Die Yoshis haben die Wolle hinter sich gelassen und widmen sich nun der Pappe. Das neueste Abenteuer der Dinos spielt nämlich in einer Welt, in der alles aus Kartons oder anderweitigen Verpackungen besteht. Ob damit derselbe Charme der bisherigen Spiele erhalten werden kann oder sogar neue Wege beschritten werden, verraten wir euch im Test.
Kinderbuch
Die Geschichte ist noch kinderfreundlicher als jemals zuvor. Kamek und Bowser Jr. wollen nämlich die Traumjuwelen stehlen, die einem jeden Wunsch erfüllen können. Natürlich läuft das Vorhaben schief, und die Yoshis müssen die verschiedenen Welten bereisen, um alle fünf Juwelen zurückzuerlangen. Das klingt wenig spannend, und so sieht es auch in der Umsetzung aus. Interessante Wendungen oder spannende Zwischensequenzen gibt es nicht – das dürfte allerdings auch niemand von einem „Yoshi“-Spiel erwarten.
Leider wirkt jede Szene, mit lediglich zwei kurzen Ausnahmen, wie dem Vormittagsprogramm von Kindersendern entnommen. Vor jedem Boss darf der Spieler sich in belanglosen Situationen zwischen zwei Optionen entscheiden, die bis auf wenige andere Sätze keinerlei Auswirkungen auf die Szenen haben. Auch ansonsten ist der Ton extrem brav gehalten und Wortwitze oder interessante Details fehlen vollkommen. Da hilft es schon sehr, dass die Optik unschlagbar ist.
Beeindruckend
Die Charaktere selbst sind zwar nicht aus Pappe und wurden wunderbar gestaltet, die Level-Elemente sind dafür umso spannender. Manchmal befinden sich Milchboxen im Hintergrund, mal kann man auf Eierkartons herumlaufen. Obwohl vieles davon wie Müll klingt, haben es die Macher geschafft, jedes Level wunderschön und mit kräftigen Farben so zu gestalten, dass man sich über jedes noch so kleine Detail freut. Insbesondere die nicht perfekt bemalten Flächen erzeugen ein abwechslungsreiches Gesamtbild, das nicht schlicht glatt gebügelt wurde. Bis zum großen Finale gibt es immer wieder neues zu erblicken, weshalb man schon alleine deshalb jedes Level absolvieren möchte.
Alter Dino mit neuen Tricks
Das Spielprinzip selbst wurde ebenfalls abgewandelt, um die ganzen Details in den Vordergrund zu rücken. Das beginnt bei den Würfen, die ansonsten stets über eine automatisch von unten nach oben laufende Linie ausgeführt wurden. Nun steuert der Spieler einen Cursor und kann nahezu alles, was sich im Level befindet, mit einem Ei abwerfen. Seien es Pappaufsteller, die ein paar Münzen verbergen oder Gegner, die wichtige Objekte verstecken, so einfach war es noch nie, sein Ziel zu treffen.
Auch die Tiefe spielt diesmal eine wichtige Rolle. Oftmals befinden sich wichtige Gegenstände nämlich gar nicht auf der Ebene, auf der Yoshi läuft, sondern im Vorder- sowie Hintergrund. Dank der neuen Wurfmechanik kann man diese nun abwerfen und wird dafür in verschiedener Form belohnt. Diese Ideen harmonieren bestens mit der Liebe zum Detail bei der Gestaltung, denn anstatt sich nur alles anzuschauen, kann der Spieler mit zahlreichen Objekten interagieren, um Geheimnisse zu entdecken. Leider funktioniert das Zielen insbesondere in hektischen Situationen nicht allzu gut, und gelegentlich wirft Yoshi ein Ei zur Seite, obwohl man eigentlich in der Hintergrund zielt. Das hängt mit der Zielerkennung zusammen, die gelegentlich einen kleinen Moment braucht, um ein Objekt auf einer anderen Ebene zu erkennen. Dadurch wird man leider so einige Eier unnötig durch die Gegend werfen.
Nächste Ebene
Eine weitere interessante Idee stellen die Wege dar, die manchmal in den Vordergrund oder Hintergrund führen. Durch diese verlässt Yoshi seine bekannte Ebene, mit mäßigem Erfolg. Auch hier werden mehr optische Spielereien geboten, als spannende Spielkonzepte, weshalb das Potential der Mechanik lediglich angefasst, aber nicht ausgeschöpft wird. Selbst optionale Wege enden nach wenigen Schritten und ein bedeutungsvoller Wechsel zwischen den Ebenen ist schon alleine deshalb nicht möglich, weil die Pfade stets vorgegeben sind. Man merkt schnell, dass hier eine gute Idee umgesetzt wurde, die Macher allerdings keinerlei Risiken eingehen wollten.
Gewohnte Qualität
Ansonsten hat sich wenig getan. Es ist nun allerdings noch einfacher, Yoshi zu steuern. Unendliches Gleiten kann nun auch mit wenig Feingefühl ausgeführt werden, und anstatt Gegner erst zu verdauen, werden sie direkt zu Eiern verarbeitet. Das bedeutet auch, dass Yoshi nur noch ausgewählte Feinde ausspucken kann, durch den viel häufigeren Einsatz der Eier stört das glücklicherweise nicht. Diese Vereinfachung der Mechaniken zieht sich derweil durch das ganze Spiel.
Immer wieder für eine Überraschung gut
Die Level selbst leben von den Kulissen, warten allerdings auch mit einigen schönen Ideen auf. Mal wird Yoshi von einem Dinosaurier verfolgt, in einem anderen Level kann er sich selbst einen Knochenschädel aufsetzen. Besonders ein Level, das in einem alten Haus spielt sowie eines, bei dem die Sicht durch Schattenwände eingeschränkt wird, gehören zu den besten Momenten in „Yoshi’s Crafted World“. Doch selbst die Level, die lediglich schön aussehen, dabei aber keine neuen Gameplay-Ideen einführen, sind stets unterhaltsam. Das Spiel verleitet einen regelmäßig dazu, sich zurückzulehnen und zu genießen, was die Macher als nächstes für einen vorbereitet haben.
Sehr, sehr seichter Trip
Lange Rede, kurzer Sinn: „Yoshi’s Crafted World“ wird je nach Erwartungshaltung entweder ein riesiger Hit oder eine herbe Enttäuschung werden. Der Schwierigkeitsgrad ist nämlich so niedrig, wie noch in keinem Spiel des Helden zuvor. Yoshi besitzt zwar eine Lebensanzeige, diese leert sich allerdings nur selten, solange der Spieler ein wenig aufpasst, und dank vieler Herzen und Checkpoints, die ebenfalls die Lebensanzeige füllen, ist es sehr wahrscheinlich, dass selbst Anfänger im Laufe des Abenteuers nie sterben werden. Vereinfacht wird das noch durch die Kostüme, die man an Slot-Maschinen in jeder Welt erhalten kann. Dafür müssen Münzen eingetauscht werden, und ganz wie in Loot-Boxen erhält der Spieler ein zufälliges Kostüm. Mit dem schönen Unterschied, dass es in jeder Maschine nur zehn Kleidungsstücke gibt, und diese sich auch nicht doppeln können.
Wer ein Kostüm anzieht, erhält zusätzliche Rüstungspunkte, die an Checkpoints aufgefüllt werden und jeglichen Schaden verhindern. Selbst, wenn Yoshi in einen Abgrund fällt, wird er lediglich zur letzten Plattform befördert und dadurch nicht wirklich bestraft. Genau hier werden sich die Geister scheiden: Im Test haben wir es extrem genossen, die tollen Level unter die Lupe zu nehmen, die wunderbaren Gameplay-Ideen auszukosten und im eigenen Tempo jeden Winkel nach Geheimnissen zu durchforsten. Wer allerdings auch nur den Hauch einer Herausforderung möchte, der könnte sich durchaus langweilen. Das Spiel ist wie ein gemütlicher Spaziergang im Sonnenschein: wunderschön und erholsam, allerdings alles andere als actionreich.
Großartige Welten
Dafür weiß das Spiel mit genug Abwechslung aufzuwarten. Jede Welt besteht lediglich aus zwei bis drei Leveln und ist einem Thema unterstellt. Ja, es gibt die Wüste, den Dschungel, die Eiswelt und so weiter, aber da man nie länger als drei Level in diesen Landschaften unterwegs ist, werden sie nie eintönig. Besser noch, innerhalb der Welten unterscheiden sich die Gameplay-Ideen und die Gestaltung genug, damit sich kein Level wie die Kopie eines anderen spielt. Das hält bei Laune und es bleibt, wie eingangs erwähnt, stets spannend zu sehen, was die Macher wohl als nächstes vorbereitet haben. Die Punktejagd-Level, in denen zum Beispiel ein Flugzeug indirekt gesteuert werden muss, Yoshi in einen riesigen Yoshi hüpft oder während einer Zugfahrt Ziele abschießt, lockern den Ablauf zusätzlich auf. Leider ersetzen sie nicht vollwertige Mini-Spiele und sind bereits mit lediglich drei Minuten zu lang geraten.
Starker Sammelwahn
Natürlich ist das Durchspielen der Level nur die halbe Partie, denn Wiederspielwert wird genügend geboten. Das liegt schon an den in den Leveln verteilten Blumen, denn oftmals sind weit mehr als fünf von ihnen versteckt. Dafür muss man wirklich jeden Winkel durchforsten, unsichtbare Wolken aufdecken und versteckte Wege finden. Hinzu kommen noch weitere Ziele, zum Beispiel 20 rote Münzen zu finden, die allerdings erst als solche zu erkennen sind, sobald man sie aufnimmt. Die Belohnungen für das Sammeln von 100 Münzen sowie den Abschluss der Level mit einer vollen Lebensanzeige sind derweil fast immer geschenkt, was mit dem geringen Schwierigkeitsgrad zusammenhängt.
Kehrseite
Wer noch immer nicht genug hat, darf die Kehrseite der Level entdecken. Dann startet Yoshi am Ende, die Kamera wird allerdings um 180 Grad um die Mittelebene gedreht, sodass man plötzlich sehen kann, was sich hinter so einigen Papp-Aufstellern befindet, sowie auf der Seite, die man ansonsten gar nicht sieht. Das ist durchaus interessant, allerdings sollte niemand komplett neue Level erwarten, sondern lediglich kleine Spielereien. Dazu passt auch das Spielziel, denn statt zahlreicher Sammelgegenstände muss Yoshi lediglich drei Schnuffelbabys finden, die manchmal im Hintergrund, manchmal mitten auf dem Weg herumlaufen. Eine große Herausforderung ist auch das nicht, schließlich bellen sie, sobald der Spieler sich in der Nähe befindet. Ein zusätzliches Zeitlimit sorgt allerdings dafür, dass man durch die Level hetzt und sich das Spieltempo somit deutlich erhöht. Natürlich hätte auch dieses Konzept mehr Potential geboten, da die Levelanzahl ansonsten aber bereits sehr hoch ist, lassen sich die Kehrseiten eher als schöner Bonus für diejenigen sehen, die noch mehr Zeit mit Yoshi verbringen wollen.
Mieser Sammelwahn
Klingt also nach genug Gründen, die Level zu wiederholen. Es wäre wirklich besser gewesen, wenn das schon alles wäre. Die Macher wollten aber noch mehr Aufgaben hinzufügen, und haben damit leider eine Grenze überschritten. Nach dem Abschluss eines Levels ist es nämlich möglich, mit einem Roboter zu sprechen, von denen es in jeder Welt einen gibt. Diese benötigen bestimmte Gegenstände, zum Beispiel fünf Fische oder eine Wäscheleine, weshalb der Spieler zurück in diese Level muss, um die Objekte zu finden. Ist das erledigt, haben sie allerdings noch mehr Sammelaufgaben, also muss der Spieler zurück in die Level, um von Vorne nach neuen Gegenständen zu suchen.
Das große Problem dabei ist, dass man pro Welt nur eine Aufgabe gleichzeitig annehmen kann. Deshalb muss man alleine für diese Sammelaufgaben zwei Mal in jedes Level, nachdem man es eigentlich abgeschlossen hat – und zwei weitere Male in die Kehrseite. Natürlich ist es schön, dass die Macher die Liebe zum Detail erneut in den Fokus stellen wollten, allerdings wird es viel zu lästig, ständig von vorne anzufangen. Zudem sind einige Objekte zu gut versteckt worden, sodass es mehrere Minuten dauern kann, bis alles mit einem Ei abgeworfen wurde. Fairerweise lässt sich ein Level abschließen, sobald die Suchaufgabe erledigt wurde. Wieso es nicht einfach möglich ist, alles in einem oder zwei Durchläufen zu schaffen, bleibt allerdings ein Rätsel. Diese Streckung des Inhalts hätte „Yoshi’s Crafted World“ gar nicht nötig gehabt, denn es hinterlässt einen sehr faden Beigeschmack, wenn man immer und immer wieder dieselben Level bereisen muss, um wirklich alles zu schaffen. Da ist es fast schon eine Verhöhnung, dass nach dem Ende der Geschichte eine weitere Suchaufgabe hinzukommt. Es ist nicht besonders schwierig, die 100% zu erreichen, sondern zeitintensiv.
Spaltende Klänge
Optisch ist das Spiel ohne Zweifel sehr gut gelungen, auch dank der scharfen Texturen. Zwar ist der Hintergrund oft verschwommen, das lässt sich allerdings als Stilmittel erkennen, sobald man die Zielfunktion nutzt. Auch die Soundeffekte sind so perfekt wie eh und je, denn es wird nie langweilig zu hören, wie Yoshi voller Freude seinen eigenen Namen ruft. Einziger Störfaktor ist die Musik, die sich durch schiefe Töne nach dem Motto „Flötenkonzert der Kindergartenkinder“ auszeichnet. Das ist definitiv nicht jedermanns Sache und im Test hatten wir keine Probleme damit, den Ton auszustellen. Leider wiederholen sich auch viele Stücke in verschiedenen Leveln, was einen klaren Kontrast zu den eigentlich optisch so unterschiedlichen Welten darstellt. Dafür gab es ansonsten keinerlei technische Probleme, und obwohl wir keine eindeutigen Angaben liefern können, lassen sich im normalen Spielverlauf keine Einbrüche in der Bildrate entdecken, weder am TV, noch im Handheld-Modus. Die bessere Auflösung auf dem TV lässt die Welten allerdings noch schöner wirken als auf dem kleinen Bildschirm.
Bisher gibt es zwölf Kommentare
Ich muss echt sagen, ich liebe dieses Spiel. Muss mir echt Zeit damit lassen damit ich das nicht so durchballer.
"[...] Das liegt schon an den in den Leveln verteilten Blumen, denn oftmals sind weit mehr als fünf von ihnen versteckt. [...]
Gibt mehr als 5 Blumen die man "einfach so" im Level durch berührung einsammeln kann? Oder bezieht sich das auf die zusätzlichen Missionen? (Rote Münzen, 100 Coins usw.)
Für Unwissende: Es ist Obelix rückwärts geschrieben und es hat Hosen wie Obelix.