Nintendo-Online LogoNintendo-Online.de
AccountSuchen
Placeholder image
reviews

EarthBound Beginnings (eShop)

von

Dr. Tobias Schmitz

Nintendo hört also doch auf seine Fans. Manchmal dauert es bloß etwas länger. Geduld ist also von Nöten – doch die zahlt sich freilich irgendwann aus. Wenn auch erst nach einem Vierteljahrhundert. Solange hat Nintendo nämlich Fans japanischer Rollenspiele auf die westliche Veröffentlichung von Mother“ warten lassen. 1989 in Japan für das Famicom erschienen, wurde das Spiel vollständig für die westliche Welt übersetzt und lokalisiert – ist dort aber trotzdem nie veröffentlicht worden. Nachdem die offizielle westliche Version des Spiels jahrelang als „EarthBound Zero“ im Netz kursierte, hat Nintendo sie jetzt – endlich! – offiziell im Wii U-eShop veröffentlicht. 25 Jahre – hat sich jene exorbitante Wartezeit wenigstens gelohnt?

Image 69743

Eine EarthBound-Beta?

Wie beschreibt man „EarthBound Beginnings“ jemandem, der bereits mit dem Nachfolger „EarthBound“ vertraut ist? Nun, es wirkt wie eine Beta-Version des SNES-Klassikers, herunterportiert auf eine 8-Bit-Konsole. Viele Konzepte und Themen stimmen in beiden Spielen 1:1 überein, nur dass der SNES-Teil alles besser macht. Kein Wunder, „EarthBound Beginnings“ holt das Letzte aus dem NES raus, aber viel ist da eben nicht rauszuholen.

Klon? Nein, Parodie!

Und wie soll man das Spiel jenen erklären, die mit „EarthBound“ gar nichts anfangen können? Es ist ein typisches 8-Bit-Rollenspiel der 1980er Jahre und orientiert sich stark an „Dragon Quest“. Es ist jedoch kein bloßer Klon, sondern bringt auch Alleinstellungsmerkmale mit sich: Das einzigartige Skript des bekannten japanischen Autoren Shigesato Itoi, eine in unserer Welt und im Jahre 1980 angesiedelte Spielwelt sowie einige unkonventionelle Gameplay-Ideen. Manche bezeichnen die „EarthBound“-Spiele nicht umsonst als Parodie gewöhnlicher, bierernster Rollenspiele.

Image 69737

Der Kampfbildschirm ist ein ein Meisterwerk in Sachen Attraktivität und Design – oder eher nicht. Oh, und auch wenn wir unsere Spielfigur „Ness“ genannt haben, heißt sie tatsächlich „Ninten“. Nur, damit ihr nicht denselben Fehler macht!

Paranormale Aktivitäten

In der Rolle des Jungen Ninten erkunden wir also die Spielwelt, bekämpfen böse Krähen, beleidigende Hippies und außer Kontrolle geratene Autos und freunden uns im Verlauf mit anderen Kindern an. Typisch für frühe RPGs: Nervige Zufallskämpfe, die dem Spieler mitunter die Nerven rauben, ein hoher und von Beginn an gnadenloser Schwierigkeitsgrad, der viel Aufleveln erfordert, und ein umständliches wie träge reagierendes Menü-System, das selbst das Interagieren mit Personen und der Spielwelt zu einer kleinen Tortur macht. Das Kampfsystem indes ist für einen großen Teil des Spielverlaufs zu simpel und langatmig; die Autokampf-Funktion kann da auch nicht viel gegen Langeweile ausrichten. Die Speicherpunkt-Funktion der Wii U kann hier oft sehr praktisch sein.

Ninten ist natürlich trotz des an unsere Welt angelehnten Abenteuers kein normales Kind und verfügt über besondere psychische Kräfte. Psychische Attacken, die spezielle Psy-Punkte beanspruchen, sind quasi das „EarthBound“-Äquivalent von Angriffs-, Heilungs- und Statuswert-Zaubern.

Die Welt von „EarthBound Beginnings“ wird von bedrohlichen Ereignissen geplagt – Menschen verschwinden, Tiere spielen verrückt, Zombies tauchen auf – und Ninten kann als einziger etwas dagegen ausrichten. Vom Plot des Titels bekommt man während des Spielens irgendwie wenig mit. Erst im Nachhinein wird dem Spieler die gesamte Handlung klar – und dann hat es diese, im Gegensatz zu vielen anderen 8-Bit-Spielen, durchaus in sich und regt zum Nachdenken an.

Magische Momente trotz Frustpotenzial

Suboptimal: Wenn man eine wichtige Stelle übersieht, kommt man nicht weiter, und findet dann nicht so schnell heraus, was als nächstes zu tun ist. Das liegt nicht zuletzt am verwirrenden Design der Spielwelt mit vielen unnötigen Ausschweifungen, wie Städten voller nicht betretbarer Häuser. Der rote Faden, der sich durch den Spielverlauf ziehen soll, ist oft nur rudimentär vorhanden. Darum ist es auch für geübte Spieler keine Schande, ab und an auf die Hilfe einer Komplettlösung angewiesen zu sein.

Genial ist dafür das stets humorvolle und gut geschriebene Skript, dank dem wir vielen schrägen Gestalten begegnen, kuriose Orte besuchen und denkwürdige Situationen erleben. All dies bleibt einem lange in Erinnerung. In Erinnerung bleiben – das ist überhaupt ein gutes Stichwort für „EarthBound Beginnings“, denn trotz vieler kleiner Mängel und einiger Frustmomente wird der geduldige Spieler diesen Titel nicht so schnell vergessen.

Image 69738

Durchwachsene Technik mit genialer Musik

Die Steuerung hat viele Macken. Wie schon erwähnt ist die Menüführung träge, und träge ist irgendwie auch die Steuerung der Spielfigur. Mit der B-Taste können die Figuren zwar rennen, sind dann aber häufig zu schnell zum punktgenauen Manövrieren. Einen sich bewegenden NPC anzusprechen, kann manchmal zur Qual werden. Aber auch hier gilt: Diese Macken sind dem Alter des Spiels und der schwachen Technik des NES verschuldet.

Apropos schwache Technik – grafisch holt „EarthBound Beginnings“ wohl das Maximum aus dem NES raus und sieht für 8-Bit-Verhältnisse auch ganz nett aus, wenn man einige wenig gelungene Sprites ignoriert. Allerdings ist der Kampfbildschirm selbst für das NES so langweilig und trist wie nur möglich gestaltet worden. Überhaupt nicht langweilig und trist fällt der Soundtrack des Spiels aus, geschrieben vom bekannten Nintendo-Komponisten Hirokazu Tanaka und von Keiichi Suzuki. Er ist relativ umfangreich und abwechslungsreich wie atmosphärisch; die eingängigen Tracks sind technisch mitunter echt beeindruckende Kompositionen!

Schockierend: Rechtschreib-Fauxpas und Zensur-Zäsuren!

„EarthBound Beginnings” entspricht exakt der lokalisierten Fassung des Spiels, die Nintendo 1990 fertiggestellt hat und die als „EarthBound Zero” geleakt wurde. Von der japanischen Erstfassung „Mother” unterscheidet sie sich durch leichte Änderungen im Spieldesign, etwa der Ergänzung der Renn-Funktion, sowie durch unbedeutende Zensuren – die Krähen rauchen jetzt etwa nicht mehr, schockierend! Die Qualitätssicherung-Phase scheinen die Spieltexte übrigens nicht durchgelaufen zu sein, wie einige sprachliche Fehler sowie unlogische Antwortmöglichkeiten bezeugen.

Image 69741

Unsere Wertung

0/10

Fazit

EarthBound Beginnings” ist mit seinem unkonventionellen und witzigen Skript ein bleibendes Erlebnis. Die vielen Mängel – hakelige Steuerung, krudes Kampfsystem, bisweilen unfairer Schwierigkeitsgrad, Schwächen im Spieldesign – sind hauptsächlich dem Alter des Spiels zu verschulden und entsprechend zu tolerieren. Dennoch ist und bleibt der Nachfolger „EarthBound” in sämtlichen Punkten – ausgenommen der Musik – das bessere Spiel. „Beginnings” kann somit nur „EarthBound”-Fans empfohlen werden sowie Spielern mit einem Faible für 8-Bit-Rollenspiele.

Werbung