Es durfte kein Erfolg werden. Eine logischere Erklärung gibt es nicht. Da erscheint ein hochwertiges Wii-Spiel, das die bis dato eher vernachlässigten Vielspieler anspricht und von einem Studio stammt, das Nintendo nur wenige Jahre zuvor für teures Geld gekauft hat, und dann bleibt es zunächst nur in Japan. Anno dazumal waren die westlichen JRPG-Fans natürlich aufgebracht. Irgendwann kam das Spiel zwar auch im Westen auf den Markt, die meisten Fans hatten es sich aber inzwischen über unlautere Wege beschafft. Und auf welche Art und Weise es in Nordamerika erst erschien - in geringer Auflage und exklusiv über GameStop. Heute muss man in den Staaten Höchstpreise berappen, um das Spiel zu erhalten, wobei es doch erst vor zwei Jahren dort erschien. Doch glücklicherweise hat sich das Blatt für „Xenoblade Chronicles“ innerhalb der letzten Zeit drastisch gewendet.
Von Squaresoft über Namco bis nach Nintendo
Tetsuya Takahashi war unzufrieden mit Squaresoft. Der japanische Spielehersteller fokussierte sich für den Geschmack des „Xenogears“-Schöpfers viel zu sehr auf „Final Fantasy“. So verließ er Squaresoft und gründete mithilfe von Namco 1999 das Studio Monolith Soft.
2002 kam das erste Werk von Takahashi und Monolith Soft für die PlayStation 2 auf den Markt. „Xenosaga Episode I: Der Wille zur Macht” ist ein geistiger Nachfolger von „Xenogears”, das zu Squaresoft gehört und daher von Takahashi nicht mehr weiterverwendet werden konnte. In den nächsten Jahren folgten zwei weitere, PlayStation-exklusive „Xenosaga”-Titel, zwei GameCube-exklusive „Baten Kaitos”-Teile sowie kleinere Nebenprojekte.
2007 schließlich kaufte Nintendo das Studio von Namco ab, nachdem der Kult-Konzern zuvor schon anstelle von Namco „Baten Kaitos Origins” auf den Markt gebracht hatte. Seitdem ist Monolith Soft ein First Party-Studio. Es ist eines der wenigen Studios, die Nintendo von anderen Unternehmen abkaufte, und nach Brownie Brown (jetzt 1-UP Studio) bereits das zweite Nintendo-Studio, das von ehemaligen Square-Entwicklern gegründet wurde.
Das erste Projekt für Nintendo
Das erste Spiel, das der Kooperation zwischen Nintendo und dem JRPG-Studio Monolith Soft entsprang, war ausgerechnet kein RPG-, sondern ein Action-Spiel. „Disaster: Day of Crisis” kam 2008 für die Wii heraus. Schon zwei Jahre zuvor war Takahashi, der an diesem Spiel unbeteiligt war, die Idee zu einem RPG gekommen, dessen Spielwelt auf den Körpern von Titanen angesiedelt sein sollte. Nun, da „Disaster” vollendet war, konnte die Ausarbeitung jenes Titels beginnen.
Zwei Jahre später – nach insgesamt vierjähriger Entwicklungsphase – war Takahashis neuestes Epos vollendet. Genauer mit dessen Entwicklung setzten wir uns vor anderthalb Jahren in einem
„Inside Nintendo”-Bericht auseinander.
In Japan ein Erfolg
„Xenoblade” kam als neuester Teil von Takahashis „Xeno”-Spielen im Juni 2010 für die Wii auf den Markt - in Japan. Mit 80.000 Verkäufen konnte es sich dort auf den ersten Platz der Wochencharts katapultieren. Das Spiel, das der Weltöffentlichkeit klamm und heimlich auf der E3 2009 erstmals präsentiert worden war, erzeugte bald internationales Interesse: Ein neues „Xeno”-Spiel exklusiv auf einer Nintendo-Konsole? So riesige Spielwelten auf der Wii?
Was viele gar nicht mehr wissen: Vor „Xenoblade” hatte Monolith Soft einen mehr schlechten als rechten Ruf bei JRPG-Fans. Hintergrund: Ursprünglich als sechsteilige Serie angedacht, zog Namco aufgrund schlechter Verkaufszahlen quasi den Stecker der „Xenosaga”-Reihe. Daher konnte Monolith Soft die Spiele nicht wie gewünscht realisieren. Nicht wenige Serienfans waren daher von den beiden Nachfolgern sehr enttäuscht.
Nach „Xenoblade Chronicles” wandelte sich die öffentliche Reputation des Studios aber deutlich zum Positiven. Doch bis dahin war es für das Spiel noch ein weiter Weg; erst einmal musste sich das Spiel überhaupt beweisen.
Die große Sensation, die Nintendo niemanden sehen ließ
Auf der E3 2009 kündigte Nintendo das Spiel unter dem Titel „Monado: Beginning of The World” an. Und obwohl die Ankündigung eine wahre Sensation hätte sein müssen, ging sie komplett unter neben den ganzen Bomben, die Nintendo 2009 auf der E3 platzen ließ: „New Super Mario Bros. Wii”, „Super Mario Galaxy 2”, „Spirit Tracks”, „Metroid: Other M” und, und, und. Für „Monado” war da kein Platz. Außerdem stellte Nintendo das Spiel nicht einmal während der Bühnenpräsentation vor. Stattdessen lud man klamm und heimlich einen Trailer auf den Presseserver hoch, der noch dazu wenig spektakulär war.
Abseits dessen nannte Nintendo keine Informationen und ließ diejenigen im Dunkeln tappen, die trotz allem vom Spiel erfuhren und daran interessiert waren. Anfang 2010 wurde das Spiel umbenannt in „Xenoblade” und als neuer Teil der berühmten „Xeno”-Saga präsentiert. Und ein weiteres halbes Jahr später erwies sich das Spiel in Japan zu seiner Markteinführung bereits als relativer Erfolg.
In die Versenkung und wieder hinaus
In Japan veröffentlichte Nintendo einige Trailer zu dem Spiel, die dann in die westliche Berichterstattung zum Spiel übergingen. Währenddessen baute sich das Interesse an „Xenoblade” im Westen immer mehr auf, zeigte das Material aus Fernost doch ein vielversprechendes, klassisches Japano-RPG mit einer schier unendlich großen Spielwelt. Und das auf der betagten Wii.
In den nächsten Monaten wurde es jedoch wieder verdächtig still um das Spiel. Nintendo of America und Nintendo of Europe schwiegen beharrlich, was die Fans allmählich dazu bewog, die Hoffnung auf eine Lokalisierung aufzugeben. Im März 2011 folgte dann wie aus dem Nichts die Nachricht, das Spiel werde doch lokalisiert und solle noch im gleichen Jahr in Europa offiziell herauskommen.
Zeit ist Geld
Die Ankunft von „Xenoblade Chronicles” im August wurde von überaus positiver Presseresonanz sowie Spitzenchartplätzen in Deutschland und Großbritannien begleitet. Doch jetzt hatte der amerikanische Markt das Nachsehen: Nintendo of America plante immer noch nicht, das Spiel auch in den USA herauszubringen. Inzwischen hatte sich die Fankampagne Operation Rainfall gebildet, die die Amerika-Veröffentlichung von „Xenoblade Chronicles” und zwei weiteren exklusiven Wii-JRPG forderte, „The Last Story” und „Pandora's Tower”. Doch für diese enthusiastischen Fans hatte Nintendo of America
Mitte 2011 nur folgende Worte übrig:
So fanden die Fans andere Mittel und Wege, um in den Genuss von „Xenoblade” zu kommen: Allein bis Ende 2011 wurde das Spiel eine Million Mal illegal über Filesharing-Plattformen heruntergeladen. Offenbar wollte sich Nintendo diesen Verlust nicht gefallen lassen, denn im Dezember 2011 kündigte man entgegen aller vorherigen Aussagen an, „Xenoblade” doch noch in Amerika zu veröffentlichen.
Grund für diesen Sinneswandel waren offenbar die überzeugenden Verkaufszahlen in Europa. Und doch scheint Nintendo nicht viel dazugelernt zu haben. Gab es schon in Europa Lieferengpässe, war „Xenoblade” in Amerika ab April 2012 nur via GameStop oder direkt bei Nintendo erhältlich. Dass Nintendo zu wenige Exemplare herstellte und das Spiel so bald ausverkauft war, war das Tüpfelchen auf dem I.
Bühne frei für „Xenoblade Chronicles 2“ – pardon, „X”!
Indes werkelte Monolith Soft bereits fleißig an einem neuen Spiel für die Wii U. Die Vorfreude der inzwischen zahlreichen „Xenoblade”-Fans, die den Bekanntheitsgrad jenes Geheimtipps bald so steigerten, dass es gar keiner mehr war, wurde durch Äußerungen Takahashis angefacht, denen zufolge „Xenoblade” bloß eine Vorbereitung für dieses nächste Spiel gewesen sei. Als Nintendo dann am 23. Januar 2013 – weltweit gleichzeitig! – den ersten Trailer vorstellte, waren die Fans hin und weg.
Der Trailer war gut gemacht und stellte die Hauptmerkmale des Titels gut vor: „Xenoblade” in noch größer, in noch atemberaubender, in hochauflösend und mit Mechs. Doch allzu viele Informationen wollte Nintendo wohl noch nicht preisgeben und nannte abseits des Trailers wieder keinerlei Details. Nicht mal einen Namen wollte Nintendo mitteilen; aufgrund eines groß eingeblendeten „X” am Trailerende war das Spiel in der Berichterstattung ab sofort unter diesem Titel bekannt.
Sequel oder nicht, das ist hier die Frage
Anscheinend war das Spiel zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht als „Xenoblade”-Nachfolger geplant gewesen, denn trotz der Ähnlichkeiten in Optik und Konzept hatte Nintendo-Präsident Satoru Iwata noch im September 2013 verlauten lassen, dass das Wii U-Spiel von Monolith Soft ein völlig neues Spiel sei und zu keiner existierenden Reihe gehöre.
In den folgenden Monaten wurde die lechzende Fangemeinde wieder einmal sträflich vernachlässigt. Abgesehen von zwei Trailern zur E3 2013 sowie im Februar 2014 veröffentlichte Nintendo in dieser Zeit absolut keine Informationen zum Spiel. Ein Titel war nach wie vor ungewiss. Zumindest versprach der Konzern, dass das Spiel noch 2014 erscheine. Auch Details zur Handlung waren aus den bisherigen Trailern nicht hervorgegangen.
Auf der E3 2014 ließ Nintendo dann endlich nach anderthalb Jahren die Info-Bombe platzen, zeigte einen Story-Trailer zum Spiel, stellte den Beginn des Titels ausführlich im Treehouse-Stream vor, musste eine Verschiebung auf 2015 mitteilen und präsentierte endlich den finalen Namen. Entgegen der vorherigen Informationen werde das Spiel unter dem Titel „Xenoblade Chronicles X” erscheinen. Es solle jedoch kein direkter, sondern eher ein geistiger Nachfolger werden, daher der ungewöhnliche Titel.
Nintendo hört auf seine Fans! - teilweise
Die Informationslage von „Xenoblade Chronicles X” war also wieder von Anfang an dürftig. Das scheint aber diesmal daran gelegen zu haben, dass die Entwicklung noch nicht weit genug fortgeschritten war. Denn Nintendo zeigte sich bemüht, den Fans weltweit zur gleichen Zeit beeindruckendes Material zu zeigen. Das Unternehmen war sich endlich der „Xenoblade”-Fans bewusst und wollte diese nicht enttäuschen.
Manche Interessenten von „Xenoblade Chronicles X” haben den Vorgänger noch nicht gespielt. Daher wünschten sich die Fans eine HD-Portierung des ersten Teils für die Wii U. Immerhin verfuhr Nintendo ähnlich im Falle von „Bayonetta”, und auch „Donkey Kong Country: Tropical Freeze” war durch die Veröffentlichung einer Portierung des Vorgängers im Vorfeld unterstützt worden.
Im August 2014 kündigte Nintendo zu aller Überraschung tatsächlich eine Portierung von „Xenoblade Chronicles” an. Jedoch folgte der Konzern nicht dem „Bayonetta”-, sondern dem „Donkey Kong”-Beispiel: Das Originalspiel wird auf den 3DS portiert. Genauer gesagt auf den New 3DS, der gleichzeitig enthüllt worden war. Noch genauer gesagt: Nur auf den New 3DS.
Nintendos nächster System-Seller
„Xenoblade Chronicles”, das das Letzte aus der Wii herausgeholt hatte, wäre nie auf dem alten 3DS-Modell lauffähig gewesen. Nur dank der erhöhten Leistung des New 3DS ist diese Mobil-Umsetzung möglich. Damit möchte Nintendo zugleich veranschaulichen, wozu die neue Hardwarerevision fähig ist. Obwohl die New 3DS-Umsetzung erst 2015 erscheint, während die neuen Handhelds in Japan schon seit Monaten erhältlich sind, begreift Nintendo das Spiel als Paradebeispiel für den New 3DS. Das ist ein weiteres Indiz dafür, dass sich Nintendo endlich bewusst ist, wie treu die Fangemeinde von „Xenoblade Chronicles” ist.
Der „Smash Bros.”-Effekt
„Xenoblade” gehört inzwischen also zum Kreis der großen Nintendo-Franchises. Gefestigt hat sich dieser Umstand dadurch, dass die Reihe nun auch im Nintendo-Mega-Crossover „Super Smash Bros.” vertreten ist. In den neuen Teilen für 3DS und Wii U gehört Protagonist Shulk zur großen Riege der spielbaren Kämpfer, außerdem ist eine auf „Xenoblade” basierende Stage enthalten.
Es wäre nicht das erste Mal, dass Nintendo mithilfe von „Super Smash Bros.” eine japanische RPG-Reihe einem großen westlichen Publikum bekannt macht. Bereits mit „Fire Emblem” war dies der Fall. In „Super Smash Bros. Melee” waren mit Marth und Roy nämlich erstmals Figuren aus dieser Serie spielbar. Zur gleichen Zeit erschien „Fire Emblem” erstmals im Westen. „Melee” hat dazu beigetragen, dass die Serie im Westen bekannter wird, und offenbar erhofft sich Nintendo diesen „Smash Bros.”-Effekt nun auch für „Xenoblade”.
Rückblick
So kann's gehen. 2009 in aller Heimlichkeit angekündigt, gehört „Xenoblade” nur fünf Jahre und bislang wahrhaftig nur eine Veröffentlichung später zu Nintendos wichtigsten Reihen. Sie ist in „Super Smash Bros.” vertreten, fungiert gewissermaßen der System-Seller für den New 3DS und ihr zweiter Teil wird sehnsüchtig erwartet. Das alles war, wie wir nachgezeichnet haben, nicht von Nintendo geplant. Stattdessen dürfte Nintendo vom Erfolg seiner neuen Serie überrascht worden sein. Als klassische, große 3D-JRPG-Serie füllt die „Xenoblade”-Reihe jedoch endlich eine der wenigen Lücken in Nintendos Franchise-Repertoire. Und da Nintendo nun stark daran arbeitet, die Popularität der Serie weiter zu erhöhen, dürfte uns der „Xenoblade”-Name noch langfristig erhalten bleiben.
Bisher gibt es zwölf Kommentare
Ansonsten großartiges Spiel und ein toller Bericht
Xenoblade Chronicles ist für mich eines der JRPGs aller Zeiten.
Hoffentlich hält Nintendo an der Reihe fest, denn dieses Genre bzw. Setting gibt es kaum noch auf dem ganzen Markt.
Und gute JRPGs sind auch mehr als nötig! Sowohl auf Nintendo Konsolen als auch auf allen!
F-Zero GX hat sich 650k mal verkauft und es wird als Flop angesehen und mit keinem Nachfolger gewürdigt deswegen... Sehe jetzt nicht das Xenoblade ein Systemseller ist was es ja trotzdem noch werden kann in Zukunft...
Ich freue mich riesig auf Teil 2 und werde mir den New 3DS Port auch noch mal gönnen, da mich brennend interessiert, wie es sich auf nem Handheld spielen lässt und damit die Vorfreude noch mal gesteigert wird.
Ja NOA und seine Probleme mit den 3 Wii Titeln wer vergisst das nicht?
Auch gut das Smash indirekt als Werbemittel für Xeno genutzt wird, auch wenn ich Shulk als eher nicht gelungen einstufe (meine Meinung!!!)