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Harvest Moon: Geschichten zweier Städte

von

Gregor Thomanek

Es ist eine schnelllebige Zeit, in der wir leben. Wir hetzen von einem Termin zum nächsten, immer darauf bedacht, unseren Kalender nicht durch Unpünktlichkeit zum endgültigen Überlaufen zu bringen. Oft fehlt uns die Möglichkeit, einen Moment innezuhalten und die Schönheit der Natur zu genießen. Es ist also kein Zufall, dass sich die Harvest Moon“-Serie zunehmender Beliebtheit erfreut, richtet sie sich doch an ein Grundbedürfnis in allen von uns und stellt ganz nebenbei eine willkommene Abwechslung zum Action-Einerlei der Videospielindustrie dar. Diese Erkenntnis ging auch am Publisher Natsume nicht vorbei, die in den letzten Jahren Quantität vor Qualität stellten. Kann der erste Ausflug der Bauernhof-Simulation auf Nintendos Jüngsten an der ungeliebten Tradition etwas ändern?

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Ein neues Abenteuer! Oder etwa nicht?

Es ist kein guter Stern, unter dem „Harvest Moon“ auf dem Nintendo 3DS steht. Anstatt den zahlenden Kunden nämlich ein brandneues, eigens für den 3D-Handheld entwickeltes Spiel zu präsentieren, tischt man ihnen in der Hoffnung auf das schnelle Geld eine minimal aufgebohrte Version der Nintendo DS-Fassung auf. Kein Problem, möchte man meinen, wenn der Titel um zahlreiche Bonusinhalte ausgebaut wurde. Um den vergeblichen Hoffnungsschimmer jedoch gleich vorwegzunehmen: das ist nicht der Fall.

Zwei Städte, eine Entscheidung und jede Menge Arbeit

Wahlweise als junger Bursche oder keckes Mädel macht man sich mit Sack und Pack auf den Weg, um sich den Wunsch vom eigenen Bauernhof zu erfüllen. Nach einem glimpflichen Unfall zu Pferde wird man von den Bürgermeistern der zwei benachbarten Städte begrüßt: Bluebell und Konohana. Ersteres zeichnet sich durch die fortgeschrittene Viehzucht und das rustikale Stadtbild aus, während das gemütliche Fleckchen im Osten gesteigerten Wert auf landwirtschaftliche Aspekte legt. Diese Naturverbundenheit spiegelt sich zudem im Erscheinungsbild wider, das Züge der traditionellen japanischen Architektur aufweist.

Selbstredend kann nur ein Ort der neue Hort des eigenes Glücks werden. Grundlegende Auswirkungen hat die Entscheidung über die Heimat jedoch nicht. Zwar trifft man hier wie dort auf unterschiedliche Personen, doch der Spielverlauf gleicht sich mit zunehmender Spieldauer immer weiter an. Sollte die Eingangs getroffene Entscheidung dennoch bereut werden, gewährt „Geschichte zweier Städte“ häufig die Möglichkeit des Umzugs in die andere Stadt.

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Meine Kuh, meine Kartoffeln, mein Bauernhof

Ist das neue Heim bezogen, wartet sogleich ein riesiger, nie enden wollender Berg Arbeit auf den frischgebackenen Gutsbesitzer. Gras muss gemäht, Pflanzen gegossen, Tiere gefüttert und soziale Kontakte zu den hilfsbereiten Nachbarn gepflegt werden. Anstatt den Spieler jedoch unvorbereitet ins grüne Chaos zu werfen, offenbart „Harvest Moon“ seine Vielseitigkeit erst nach und nach, sodass man sich zu keinem Zeitpunkt überfordert fühlt.

Leider haben es die Entwickler hier etwas zu gut gemeint. Die anfänglichen Samthandschuhe resultieren bereits nach wenigen Spieltagen in einer chronischen Unterforderung, die sowohl Serien-Veteranen als auch -Neulinge verspüren. Hat man erst einmal die eigene Stadt sowie das Umland und den Nachbarort erkundet, ist schnell die Luft raus.

Hilfst du mir, helf' ich dir

Einen Zeitvertreib, der nicht nur dabei hilft, den drögen Start zu überwinden, findet man darin, die Aufträge anderer Bewohner am schwarzen Brett anzunehmen. „Finde drei Steine.“ „Bring mir den-und-den Fisch.“ „Bring Person X dieses Objekt.“ Klingt wenig spannend? So sieht die 08/15-Aufgabe aber leider aus. Das wiegt umso fataler, als dass auch die Belohnungen kaum der Rede wert sind. Wirklich lohnenswert sind lediglich Spezialaufträge, die farblich hervorgehoben sind und nach deren Abschluss ein besonderes Item winkt. Nur so erhält man beispielsweise ein Radio oder einen unabdingbaren Hammer. Weil dieser aber eben unverzichtbar ist, stellt sich „Geschichte zweier Städte“ gewissermaßen selbst ein Bein, indem es die Aufgabe nach Nichtbestehen bereits nach kurzer Zeit erneut verfügbar macht. Diese Inkonsequenz nimmt dem in der Theorie vielversprechende schwarzen Brett schnell einiges an Faszination.

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Wer den Spielspaß suchet, der findet

Hat Natsume also das nächste halbgare Auskopplung ihrer Erfolgsreihe aus reiner Profitgier in die Regale gestellt? Mitnichten, denn trotz aller Kritikpunkte, lässt sich „Geschichten zweier Städte“ ein enormes Langzeitvergnügen nicht absprechen. Ganz wie ein echter Landwirt gilt es, sich vor allem in einer Tugend zu üben: Geduld. Erst nach und nach erschließen sich die vielen Facetten, die für langanhaltenden Spielspaß sorgen. „Harvest Moon“ macht es dem Spieler die ersten Stunden nicht leicht und muss wie eine Zwiebel Schicht für Schicht abgetragen werden.

Sind erst einmal einige Aufgabe am schwarzen Brett erfüllt, steigt nicht nur das Level des Alter Ego, sondern zugleich auch das Niveau der gestellten Aufträge. Die Scheune füllt sich mit allerhand Nutztieren, der Bauernhof wird vergrößert und schlussendlich gilt es natürlich, den richtigen Partner für das gemeinsame Glück zu finden.

Technik

Während DS-Besitzer die uninspirierte Technik ihres Moduls noch verschmerzen können, fallen 3DS-Spieler aus allen Wolken, wenn sie ihr Ticket in die Natur lösen. Bis auf einen geradezu lächerlichen 3D-Effekt, der einige Objekte merkwürdig schweben lässt anstatt eine räumliche Tiefe zu suggerieren, gleichen sich beide Versionen optisch wie ein Ei dem anderen. Unterschiede müssen sprichwörtlich mit der Lupe gesucht werden. Zwar passt die kunterbunte Bonbon-Optik zur allgemeinen Kulisse, doch auch die hat man so bereits in verschiedenen Vorgängern geboten bekommen. Die minimalistischen Dudeleien komplettieren das äußerst schwache technische Gesamtbild und lassen den ersten 3DS-Ausflug in einem schlechten Licht dastehen.

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Unsere Wertung

0/10

Fazit

Harvest Moon: Geschichten zweier Städte“ wurde ausschließlich dem betagten Nintendo DS auf den Leib geschneidert und anschließend ohne großen Aufwand auf den großen Bruder portiert. Das macht die schweißtreibende Arbeit zwar nicht weniger spaßig, lässt aber unweigerlich sämtliche „Geldmacherei“-Alarmglocken schrillen. Bis auf eine vernachlässigbare StreetPass-Unterstützung und einen unterirdischen 3D-Effekt schiebt man dasselbe Spiel in den Modulschacht. Unterm Strich bleibt damit ein durchschnittliches „Harvest Moon“, das es wieder einmal verpasst, der Serie die dringend benötigten neuen Impulse auf den Weg zu geben, gleichzeitig aber durch alte Stärken glänzen kann.

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