Kaum ein Indie-Spiel wird in derart hohen Tönen gelobt wie „Hollow Knight“. Obwohl der Erfolg auf Kickstarter überschaubar blieb, bewiesen die Macher ihr Können und lieferten ein düsteres und hartes Metroidvania, das durch kostenlose Updates stark erweitert wurde. Die Nintendo-Switch-Fassung ermöglicht es erstmals auch Konsolen-Spielern, die Reise in den Untergrund anzutreten. Ob die Qualität auch nach dem Plattform-Sprung so hoch bleibt, verraten wir euch im Test.
Hoffnungslos
„Hollow Knight“ ist kein Spiel der vielen Worte. Obwohl es kleine Unterhaltungen zwischen dem stillen Protagonisten sowie den Bewohnern der Welt gibt, bleibt das Universum des Spiels mysteriös. Passend dazu wird der Spieler in die Welt geworfen und erhält keine Hilfestellungen dazu, was er tun muss. Das erste Gebiet dient glücklicherweise als Tutorial und ist nicht zu schwierig gehalten, sodass man sich mit der Steuerung vertraut machen kann. Das ist auch notwendig, denn allzu viele Fähigkeiten besitzt der Held gar nicht. Dafür kann er sein Schwert, Nagel genannt, vielfältig einsetzen und nicht nur in alle vier Richtungen schlagen, sondern beim Angriff nach unten sogar einen kleinen Sprung mitnehmen. Obwohl das recht simpel klingt, ist jeder Schlag so kraftvoll und visuell aufgeladen, dass es unglaublich viel Spaß macht, jedes Objekt zu zerstören. Hier hilft auch die HD-Vibration, die den Schlägen noch mehr Kraft verleiht.
Natürlich erlernt der Held im Laufe des Abenteuers noch mehr Fähigkeiten, die sein Arsenal an Bewegungen erweitern. Es bereitet deshalb viel Spaß, die Ortschaften zu erkunden und Geheimnisse zu entdecken. Das allgemeine Tempo ist zwar nicht allzu schnell geraten, dafür sind die Bewegungsabläufe dynamisch und ermöglichen eine problemlose Erkundung.
Die Start-Hürde
Der größte Stolperstein für Spieler sind die ersten Stunden von „Hollow Knight“. Anders als in vielen Genrekollegen wird dem Spieler nämlich nicht direkt eine Richtung vorgegeben und er kann in einem gewissen Rahmen selbst entscheiden, welches Gebiet er angehen möchte. Natürlich gibt es immer wieder Blockaden, die bestimmte Fähigkeiten voraussetzen, das Spiel ist jedoch sehr offen und es ist leicht, sich ohne Karte zu orientieren. Man mag sogar Angst haben, wichtige Bereiche zu verpassen, und das Backtracking gehört definitiv zum Ablauf. Interessanterweise entwickelt sich mit der Zeit ein natürlicher Ablauf und man erkundet in seinem eigenen Tempo, anstatt dem Weg linear zu folgen, was überdies nicht immer möglich ist.
Die gesamte Vielfalt erhält der Spieler aber erst nach einigen Stunden. Anfangs fühlt man sich zu sehr verloren und bis man wirklich versteht, wie die Welt funktioniert, bedarf es an Initiative seitens des Spielers. Hier scheiden sich die Geister, da einige genau dieses „ins Wasser werfen“ am Spiel schätzen, während andere lieber klare Anweisungen hätten, wie man weiter kommt. Sich zu verlaufen oder gar in Sackgassen zu geraten, macht nicht jedem Spaß; wer sich jedoch durchbeißt, wird damit belohnt, dass es überall etwas zu entdecken gibt. Der Spieler wird für seine Mühen belohnt – auch mit den großartigen Kulissen.
Melancholische Schönheit
Der Stil von „Hollow Knight“ lässt sich nur als wunderschön und gleichzeitig trist und düster beschreiben. Die Welt ist wunderbar gestaltet und glänzt mit beeindruckend gezeichneten Ortschaften. Im Gegensatz dazu sehen sich die normalen Gebiete mitunter zu ähnlich, das gehört jedoch zum Meckern auf hohem Niveau. Der ganz besondere Charme liegt in den Animationen, denn sowohl NPCs als auch Feinde sind mit derart viel Liebe zum Detail gestaltet, dass man sich wie in einem Zeichentrickfilm vorkommt. Es wird nie langweilig zu sehen, wie die Insekten zum Schlag ausholen oder umherflattern und den Spieler erblicken. Man verliebt sich in das Abenteuer bereits nach wenigen Minuten und bis zum Ende wird es nie langweilig, auf den Bildschirm zu schauen.
Diese Atmosphäre und Schönheit wird selbst durch den Soundtrack verkörpert. Zahlreiche Ohrwürmer, die man gerne auch nach dem Durchspielen hört, verfolgen den Helden und passen stets zur aktuellen Situation. Dadurch wird das Erkunden noch spaßiger, denn überall sind Hinweise auf eine tiefere Geschichte sowie das Schicksal eines Königreiches versteckt. Obwohl das Spiel diese Themen nur selten direkt anspricht, erzählt es Unmengen durch seine Welt und Konstruktionen, sodass Fans von versteckter Lore einen Haufen zu analysieren haben. Selbst wer nur umherläuft, wird sich oft fragen, wie die wunderschönen Kulissen in Finsternis vergraben werden konnten. Der Fokus liegt jedoch nicht einmal darauf, sondern auf den Kämpfen, wo sich schnell entpuppt, dass „Hollow Knight“ auch abseits der Erkundung kein Spaziergang ist.
Mehr als nur Insekten
Die Gegnervielfalt ist hoch und ständig gibt es neue Arten, die dem Helden das Leben schwer machen. Da seine Lebensleiste nicht gerade gut gefüllt ist, muss der Spieler lernen, in genau den richtigen Momenten auszuweichen und zum Angriff auszuholen. Aufgrund der bereits erwähnten Dynamik funktioniert das wunderbar, spätestens bei den Bossen wird die Inspiration bei „Dark Souls“ jedoch mehr als deutlich. Wer nicht permanent konzentriert ist, wird oft sterben, und selbst Genreprofis werden das Abenteuer nicht ohne zahlreiche Tode beenden. Eine Kernmechanik ist der Fokus, durch den sich der Held immer heilen kann. Dafür muss jedoch eine entsprechende Kugel durch Angriffe auf Gegner mit Seele gefüllt werden, und während des Heilvorgangs ist man den Angriffen ausgeliefert. Den richtigen Zeitpunkt abzupassen, ist nicht einfach, und wer sich nur darauf konzentriert, lange am Leben zu bleiben, ohne Risiken einzugehen, wird nicht weit kommen. Gleichzeitig wird dieselbe Ressource dafür verwendet, einen Fernangriff abzufeuern, man muss also immer wieder abschätzen, wofür man spart.
Sollte der Ritter einmal sterben, ist nicht alles verloren. Der Spieler kann sein gesammeltes Geld, genannt Geo ebenso zurückerlangen wie die volle Leiste zum Heilen, dafür muss er jedoch gegen eine Schattenversion des Protagonisten an der Stelle kämpfen, an der er zuvor gestorben ist. Die Checkpoints sind nicht allzu nah beieinander und es kann durchaus vorkommen, dass man es gar nicht zu dem entsprechenden Punkt schafft, was interessanterweise in den ersten Spielstunden zu mehr Frust führt als im späteren Verlauf. Dort wächst man nämlich als Spieler, stirbt aber auch öfter. Dennoch entwickelt sich ein besserer Spielfluss und man lernt die gefährlichen Situationen schneller abzuschätzen, was anfangs nicht immer möglich ist. „Hollow Knight“ ist ein extrem hartnäckiges Spiel und hat gar kein Interesse daran, jedem Spieler zu ermöglichen, das Ende zu erreichen. Gleichzeitig bleibt es fair und weist immer darauf hin, dass ein Scheitern nicht an komplizierten Mechaniken, sondern an den Fähigkeiten des Spielers liegt.
Beeindruckend
Das Spiel verbirgt noch zahlreiche weitere Mechaniken, wie zum Beispiel Charms, die der Held anlegen kann und die diverse mächtige Boni mit sich bringen. Spannend ist hier vor allem, dass alle davon auf irgendeine Weise nützlich sind und man an jeder Bank, die zugleich Speicherpunkte darstellen, seine aktuellen auswechseln kann. Einige eignen sich besser für die Erkundung, andere entfalten bei Bosskämpfen ihre volle Wirkung. Auch kleinere Mechaniken wie das Schnellreise-System sind derart liebevoll umgesetzt, dass man in jedem Winkel merkt, mit wie viel Leidenschaft die Macher gearbeitet haben. Selbst die Menge an optionalen Wegen ist gigantisch, jedoch macht es einen großen Reiz aus, all diese Geheimnisse und noch viel mehr selbst zu entdecken. Wer zudem an einem Boss hängen bleibt, kann einfach einen anderen Weg gehen und später zurückkehren, zumindest in den meisten Fällen.
„Hollow Knight“ ist kein Abenteuer für jeden, wer sich aber darauf einlässt, erlebt eines der besten Indie-Spiele aller Zeiten. Zudem ist das Preis-Leistungs-Verhältnis bei einem Einzelspieler-Abenteuer, das nicht auf Wiederholungen setzt, mit über 30 Spielstunden schier unglaublich und verdient alle lobenden Worte.
Spieler an erster Stelle
Bereits ist seiner ursprünglichen Fassung war „Hollow Knight“ ein großartiges Spiel, doch die insgesamt vier kostenlosen Erweiterungen, die alle bereits für Nintendo Switch erschienen sind, schießen den Vogel ab. Alle davon fügen neue Bosse, Gegner, NPCs sowie Areale und Fähigkeiten ein, was den Inhalt explodieren ließ. Nichts davon hat auch nur einen Cent zusätzlich gekostet, da diese Inhalte bereits während der Kickstarter-Kampagne angekündigt worden sind. Sie fügen sich wunderbar in das Spiel ein und wer sich vorab nicht informiert, wird sie als natürlichen Bestandteil und nicht als zusätzliche Addons ansehen – das spricht für das großartige Leveldesign. Ein Entwicklerstudio, das nachträglich nicht nur kleine, sondern gravierende Inhalte hinzufügt, verdient eine Menge Respekt. Auch eine Kampagne rund um Hornet steht noch im Gespräch, diese würde allerdings als kostenpflichtiger DLC kommen, was niemanden stören dürfte.
Bisher gibt es elf Kommentare
Ich ganz bei dir.
Top 10 aller Videospiele halte ich auch für mich, für absolut realistisch
Ps: Apropos Top 10
Hab das für letztes Jahr nicht verfolgt.
Aber ich wäre auf jeden Fall für einen "Highlights von 2018" Thread am Ende des Jahres.
Ich möchte nur hieran erinnern:
Ich würde auch gerne sagen es ist mein GotY 2018 aber da gab es für mich noch God of War oder jetzt Spider-Man.
Müsste ich jetzt eine Aufstellung machen wäre es wohl meine Nr. 2 dieses Jahr.
Aber in paar Wochen kommt ja dann noch Red Dead Redemption 2
Für mich hat Hollow Knight einen Sonderstatus.
Ich kann und möchte es nicht mit anderen persönlichen Highlights vergleichen.
Aber es ist und bleibt für mich ein Spiel das nicht nur mein Spielejahr 2018 definiert, sondern generell ein Highlight in meiner gesamten Spielesammlung geworden ist.
Wie Garo es treffend gesagt hat.
Für das Genre Metroidvaina ist es der König.
Wer aber in Spielen generell ein Problem mit der Orientierung hat und schweren Spielen normalerweise lieber aus dem Weg geht, der wird wohl was länger brauchen.
Dass man selten bis nie klar gesagt bekommt, was man als nächstes tun soll/kann zieht sich aber durch das ganze Spiel. Mir hat das sehr gefallen, kann aber auch sehr frusten wenn man das nicht mag.
Ansonsten kann ich nur Garo und Heavydog zustimmen, dass Hollow Knight ein herausragendes Spiel ist. Bisher für mich mein persönliches GotY 2018.
Mit der Wertung bin ich auch einverstanden in Sachen Preis-Leistungsverhältnis gibt's aber wohl kaum eine klarere 10/10 auf dem Markt.
Anmerkung noch zur Spielzeit: Die 30 Stunden kommen für einen gewöhnlichen Spieldurchlauf sogar hin, allerdings erhöht sich das nochmal deutlich wenn man den ganzen optionalen Content mitnimmt (und das ist meist guter Content, nicht sowas wie klappere 120 Fragezeichen auf deiner Karte ab oder sowas). Ohne Godmaster-DLC hatte ich damit dann 50 Stunden auf dem Tacho, mit Godmaster sind's schon über 70 mittlerweile.