebrachten Nintendo-Konsolen und ich werde mein "Premium Pack" hier stolu hegen und pflegen.
  • Avatar von Octoling33
    Octoling33 23.12.2022, 14:46
    Da ich als stiller Mitleser ohne Account bisher nicht die Möglichkeit hatte, möchte ich nun die Chance ergreifen und ebenfalls ein ganz großes Lob für diesen Artikel aussprechen.
    Für mich ist und bleibt die WiiU eine tolle Konsole mit großartigem Konzept und viel Liebe zum Detail.
    Ich liebe Splatoon, ich liebte das Miiverse und ich benutze die Konsole auch heute noch regelmäßig.
  • Avatar von Tobias
    Tobias 21.12.2022, 16:44
    Herzlichen Dank für Lob und Dank!
  • Avatar von Brixo125
    Brixo125 21.12.2022, 16:09
    Ich möchte mich auch für diese Artikel-Reihe bedanken.
  • Avatar von K-I-T-N
    K-I-T-N 19.12.2022, 08:46
    Ich möchte die Artikel-Reihe noch einmal ausführlich loben. Im schnelllevigen News- und Testgeschäft ist es ohnehin schon sehr aufwändig immer am Zahn der Zeit zu sein. Specials, Kolumnen, Hintergrundartikel, Interviews... all das fällt dann sehr oft runter, weil man für sowas dann erst Recht keine Zeit hat. Umso toller finde ich es, wenn Redakteure sich dennoch solch einem Projekt widmen. Hat mich wirklich sehr gefreut und mir viel Spaß beim lesen gemacht.

    Ich habe meine Meinung zur wii U ja auch schon in den anderen Teilen der Artikelreihe gepostet.

    Ich liebe das Konzept des Second Screens. Bei DS, 3DS und bei der Wii U. Wenn ich mir anschaue, wie toll die Wii U-Version von Deus Ex Human Revolution ist, bin ich ganz wehmütig darüber, dass dieses tolle Konzept des Second Screen keine Runde gemacht hat und nicht bei allen Heimkonsolen heute Standard ist.
  • Avatar von Marlonius
    Marlonius 18.12.2022, 21:59
    Die Wii U ist für uns nur noch eine reine Couch-coop Konsole. Aber darin ist sie echt unschlagbar. Game & Wario mit Früchtedieb, Montagsmaler und Islands ist für uns das beste Wii U Spiel was man besitzen kann. Dicht gefolgt von Nintendo Land mit Luigi's Mansion, Mario fangen, Animal Crossing Süßigkeitenjagd, Metroid Battlemode und natürlich Zelda Adventure. Und das absolut unterschätzte Wii Party U mit 'Errate die Grimasse', Fingertwister & 'Wie gut kennst du deinen Freund'. Alles richtig geil und das allermeiste geht zu fünft.

    Für den Singleplayer hat die Wii U für mich halt nur noch TP, TWW, Xenoblade X und Yoshi's Wooly World. Alles was es auf Switch oder woanders gibt, habe ich auch lieber auf Switch oder woanders. Die Wii U Gamepad Funktionen finde ich nur bei den beiden Zeldas, ZombiU und den oben genannten Partyspielen gut. Aber da Game & Wario und Nintendo Land niemals in Zukunft auf irgendwas geportet werden, werden wir die Wii U wohl auch für immer behalten.