Jahrelang haben wir uns gefragt, wie Nintendo den riesigen Erfolg von Mario Kart 8 Deluxe“ übertreffen möchte – dem meistverkauften Spiel für die Nintendo Switch. Zehn Jahre nach Release funktioniert der Fun-Racer noch wie an Tag eins und liefert Jung und Alt gewohnten Spielspaß ohne Einstiegshürden. Mit dem neuesten Teil „Mario Kart World“ stellte sich die Frage: Wie will Nintendo die Kultreihe neu erfinden, ohne die bewährte Erfolgsformel zu riskieren?
Mario Kart around the World
Mit einer zusammenhängenden, offenen Spielwelt und mehr Freiheiten auf der Rennstrecke möchte Nintendo die Antwort gefunden haben – und sorgt damit für grundlegende Veränderungen. Aber der Reihe nach: In „Mario Kart World“ befinden sich alle Rennstrecken in einer großen, zusammenhängenden Spielwelt. Die Rennstrecken sind durch ein großes Straßennetz miteinander verbunden. Im klassischen „Grand Prix“-Modus fahrt ihr weiterhin vier Rennen. Diese finden aber nicht mehr ausschließlich auf geschlossenen Strecken statt. Der „Pilz-Cup“ zum Beispiel beginnt mit einem Drei-Runden-Rennen über die „Mario Bros.“-Piste. Das nächste Rennen führt euch dann über einen Highway, an dessen Ende ihr über die Rennstrecke „Kronenmetropole“ fahrt.
Ausgehend von früheren „Mario Kart“-Spielen ist dies zumindest gewöhnungsbedürftig, da die Rennstrecken kürzer treten und die Verbindungsstrecken einen Großteil der Rennen einnehmen. Andererseits entstehen tolle Momente, wie wenn die „?-Block-Ruinen“ aus einem Wolkenmeer am Horizont auftauchen. Ein derart dramaturgisches Streckendesign wäre mit dem alten Runden-Konzept nicht möglich gewesen.

Ein Straßennetz, über 200 Rennstrecken
Im „Versus-Rennen“ und somit auch im Online-Modus verhält es sich anders. Hier kann jede Strecke gezielt angewählt werden, wodurch die Überfahrt zur Strecke entfällt. Ihr bekommt dann von der angesprochenen „Kronen-Metropole“ Abschnitte zu sehen, die ihr im „Grand Prix“ nicht fahrt. Genauso könnt ihr die Strecke von der „Mario Bros.“-Piste zur „Kronenmetropole“ auswählen oder von einer anderen nahegelegenen Strecke. Dadurch ergeben sich aus dem Straßennetz über 200 verschiedene Rennstrecken, die sich aus den Zwischenwegen der Pisten zusammensetzen.
Damit übertrifft „Mario Kart World“ die 96 Rennstrecken aus „Mario Kart 8 Deluxe“ und der Erweiterung „Booster-Streckenpass“. Der Vergleich hinkt insofern, da jede Strecke in „Mario Kart 8 Deluxe“ einzigartig ist, während ihr in „Mario Kart World“ häufig gleiche Abschnitte entlangfahrt. Aufgrund der zahlreichen Varianten hat man oft das Gefühl, neue Strecken zu fahren, erkennt dann aber bekannte Abschnitte. Obwohl die Verbindungsstrecken sich häufig ähneln, entsteht Abwechslung. Dafür fällt es schwerer, sich die Strecken einzuprägen.
Chaos – im besten Sinne
Es braucht nicht viel, um zu verstehen, warum „Mario Kart World“ auf die stärkere Leistung der Nintendo Switch 2 angewiesen ist. Denn während der Rennen passiert allerhand: Ihr geratet in den Gegenverkehr, werdet von Gumbas und anderen Gegnern angegriffen, trefft in der Savanne auf eine Horde Elefanten oder werdet hinter einem Baum von einem anrasenden T-Rex überrascht. Und statt bislang zwölf Fahrer:innen treten jetzt 24 in den Rennen gegeneinander an. „Mario Kart World“ ist dadurch deutlich chaotischer als „Mario Kart 8“ – im besten Sinne. Damit das funktioniert, erfordert es größere Veränderungen.
Zum einen sind die Strecken deutlich breiter und weitläufiger, damit genügend Platz zum Ausweichen bleibt. Obwohl die Strecken dadurch weniger klare Straßenführung haben, passiert es selten, dass man sich verfährt und in eine Absperrung gerät. Außerdem wurden die Items abgeschwächt und greifen weniger stark ins Rennen ein. Werdet ihr zum Beispiel vom Blitz geschrumpft, verfliegt der Effekt viel schneller als früher. Wenn ihr von einem vorbeilassenden Kugel-Willi getroffen werdet, geratet ihr kurz ins Schleudern und fahrt weiter, anstatt auf null ausgebremst zu werden. Dasselbe gilt für neue Items wie die „Eisblume“ und für Rückkehrer wie den „Megapilz“. Durch die abgeschwächten Items bleibt das Fahrerfeld enger beieinander. Selbst wenn wir weit abgeschlagen waren, konnten wir den Ausgang eines Rennens noch wenden – fluchen jedoch weiterhin über jeden blauen Panzer kurz vor der Ziellinie.

Mit dem Powersprung zu neuen Höhen
Mit dem neuen Powersprung eröffnen sich auf den Strecken neue Möglichkeiten. Der Powersprung kann jederzeit eingesetzt werden, muss aber zunächst aufgeladen werden. Dank des Sprungs erreicht man höhere Ebenen oder kann an Wänden fahren. Damit einhergehend sind die Strecken vertikaler gestaltet, und einzelne Abschnitte bestehen aus unterschiedlichen Ebenen. Da sich die Sprünge miteinander verbinden lassen, ergeben sich beim Experimentieren vielfältige Abkürzungen.
Schaut man sich die Weltrekorde im Zeitfahren an, bekommt man schnell ein Gefühl dafür, was möglich ist und künftig möglich sein wird. Nintendo scheint aber ein gutes Gleichgewicht gefunden zu haben, sodass man weiterhin ohne Sprünge und Tricks auskommt. Dadurch bleibt „Mario Kart World“ zugänglich und benötigt keine ausufernden Erklärungen und Hinweise. Wer sich aber tiefer ins Spiel einarbeiten will, bekommt mit dem Powersprung eine Tür zu einer unüberschaubaren Bandbreite an Möglichkeiten geöffnet. Während die Anti-Gravitation aus „Mario Kart 8“ keine Rolle mehr spielt, ist es schwer vorstellbar, dass der Powersprung in zukünftigen „Mario Kart“-Spielen wieder verschwinden wird.
Ungleiche Kleiderwahl
Ähnlich umfangreich wie die Streckenauswahl ist die Anzahl der Charaktere. Zur Auswahl stehen 50 spielbare Fahrer:innen, zu denen 26 NPCs zählen. Im Vorfeld hatte sich die Kuh – ihr größter Auftritt bis dato war die Strecke „Kuh-Muh-Weide“ – zum heimlichen Star entwickelt. Skurrile Randfiguren wie die Krabbe, Cheep-Cheep, Pinguin oder Spukmatz erweitern das Fahrerfeld gleichermaßen. Umso enttäuschter waren wir, als wir feststellten, dass die NPCs keine freispielbaren Kostüme haben. Auf den Strecken sind Drive-ins verteilt, die Menüs mit passenden, lokalen Delikatessen verteilen. Setzt ihr eines der Items mit den Hauptcharakteren ein, bekommt ihr einen kurzen Geschwindigkeitsboost und wechselt das Outfit. Mario trägt dann ein lässiges Strandoutfit, Toad wird mit Burger-Kopfschmuck zum Leckerbissen und Wario zur wild gewordenen Wespe. Aber nicht nur die NPCs werden stiefmütterlich behandelt. Während Mario auf zehn Kostüme kommt, müssen sich Donkey-Kong-Fans mit einem Wechseloutfit zufriedengeben. Es ist schön, dass lang nicht beachtete Figuren endlich ihren großen Auftritt bekommen. Wir wollen uns aber für mehr Gleichberechtigung starkmachen!

Sightseeing in der Mario Kart World
Am gespanntesten und unsichersten zugleich waren wir auf das „Freie Fahren“. Dieser erlaubt es, die gesamte Spielwelt abseits der Absperrungen in den Rennen zu befahren und zu erkunden. In der Hektik der Rennen geht die Vielfalt und Liebe zum Detail in der Spielwelt schnell verloren. In „Freies Fahren“ werden euch keine Grenzen gesetzt, und die Spielwelt kann bis in ihre verwinkelten Ecken erkundet werden. Die ausgestaltete Spielwelt kommt dadurch zur vollen Geltung. Und beim genauen Hinsehen findet man überall kleine Anspielungen auf die „Super Mario“-Welt – seien es Werbebanner oder Graffiti an den Wänden. Leider gibt die Spielwelt abseits vom Sightseeing weniger Aktivitäten her, als wir uns gewünscht hätten.
In der Spielwelt sind „P-Schalter“ verteilt, die kleine Missionen aktivieren. In der Spielwelt taucht dann beispielsweise ein Ziel auf, das innerhalb eines Zeitlimits erreicht werden muss, während eine Horde Gumbas versucht, den Weg zu versperren. Andere Male müsst ihr verteilte Münzen einsammeln oder durch Ringe in der Luft fliegen. Der Schwierigkeitsgrad der Missionen unterscheidet sich, wird aber nicht gekennzeichnet. Während wir manche Missionen im ersten Anlauf schafften, bissen wir uns an anderen beinahe die Zähne aus.
Die Welt steht euch offen
Wie viel Zeit ihr in die Missionen stecken möchtet, liegt an euch. Bei uns stellte sich nach gewisser Zeit Ernüchterung ein, als wir merkten, dass die Missionen weniger abwechslungsreich sind als gehofft. Denn echte Highlights abseits der immer gleichen beschriebenen Schemata sind selten, und wenn sie auftauchen, schnell abgehakt. Die an schwierig erreichbaren Orten versteckten Peach-Münzen und Fragezeichen-Felder fordern zwar Geschick mit dem Powersprung, füllen die Welt aber bloß mit Sammelgegenständen. Echte Belohnungen dafür bekommt ihr leider nicht geboten.
„Mario Kart World“ bietet zu wenig Anreize, die versteckten Schalter und Gegenstände zu suchen. Schließt ihr Missionen ab oder erreicht Meilensteine wie gefahrene Kilometer, schaltet ihr Sticker frei, mit denen ihr euch online brüsten könnt. Wir hätten mit Blick auf die fantastischen Rennmissionen aus „Mario Kart DS“ deutlich mehr erwartet.
Unser Erkundungsdrang legte sich schnell. Abseits der genannten Easter-Eggs bietet die Spielwelt keine größeren Geheimnisse. Wenn wir von Weitem einen spannenden Ort entdeckten und dort mit Mühe ankamen, ohne irgendeine Art von Belohnung zu finden, raubte es uns zunehmend die Motivation, die Spielwelt weiter abzugrasen. Nimmt man den „Freies Fahren“-Modus und die „P-Schalter-Missionen“ dafür, was sie sind, können sie zwar kurzweilig und unterhaltsam sein. Die Welt von „Mario Kart World“ steht euch zwar offen, aber es bleibt das stechende Gefühl, dass mehr möglich gewesen wäre.
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Nervenaufreibend bis zum Knockout
Im Gegensatz dazu hat die „K.O.-Tour“ uns unvorbereitet überrascht und sorgt weiterhin für adrenalingeladene Spielmomente. In der „K.O.“-Tour fahrt ihr ein durchgehendes Rennen. Nach jedem Rennabschnitt wird ein Teil des Fahrerfelds eliminiert und scheidet aus. Am Ende bleiben lediglich vier Spieler:innen übrig, die versuchen müssen, das Rennen für sich zu entscheiden. Ob gegen den Computer, gemeinsam mit Freunden oder mit Fremden im Online-Modus – unsere Nerven wurden auf eine neue Probe gestellt. Ein falscher Drift, ein gegnerischer Treffer – und ihr seid raus. Dasselbe gilt jedoch auch umgekehrt. Etliche Male konnte uns ein richtig eingesetztes Item noch kurz vor dem Ziel vor dem Ausscheiden bewahren. Viel Zeit zum Durchatmen blieb uns trotzdem nicht.
Ironischerweise ist das Finale der „K.O.-Tour“ häufig am enttäuschendsten. Die letzte Runde mit vier Fahrer:innen ist oft zu kurz für eine erfolgreiche Aufholjagd, und das Rennen wurde meist schon in der Runde davor entschieden. Die „K.O.-Tour“ spielt das größere Fahrerfeld, die zusammenhängenden Strecken und das gestiegene Chaos auf den Kursen gekonnt aus – hier kommt alles zusammen, was „Mario Kart World“ auszeichnet.
Aus der Mottenkiste: Ballonschlacht & Münzenjäger
Im Vergleich zur „K.O.-Tour“ wirken die klassischen Modi „Münzenjäger“ und „Ballonschlacht“ angestaubt. Denn es bleibt alles wie gehabt. In „Münzenjäger“ gilt es, innerhalb eines Zeitlimits möglichst viele Münzen anzuhäufen. Trefft ihr eure Gegner mit Items, könnt ihr deren Münzvorräte verkleinern. In „Ballonschlacht“ wiederum bekommt ihr zum Start einen Vorrat an Ballons, die ihr verliert, wenn ihr von einem Item getroffen werdet. Habt ihr keine Ballons mehr, scheidet ihr aus. Wer am Ende die meisten Abschüsse hat, gewinnt.
Die neuen Spielmechaniken von „Mario Kart World“ werden leider nicht ausgespielt. Der Powersprung wird in den flachen Arenen zur Nebensache, und da alles in abgeschlossenen Arealen stattfindet, braucht es keine offene Spielwelt. Obwohl im Vergleich zum Vorgänger mehr Teilnehmer:innen unterwegs sind, mussten wir in der „Ballonschlacht“ häufig auf die Karte schauen, um unsere Gegner auszumachen. In der „Ballonschlacht“ nimmt das Zeitlimit außerdem jegliche Möglichkeit für zugespitzte Finalrunden. Die „K.O.-Tour“ läuft der „Ballonschlacht“ daher den Rang ab.

Keine Revolution im Online-Modus
Wer eine große Neuerfindung des Online-Modus erwartet hatte, wird von „Mario Kart World“ enttäuscht. Nintendo setzt auf das bekannte Schema. Online stehen klassische Versus-Rennen, die bekannten Schlachtmodi „Münzenjäger“ und „Ballonschlacht“ plus die genannte „K.O.-Tour“ zur Auswahl. Mit jeder guten Platzierung werden euch Punkte gutgeschrieben. Das Punktekonto, das an eurem Spielernamen angezeigt wird, dient online als Statussymbol. Allerdings verliert ihr Punkte, wenn ihr eine schlechte Platzierung erreicht. An diesem System hat sich seit „Mario Kart Wii“ nichts geändert. Und obwohl Systeme wie Battle Passes sicherlich nicht die Antwort auf alles sind, hätten wir uns ein zeitgemäßeres System gewünscht, das langfristiger motiviert.
Die offene Spielwelt hätte im Online-Modus ebenfalls mehr Möglichkeiten geboten. Stattdessen wird sie zum Warteraum zwischen den Rennen und Abstimmungsphasen. Mit Systemfunktionen wie GameChat und GameShare könnt ihr die Spielwelt zwar als entspannten, digitalen Raum für Verabredungen nutzen. Echte Aktivitäten abseits des Foto-Modus werden jedoch nicht geboten. Denn Rennmissionen sind ausschließlich im Einzelspielermodus spielbar.
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