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Mh, ja. Ich glaube, bei so etwas ist die "Harmonieliebe" oft ein Grund .. dass man Reibungen lieder vermeidet und bei unverfänglichen Themen bleibt. Da möchte ich mich auch gar nicht von ausnehmen, ich bin auch nicht immer auf Auseinandersetzungen und Diskussionen erpicht und spare sie zu Gunsten der (Schein?)Harmonie aus. In deinem Fall könnte ich mir aber auch vorstellen, dass deine Gesprächspartner vielleicht (unbewusst) befürchten, dass sie in einer Diskussion über Politik mit dir nicht mithalten können, da du ja sehr involviert bist und dich deswegen auskennst, und sie daher wenig Chance auf Erfolg sehen.
Wobei hier vielleicht auch der Fehler liegt: Eine (politische) Diskussion muss doch nicht die Harmonie zerstören. Und vor allem geht es nicht ums Erfolgreich sein. Ich für meinen Teil finde es einfach hochinteressant die Meinung von anderen Menschen zu hören. Andererseits "teste" ich gerne meine Argumente, um zu sehen wie überzeugend sie sind. Und viel wichtiger: Meinungen entwickeln sich nur, wenn man darüber spricht. So vermeidet man auch, dass man in seiner Blase stecken bleibt.

Erfolg würde ich höchstens so definieren: Wenn am Ende beide Seiten etwas dazugelernt haben. Ziel ist sicherlich nicht, dass ich einen Konservativen zum Gesellschaftsliberalen "umpole". Die unterschiedlichen Standpunkte auszutauschen scheint mir aber wichtig, damit man auch die "Gegenseite" besser verstehen kann. Am Ende sitzt man immerhin im selben Boot, man kann und sollte niemals andere Standpunkte komplett ausblenden. Das passiert jedoch, wenn man nicht miteinander spricht.

Hierzu hat übrigens die Zeit im letzten Jahr ein sehr interessantes Projekt durchgeführt. Da sind teilweise auch wirklich tolle Artikel rausgekommen. Über Leute, die "auf dem Papier" eigentlich weit auseinander gelegen haben, aber dann merkten, dass sie gewisse Ziele und Ansichten trotzdem teilen. Soweit ich weiß sind sich wenige (oder sogar überhaupt niemand) an die Gurgel gegangen.

Ich für meinen Teil muss sowieso sagen, dass mir Meinungsaustausch einfach großen Spaß macht. So viel, dass ich manchmal auch einfach versuche eine andere Position einzunehmen, als ich eigentlich vertrete - einfach ums interessant zu machen. Zudem gibts meiner Erfahrung nach wirklich viele Menschen, die wirklich schlaue Dinge zu sagen haben. Vielleicht nicht zu jedem Thema, ich bin auch nicht überall Experte. Aber manch einer offenbart mit ein wenig Anstoß teilweise Fachwissen zu gewissen Dingen, da geht mir das Herz auf.

Aber ich schweife ab. Ja, du hast wahrscheinlich schon recht, oftmals ist das vielleicht eine gewisse Barriere. Mir ist es immer ein großes Anliegen, dass man solche Diskussionen eben positiv sieht. Und, dass man es eben als Bereicherung zur Meinungsbildung sieht. Am Ende muss man sich nicht mal einig sein, nur von Leuten mit gleicher Meinung umgeben zu sein ist eh langweilig. Wenn man halbwegs respektvoll miteinander umgeht, dann sollte das auch nicht die Harmonie zerstören. Ist ja nicht so, dass man den Fußballverein des jeweils Anderen doof findet - das wäre wirklich schlimm.


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Ich fände eine Stellungnahme deinerseits (oder wer auch immer sonst etwas dazu sagen möchte) zu folgender Argumentationsweise spannend: "Eine große Koalition ist ein Verbund der (beiden) meistgewählten Parteien, somit vertritt sie idealiter die meisten Wähler. Zwar würden die Parteien einzeln womöglich mehr von ihrem eigenen Programm umsetzen können, doch damit die Interessen eines kleineren Anteils an Wählern vertreten. Ein Kompromiss in Form einer Zusammenarbeit der größten Parteien ist zudem, da die Stimmenanteile gemäß dem System für ein alleiniges Regieren nicht ausreichen, im Sinne einer Demokratie."
In der Theorie klingt das total romantisch. In der Praxis ist es das eben nicht.

Natürlich ist es wunderbar, wenn man im besten Fall 70% der Wähler repräsentiert (dieses Mal ist es eher ne sehr kleine Groko). Das heißt, dass am Ende auch so viele Menschen zufrieden sein könnten. Aber ist das wirklich so? Ist es nicht eher so, dass in solchen Fällen die Kompromisse oft sehr halbgar werden? Keiner möchte seine Wähler enttäuschen, keiner kann sich leisten das Gesicht zu verlieren. Dann nimmt man ein wenig hiervon, ein wenig davon und mischt irgendwas zusammen. Plötzlich hat man viel, aber nicht das, was man eigentlich wollte. Und keiner ist wirklich zufrieden.

Hier kommt dann schon das nächste Problem: der Profilverlust. Man kann ja jetzt schlecht sagen "das fanden wir eigentlich nicht so toll", wenn man selbst an der Entscheidung beteiligt gewesen ist. Ich habe ja schon erwähnt, dass das gerade für die SPD ein großes Problem ist und war. Sondern man muss diese halbgaren Sachen auch noch als Erfolg an die Wähler verkaufen. Damit steigt meiner Meinung nach eben auch das Risiko, dass sich viele Menschen fragen, was eigentlich die Unterschiede zwischen den beiden großen, kooperierenden Parteien sind. Und im Falle von Frustration wenden sie sich ab - an die Ränder, die Besserung versprechen. Die Ränder, die versprechen, dass sie wirklich eine Alternative zum "Einheitsbrei" bieten.

Dabei muss es gar nicht sein, dass man aus Überzeugung die wählt, die sich als vermeintliche Alternativen auftun. Aber was bleibt einem anderes übrig? Unsere Demokratie funktioniert auch, weil es eine gewisse (und gesunde) Konkurrenzsituation gibt. Eine Konkurrenz zwischen den Parteien, die Lösungen erarbeiten. Parteien, die versuchen den Menschen die beste Lösung zu bieten. Sobald sich diese Vorschläge aber nicht mehr richtig unterscheiden (oder den Menschen die Unterschiede nicht mehr klar sind), verlieren die Parteien aber auch ihre Existenzberechtigung (sprich, man könnte sie auch zusammenlegen).

Gerade die Zusammensetzung unseres Bundestages und unserer Bundesregierung erlaubt es bei einer Groko eben nicht, dass man sich groß voneinander abhebt. Gerade, weil beispielsweise Union und SPD für sich beanspruchen, dass sie auf allen Gebieten ihre Kompetenzen haben und agieren. Da ist die Kombination aus großer Partei und kleiner Partei wesentlich idealer. Siehe zum Beispiel die Grünen in ihrer "Urform": Die Umweltpolitik als Kern, dazu vielleicht noch den Bereich Landwirtschaft und was Soziales. Das kann man ihnen als große Partei locker überlassen und niemand verliert dabei sein Profil. Und jetzt sind die Grünen noch recht jung, mit der FDP als "Mehrheitsbeschafferin" hat das über Jahrzehnte hinweg auch wunderbar geklappt. So eine kleine Partei kann mit egal welcher der großen Parteien regieren und trotzdem läuft niemand in die Gefahr, seine Kernkompetenzen und Prinzipien zu stark zu verwässern.

Hier fällt mir übrigens auch etwas ein, das ein Bekannter mir vor der BTW gesagt hat. Er wusste nicht wirklich, was er wählen sollte, da ihn keine Partei vollends überzeugen konnte. Er hätte lieber nach Kompetenzen gewählt: Liberale Gesellschaftspolitik und die digitale Fortschrittlichkeit der FDP, die soziale Ader der SPD, den Umweltschutz der Grünen und die Wirtschaftspolitik der Union. Natürlich könnte man jetzt sagen: Naja, mit einer Groko würde er da auch viel bekommen. Nur da kam eben auch das Argument, das ich bereits geäußert hatte: In einer Groko wird dann die Sozialpolitik der SPD beschnitten, weil die Union das nicht all ihren Wählern verkaufen kann. Und wirtschaftspolitisch muss sich die Union zurückhalten, weil die SPD natürlich die Interessen von Gewerkschaften und Arbeitnehmern nicht außer Acht lassen kann. Und am Ende hast eben nur den kleinsten gemeinsamen Nenner.

Aber ich glaube jetzt fange ich bald an mich zu wiederholen. Ich denke im Kern sollte klar sein, was ich meine. In der Theorie ist es schön, dass der größtmögliche Teil der Wählerschaft direkt in der Bundesregierung repräsentiert wird. Aber in der Praxis ist das Risiko einfach zu hoch und zu real, dass durch halbgare Kompromisse niemand so wirklich zum Zug kommt und sich die Unzufriedenheit ausbreitet. Darum ist so eine Groko für mich eben nur eine Notlösung, wenn es gar nicht anders geht. Und diese Notlösung wiederholt sich zuletzt einfach zu oft.

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Die schwarze Null ist nun mal ein zweischneidiges Schwert: Sich nicht neu zu verschulden ist etwas Positives v. a. angesichts der bereits bestehenden Schulden, aber die schwarze Null bedeutet eben auch, dass an vielen Dingen gespart wird. Da müssten schon äußerst glückliche Investitionen getätigt werden, damit sich das im Finanzhaushalt wieder ausgleicht. Ich sag nicht, dass ich das nicht für möglich halte, und ich sage auch nicht, dass ich Sparen besser finde als Investieren; ich möchte eigentlich lediglich sagen, dass ich das nicht für ein hausgemachtes CDU-Problem halte.
Über die volkswirtschaftliche Bedeutung von Staatsschulden kann man sich ja grundsätzlich sehr gut streiten. Mein Wissen ist da aber noch sehr ausbaufähig, darum geh ich gar nicht so stark darauf ein (da ist aber auch viel Glauben dabei). Ich bin da grob gesagt aber ein Verfechter von gesundem Augenmaß: Man muss das Geld nicht verbrennen, aber ich halte es auch für wenig intuitiv in wirtschaftlich guten Zeiten teilweise wichtige Investitionen zu verschleppen. Wenn das jetzt nicht geschieht, dann kann man das in weniger guten Zeiten (und die werden kommen), wohl auch nicht machen. Und dann ist man schnell in einem gefährlichen Kreislauf: Alte Infrastruktur lockt niemanden an, Investitionen kann man sich nicht leisten, Infrastruktur verfällt weiter, ...

Darum wie gesagt: Maß und Ziel. Einen guten Weg zu finden ist hier sicher schwer. Ein ausgeglichener Haushalt sollte immer angepeilt werden. Sich in seiner Handlungsfreiheit zu beschneiden, weil man das als Absolutismus ansieht, das halte ich aber für gefährlich.

Jetzt haben wir wieder viele Themen angeschnitten, der Beitrag ist länger geworden als ich wollte. Nur so viel noch, ein eher zusammenhangloser Einblick in mein Seelenleben: Ich denke viel darüber nach, was im Falle einer Groko passieren könnte. Oder bei einer Ablehnung. Es ist schwierig, da sich viele Dinge gegenüberstehen. Überzeugung, Vernunft, Unabwegbarkeiten - alles zu Überblicken ist schwierig. Natürlich wissen alle Mitleser hier ziemlich genau, was ich selbst wohl ankreuzen werde. Aus Überzeugung. Das soll aber nicht bedeuten, dass das eine einfache Entscheidung ist. Ähnlich gings mir übrigens bei der Bundestagswahl, da habe ich lange überlegt.

Die Freiheit der Demokratie bringt immer auch eine gewisse Last mit sich, die Last der Entscheidung. Ich finde das schön und anstregend zugleich. Aber irgendwie ist das auch immer ein Antrieb selbst aktiv zu sein, zu gestalten. Selbst im kleinen Mitzuwirken, das macht am Ende die Entscheidung ein wenig einfacher, da alles ein wenig klarer wird. Die Zusammenhänge und all das. Zumindest glaubt man das. Es ist zumindest schön diese Demokratie zu haben. Das sollte mehr wertgeschätzt werden. Wir können mehr bewegen als wir glauben, aber vielleicht weniger als wir wollen. Aber wir haben die Chance.