Dass die „Octopath Traveler“-Reihe zu einer der neuen Hitserien für Square Enix wird, war nach dem Erfolg der ersten beiden Teile zwar absehbar, aber keineswegs selbstverständlich. Mit „Octopath Traveler 0“ schlägt Square Enix nun gleich zwei Brücken: zum einen zurück an den erzählerischen Ursprung der Welt, zum anderen vom Mobile-Ableger „Octopath Traveler: Champions of the Continent“ hin zu einer vollwertigen Konsolenfassung. Teil 0 dient als Prequel zur Hauptreihe und überträgt zugleich die inhaltliche Grundlage des ursprünglichen Mobile-Rollenspiels in ein klassischeres Spielformat. Dabei bleibt es nicht bei einer bloßen Umsetzung. Vielmehr nutzt „Octopath Traveler 0“ diese Ausgangslage, um bekannte Strukturen neu zu ordnen und den Fokus stärker auf eine zusammenhängende, persönliche Reise zu legen. Ob diese Neuausrichtung aufgeht, verraten wir im Folgenden.

Die leere Leinwand
Der Einstieg macht schnell deutlich, dass „Octopath Traveler 0“ erzählerisch anders funktioniert als seine Vorgänger. Statt einen von acht vordefinierten Charakteren zu wählen und dessen vorgezeichnete Geschichte zu verfolgen, beginnt das Abenteuer mit einem Charaktereditor. Aussehen, Stimme und kleinere Eigenheiten werden festgelegt, ehe man in das Dorf Wishvale versetzt wird. Dieses fungiert nicht nur als Ausgangspunkt, sondern vielmehr als emotionale Klammer der gesamten Handlung. Als das Dorf während eines Festes zerstört wird, entsteht ein emotionaler Antrieb, der persönlicher wirkt als viele der bisherigen Einzelgeschichten der Reihe.
Diese Entscheidung verändert den Ton des Spiels spürbar. Dialoge sind stärker auf den selbst erstellten Helden zugeschnitten und Zwischensequenzen wirken persönlicher. Die Geschichte verzichtet bewusst auf große politische Konflikte zu Beginn und konzentriert sich auf Verlust, Wiederaufbau und die Suche nach Verantwortlichen. Das mag weniger episch erscheinen, sorgt aber für einen deutlich stärkeren Bezug zur eigenen Figur.
Eine Welt mit Vergangenheit
Orsterra präsentiert sich vertraut und zugleich neu. Viele Regionen, Städte und Landschaften erinnern an frühere Teile, doch ihre Rolle im Gesamtgefüge ist eine andere. „Octopath Traveler 0“ nutzt seine Prequel-Position, um bekannte Orte aus einer früheren Entwicklungsphase zu zeigen. Städte sind kleiner, Machtstrukturen noch nicht gefestigt, und manche Gegenden wirken rauer und unerschlossener. Für Kenner der Serie entsteht dadurch ein interessantes Spannungsfeld zwischen Wiedererkennung und Neuentdeckung.
Der Spielfluss folgt dabei einem klaren Rhythmus. Hauptmissionen treiben die Geschichte voran, dazwischen laden Nebenquests dazu ein, die Welt und ihre Bewohner besser kennenzulernen. Viele dieser optionalen Aufgaben sind klassisch aufgebaut, doch einige überraschen mit unerwarteten Wendungen oder nachhaltigen Auswirkungen auf Wishvale.

Bekannte Kämpfe, neue Tiefe
Im Kampf bleibt „Octopath Traveler 0“ zunächst seiner Linie treu. Rundenbasierte Gefechte mit der bewährten Break- und Boost-Mechanik bilden weiterhin das Herzstück. Gegner verfügen über Schwächen, die es gezielt auszunutzen gilt, während eigene Aktionen klug geplant werden müssen. Neu ist die erweiterte Gruppengröße. Statt vier Figuren stehen nun bis zu acht Charaktere zur Verfügung, zwischen denen im Kampf gewechselt werden kann. Das erhöht die taktischen Möglichkeiten erheblich und sorgt für ein spürbar dynamischeres Kampferlebnis.
Die Klassen orientieren sich an bekannten Archetypen, bieten aber genug Spielraum für individuelle Anpassungen. Fähigkeiten lassen sich kombinieren, passive Effekte sinnvoll stapeln, und die richtige Zusammenstellung der Gruppe entscheidet oft über Sieg oder Niederlage. Besonders in längeren Kämpfen gegen starke Gegner zeigt sich, wie viel Tiefe im System steckt. Wer unvorbereitet agiert, wird schnell bestraft, wer experimentiert, entdeckt überraschend effektive Strategien.
Der Wiederaufbau als Spielkern
Eine der größten Neuerungen ist das Städtebau-Element rund um Wishvale. Nach der Zerstörung des Dorfes liegt es an den Spieler:innen, Gebäude zu errichten, Felder anzulegen und neue Bewohner anzuwerben. Dieses System ist mehr als eine Spielerei. Der Ausbau beeinflusst verfügbare Quests, Angebote bei den Händler:innen und sogar bestimmte Kampfbegegnungen. Dadurch entsteht eine direkte Verbindung zwischen Fortschritt in der Welt und der Entwicklung des eigenen Zuhauses.
Der Wiederaufbau verläuft angenehm entschleunigt und fügt sich organisch in den Spielfluss ein. Zwischen Abenteuern kehrt man zurück, investiert Ressourcen und beobachtet, wie Wishvale langsam wieder zum Leben erwacht. Gerade dieser Aspekt verleiht „Octopath Traveler 0“ eine zusätzliche Ebene, die in der Serie bislang fehlte.

Schöne Bilder, bekannte Grenzen
Optisch bleibt sich die Reihe treu. Der HD-2D-Stil kombiniert detaillierte Pixelgrafik mit modernen Lichteffekten und Tiefenschärfe. Auf der Nintendo Switch 2 ist das Gesamtbild stimmig und atmosphärisch, auch wenn man sporadisch anmerkt, dass die Hardware gelegentlich an ihre Grenzen stößt. In belebten Szenen kann es zu leichten Einbrüchen kommen, die jedoch selten den Spielfluss stören.
Die musikalische Untermalung gehört erneut zu den größten Stärken. Die Stücke greifen bekannte Themen auf, variieren sie geschickt und verleihen sowohl ruhigen Momenten als auch dramatischen Szenen die passende emotionale Gewichtung. Gerade beim Erkunden neuer Regionen trägt der Soundtrack maßgeblich zur Atmosphäre bei.
Ein kleiner Wermutstropfen bleibt die fehlende deutsche Lokalisierung. Texte und Menüs sind ausschließlich in Englisch verfügbar, was angesichts der Textmenge nicht für jeden ideal ist. Wer jedoch mit der Sprache vertraut ist, wird schnell in den Rhythmus des Spiels finden.
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