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Mario Kart 7

Inside Nintendo 196: Rennen gegen die Zeit mit globalen Mitstreitern: Die Entwicklung von Mario Kart 7

Ob „Mario Kart“ nun Menschen zusammenbringt oder Freundschaften zerstört – so oder so steht die beliebte Rennspielreihe aus dem Hause Nintendo nicht zuletzt für Kommunikation. Seit „Mario Kart DS“ werden dank Online-Anbindung sogar Rennbegeisterte auf der ganzen Welt miteinander vernetzt. Was dies bedeutet, durfte Nintendo mit „Mario Kart 7“ am eigenen Leibe erfahren, denn um das Spiel noch rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft 2011 auf den Markt bringen zu können, taten sich die Japaner mit einem Studio auf der anderen Seite des Pazifik zusammen: den in Texas ansässigen Retro Studios, bekannt insbesondere durch „Metroid Prime“ und „Donkey Kong Country Returns“. Wie es dazu kam und wie die Partner gemeinsam das erfolgreichste 3DS-Spiel auf die Beine stellten, erzählen wir heute anlässlich des zehnjährigen Jubiläums der Erstveröffentlichung.

Eine wegweisende 3DS-Tech-Demo von 2009

Die Idee für ein „Mario Kart“-Spiel mit autostereoskopischer 3D-Grafik reicht weit zurück, bis ins Jahr 2009 – und ohne diese Idee wäre der Nintendo 3DS womöglich ein ganz anderes Produkt geworden. Als sich der neue Handheld noch in einer frühen Entwicklungsphase befand und der später maßgebliche 3D-Effekt gerade erst erwogen wurde, tüftelte „Mario Kart“-Produzent Hideki Konno an einer 3D-Version von „Mario Kart Wii“. Mit dieser wollte er die Vorzüge autostereoskopischer 3D-Grafik aufzeigen und dadurch Skeptiker innerhalb der eigenen Reihen überzeugen. Und tatsächlich konnte der 3D-Prototyp von „Mario Kart“ einen Umschwung bewirken und so maßgeblich dazu beitragen, dass Nintendo die 3D-Idee diesmal tatsächlich zur Marktreife führte (ausführlich berichteten wir über die Vorgeschichte des 3DS in „Inside Nintendo 151: Die 3DS-Reportage, Teil 1: 3D ohne Brille“).

Die „Mario Kart“-Tech-Demo von 2009, die leider nie öffentlich gezeigt worden ist, war zwar nicht der unmittelbare Anfangspunkt der Entwicklung von „Mario Kart 7“. Wohl aber hat sie den Verantwortlichen – einschließlich Konno selber – das große Potenzial eines Ablegers der beliebten Rennspielserie mit autostereoskopischen Grafiken eindrucksvoll im wahrsten Sinne des Wortes vor Augen geführt. „Mein erster Eindruck davon war sehr gut“, berichtete Konno. „Zu dieser Zeit war ich mir bereits sicher, dass wir ‚Mario Kart‘ in 3D durchziehen konnten. Wenn die Spieler die ganze Zeit lang in die gleiche Richtung fahren, dann sehen sie auf das Kart und lassen ihren Blick nach vorn schweifen. Die perspektivischen Bedingungen waren also gut.“

Dass ausgerechnet der „Mario Kart“-Produzent Konno eine wegweisende 3D-Demo erstellte, war übrigens kein Zufall, denn schon etwa zehn Jahre zuvor hatte er an einer nie veröffentlichten Spezialversion des GameCube-Spiels „Luigi’s Mansion“ für 3D-Bildschirme gearbeitet. Bei der Entstehung des 3DS wurde ihm dann der Posten des Hardwareproduzenten zuteil. Da war es nur billig und recht, dass, sobald das 3DS-Projekt mehr Gestalt angenommen hatte, in der von Konno geleiteten Spieleentwicklungsabteilung die Arbeit an gleich zwei zentralen Spielen für die kommende Konsole begann – eines davon das spätere „Mario Kart 7“.

Zu Wasser, zu Land und in der Luft

Die vorherigen „Mario Kart“-Spiele, allesamt kommerziell überaus erfolgreich, hatten jeweils durch neue Funktionen das Spielprinzip sukzessive erweitert, seien es nun der Vierspielermodus, eine (wenngleich nicht beibehaltene) doppelte Kartbesetzung, die Onlinefunktion oder Stunts und Motorräder. Welche Neuerung das siebte „Mario Kart“-Spiel einführen sollte, stand bereits sehr früh fest: Die Karts von Mario und seinen Freunden sollten nun auch übergangslos durch bestimmte Streckensegmente fliegen und schwimmen können.

Dieses Kernkonzept von „Mario Kart 7“ stand bereits im Raum, bevor das Entwicklerteam überhaupt zusammengestellt worden war. Hauptverfechter dieser Idee war Kosuke Yabuki, einer der Planer von „Mario Kart Wii“, der für „Mario Kart 7“ sowie den darauffolgenden achten Teil der Reihe die Regie übernahm. Zu Vorführungszwecken erstellte er eine modifizierte Version von „Mario Kart Wii“ mit fliegenden und schwimmenden Karts. „Er kam mit etwas zu uns herein, bei dem es alle möglichen schwebenden Autos gab, und hielt eine kleine Demonstration“, erinnerte sich Konno zurück. „Dabei sagte er: ‚Sieht das nicht aus, als wären die Karts unter Wasser?‘ und ‚Würde es nicht Spaß bringen, unter Wasser zu fahren?‘“

Sechs Personen aus dem Entwicklerteam hinter „Mario Kart 7“ im „Iwata fragt“-Interview. Oben: Director Kosuke Yabuki, Programming Director Yusuke Shiraiwa und Komponist Kenta Nagata; unten: Design Director Yoshihisa Morimoto, Character Design Lead Masaaki Ishikawa und Planer Yuji Ichijo.

Goldrausch und Individualisierungswahn

Hinzu kamen zwei weitere Neuerungen, die später auch für den Nachfolger „Mario Kart 8“ übernommen wurden. Eine davon sind sammelbare Münzen, die die Höchstgeschwindigkeit des Karts im Rennen leicht erhöhen. Zuletzt hatte es die Münzen im GBA-Ableger „Super Circuit“ gegeben, und bereits während der Entwicklung der darauffolgenden Spiele war ihre Wiedereinführung erwogen worden. Da sich jedoch die jeweiligen Projekte jedes Mal schon in einer fortgeschrittenen Arbeitsphase befunden hatten, war die Idee nie zur Realisierung gelangt. Während der Arbeiten an „Mario Kart 7“ fiel nun die Entscheidung für Münzen in einem frühen Stadium, sodass einer Umsetzung diesmal nichts im Wege stand.

Die sammelbaren Münzen fügten sich sehr gut in das im Entstehen begriffene Spielkonzept ein, denn sie gestalten, so der Gedankengang des Entwicklerteams, die eher hindernisarmen Abschnitte zu Wasser und in der Luft interessanter. Und auch zu einer weiteren Neuerung passten sie wie angegossen, nämlich zu der Möglichkeit, das eigene Kart zu individualisieren. Je mehr Münzen der Spieler oder die Spielerin insgesamt eingesammelt hat, desto mehr Teile sind verfügbar für den fahrbaren Untersatz, der sich hinsichtlich seines Aussehens und Fahrverhaltens an die eigenen Vorlieben anpassen lässt. Übrigens war Chefproduzent und „Mario“-Schöpfer Shigeru Miyamoto eher wenig angetan von diesem Individualisierungskonzept, vermochte sich letztendlich aber nicht ganz dagegen zu verschließen.

Ein Medium der Begegnung und Kommunikation

Die Online-Anbindung wurde im Vergleich zu den beiden Vorgängern für DS und Wii stark ausgebaut. Eine Neueinführung stellen die Communities dar, in denen Spielende auf der ganzen Welt beispielsweise eigene Regeln festlegen dürfen. Auch implementierte das Entwicklerteam den sogenannten „Mario Kart-Kanal“, der die spezifischen Netzwerkfunktionen des 3DS nutzt. Via StreetPass etwa tauschen zwei 3DS-Systeme Geistdaten untereinander aus, sodass man gegen den Mii eines Spielers oder einer Spielerin antreten kann, dem oder der man im echten Leben begegnet ist.

Der „Mario Kart-Kanal“ wurde von einer vergleichbaren StreetPass-Funktion aus „Nintendogs + Cats“ beeinflusst. Eine weitere wichtige Inspirationsquelle für die ausgebauten Online-Funktionen waren, wie die Entwickler offen zugaben, ihre eigenen Erfahrungen mit kompetitiven Onlinespielen. Konkret lässt sich darauf etwa die Möglichkeit zurückführen, mühelos Rennen von Spielenden, gegen die man zuvor schon einmal gefahren war, beizutreten. All diese Funktionen sind für die Entwickler übrigens keineswegs nur schmückendes Beiwerk, sondern gehören schlechterdings zum Wesen von „Mario Kart“, das sie im Kern als Kommunikation auffassen.

Fotos des Entwicklerteams bei der Arbeit sowie Entwürfe, abgedruckt im Nintendo Company Guide 2012 (Bildquelle: Beforemario).

Mario Kart tritt hinter Nintendogs zurück

Die von Konno geleitete zweite Abteilung von Nintendos großem internen Spielestudio Entertainment Analysis & Development (EAD) nahm Anfang 2010 die Arbeiten an „Mario Kart 7“ parallel zu jenen an „Nintendogs + Cats“ auf. Zwar versprachen beide Projekte angesichts der enorm hohen Verkaufszahlen der jeweiligen Vorgänger, sehr erfolgreiche und damit wichtige Veröffentlichungen zu werden; die höhere Priorität legte Nintendo aber auf „Nintendogs + Cats“. Dessen Vorgänger hatte seinerzeit die Markteinführung des DS um ein halbes Jahr verpasst, sodass dem Handheld zu Beginn ein großer, innovativer Titel gefehlt hatte. Diesen strategischen Patzer wollte Nintendo bei der Fortsetzung offenbar nicht wiederholen.

Was die wirklichen Gründe für die Priorisierung von „Nintendogs + Cats“ waren, hat Nintendo zwar nicht durchsickern lassen. Jedenfalls konnte die Haustiersimulation tatsächlich als Launchtitel des 3DS im März 2011 auf den Markt kommen – doch aufgrund dieser Planung hatte „Mario Kart 7“ das Nachsehen. In dessen Entwicklerteam entstand eine große Lücke, da einige der Mitwirkenden dem „Nintendogs“-Projekt zugeordnet wurden, darunter sogar Director Yabuki, der bei der Haustiersimulation als einer der Spieldesigner fungieren sollte. Wie Nintendo-Präsident Satoru Iwata in einem Interview mit Yubaki verriet, beunruhigte diese Nachricht sogar ihn: „Als ich davon hörte, dass Sie bei ‚Nintendogs + Cats‘ halfen, sprach ich Mr. Konno an, ob mit ‚Mario Kart [7]‘ alles in Ordnung sei.“

Ein Strich durch die Rechnung

Bis dahin wäre aber tatsächlich noch alles nach Plan verlaufen. Wie Konno erzählte, arbeitete zunächst nur „eine sehr kleine Gruppe von acht Leuten“ an „Mario Kart 7“. Weiter berichtete der Produzent: „Als wir dann […] in die Entwicklungsphase kamen, wo wir richtig hätten loslegen müssen, waren in dieser Abteilung aber auch noch viele andere Spiele in Bearbeitung. Wir hatten also ein Problem: Es gab nicht genügend Mitarbeiter für die weitere Entwicklung des Spiels.“

Was genau war geschehen? Nintendo EAD arbeitete damals an dem größten Projekt, das bis dahin je innerhalb des Studios entstanden war: „The Legend of Zelda: Skyward Sword“. Als dessen Produktionsphase 2010 um einige Monate verlängert werden musste, standen auf einmal mehrere Mitwirkende, die eigentlich bereits für andere Projekte wie etwa eben „Mario Kart 7“ eingeplant waren, für diese nicht bereit. Hinzu kam, dass Nintendo damals die Entwicklung der ersten HD-Spiele für Wii U startete, die ebenfalls viele interne Ressourcen erforderten. Diesem Umstand wäre beinahe sogar das 3DS-Spiel „The Legend of Zelda: A Link Between Worlds“ zum Opfer gefallen, dessen bis dahin aus nur drei Personen bestehendes Team im Oktober 2010 aufgelöst werden musste, auf dass es stattdessen an „Nintendo Land“ und „New Super Mario Bros. U“ mitwirke.

Für Produzent Hideki Konno (hier im Video-Interview mit Satoru Iwata) war es nicht das erste Mal, dass ein „Mario Kart“-Spiel den Startschuss für eine neue Konsole verpasste: Als er in den 1990er-Jahren mitten in den Arbeiten an „Mario Kart 64“ steckte, zog Shigeru Miyamoto einige seiner Teammitglieder ab, damit sie mit ihm an „Super Mario 64“ arbeiteten. Deswegen konnte Konnos Spiel nicht wie eigentlich geplant zum Marktstart des N64, sondern erst ein halbes Jahr später veröffentlicht werden.

Aushilfe gesucht

„Nintendogs + Cats“ verhinderte also, dass „Mario Kart 7“ zur Markteinführung des 3DS oder kurz darauf erscheinen konnte, doch nun ließ der durch „Skyward Sword“ und die beginnende Entwicklung von Wii-U-Spielen verursachte Personalmangel auch eine Veröffentlichung des Rennspiels gegen Ende des Jahres 2011 fraglich werden. „Mario Kart 7“ sollte jedoch dem 3DS zum Weihnachtsgeschäft einen kräftigen Schub geben, der später sogar dringender vonnöten sein würde, als Nintendo das hätte planen können. Um wenigstens diese Frist einzuhalten, war Konno auf Unterstützung angewiesen.

Dazu beratschlagte er sich mit den Produzenten Shinya Takahashi und Kensuke Tanabe von Software Planning & Development (SPD), jener Nintendo-Abteilung, die damals unter anderem die Zusammenarbeit mit externen Studios koordinierte. Gemeinsam gelangte man zu der Lösung, das in Texas ansässige Tochterunternehmen Retro Studios für „Mario Kart 7“ einzuspannen. Das für die „Metroid Prime“-Spiele bekannte Studio hatte damals gerade die Arbeiten am Wii-Titel „Donkey Kong Country Returns“ abgeschlossen. „Vom Zeitplan her passte die Fertigstellung dieses Spiels gut mit der bevorstehenden Arbeit an ‚Mario Kart 7‘ zusammen, bei der wir Unterstützung benötigten“, berichtete Konno. „Der Zeitplan hat gepasst, also haben wir es auch so gemacht.“

Über den Tellerrand

Dass die Retro Studios als renommierte Spieleschmiede an einem „Mario Kart“-Spiel mitwirken sollten, war eine pragmatische, primär der Not geschuldete Entscheidung. Die Texaner standen in erster Linie zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung; aus dieser Tatsache haben die Entwickler in Interviews keinen Hehl gemacht. Iwata versicherte aber, dass diese Entscheidung nichtsdestotrotz wohlüberlegt gewesen sei. „Da es um ein ‚Mario Kart‘-Spiel ging, wollten wir ein sehr leistungsfähiges Team beauftragen. Wir alle, mich eingeschlossen, haben darüber diskutiert, und nachdem wir die verschiedenen Anforderungen betrachtet hatten, haben wir uns dazu entschieden, Retro zu fragen.“

Nun ist es keineswegs etwas Ungewöhnliches, dass in der Spielebranche Unternehmen auf der ganzen Welt gemeinsam an einem Projekt arbeiten. Nintendo EAD hatte damals aber seine Spiele in der Regel größtenteils intern entwickelt. Eine so weitreichende Zusammenarbeit mit einem externen Studio, wie sie nun für „Mario Kart 7“ nötig wurde, hatte es in der langen Geschichte der Abteilung zuvor nicht gegeben. Für dieses Novum war Konno als leitender Produzent aber genau der richtige Mann, hatte er doch zu Zeiten des GameCube schon als Berater an Spielen internationaler Dritthersteller mitgewirkt.

Die Zusammenarbeit zwischen Nintendo EAD und Retro Studios wurde primär über Videokonferenzen abgewickelt, wie hier im „Iwata fragt“-Interview zu „Mario Kart 7“, zu dem Art Lead Ryan Powell, Art Director Vince Joly und Design Lead Tom Ivey zugeschaltet waren. Für Joly war die Kooperation mit einem besonders großen Ehrgefühl verbunden: „Als ich davon erfahren habe, habe ich direkt mein ‚Mario Kart Wii‘-Spiel angemacht, nachdem ich aus der Arbeit kam, und bin gegen die Geister des EAD-Teams gefahren. Dabei dachte ich: ‚Wow … und mit diesen Leuten werde ich arbeiten …‘“

Ein zaghaftes Aufeinandertreffen

Die Reaktion des „Mario Kart 7“-Teams auf die Nachricht, dass man nun mit einem Entwicklerstudio auf der anderen Seite des Pazifik zusammenarbeiten werde, fiel zunächst eher skeptisch aus. „Also, es tut mir wirklich leid, aber ich war schon irritiert“, erinnerte sich der leitende Charakterdesigner Masaaki Ishikawa in einem Interview zurück. „Ich fragte: ‚Retro …? Sind die überhaupt in Japan?‘ Wir haben diese Spielereihe immer firmenintern bei der EAD entwickelt, daher machte ich mir anfangs noch Gedanken darüber, ob sie es wirklich hinkriegen würden.“ Ein anderer wichtiger Projektmitarbeiter, Designdirector Yoshihisa Morimoto, hielt die Neuigkeit zunächst sogar nur für einen Scherz.

Repräsentativ für die Sicht der Retro Studios erzählte der leitende Designer Tom Ivey: „Es war schon interessant, weil wir ‚Donkey Kong Country Returns‘ gerade fertig stellten und eigentlich dachten: ‚Endlich Zeit zum Entspannen‘, wissen Sie? Aber ich bin damit aufgewachsen, ‚Mario Kart‘ zu spielen, und ich hänge sehr an diesen Spielen. Das war also eine aufregende Gelegenheit. Wir waren auch ein wenig nervös, weil wir das Team noch nicht kannten; wir hatten vorher mit dem SPD gearbeitet, aber noch nie mit der EAD. Deshalb war ich am Anfang etwas verunsichert, und als wir alle kennengelernt haben, war es noch ein wenig förmlich.“

Gemeinsame Arbeit zwischen Kyoto und Texas

Die anfänglichen Barrieren konnten aber rasch überwunden werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Retro Studios hatten durch ihre Arbeit unter anderem an „Metroid Prime“ ihr Talent bereits zur Genüge unter Beweis gestellt und erwiesen sich als große „Mario Kart“-Fans. Vor allem aber war es das persönliche Kennenlernen, das das Eis zu brechen vermochte. Ein gemeinsames Abendessen trug entscheidend dazu bei, dass aus den Mitgliedern zweier weit voneinander entfernter Unternehmen ein Team wurde. Tom Ivey erinnerte sich zurück, „dass [Kosuke] Yabuki einen sehr inspirierenden Trinkspruch machte, und da dachten wir: ‚Die scheinen ja echt nett zu sein‘.“ Iwata sprach von einem Gefühl, „als ob das EAD-Team eine Zweigstelle in Texas hätte.“

Unmittelbar nach Fertigstellung von „Donkey Kong Country Returns“ im Dezember 2010 stießen die Retro Studios zur Entwicklung von „Mario Kart 7“ hinzu. Ein Blick in den Abspann verrät, dass für Planung, Design, Programmierung und Sound hauptsächlich Nintendo EAD zuständig war, während die Retro Studios primär Design und grafische Umsetzung verantworteten. Unterstützende Mitwirkende ausgenommen, listet der Abspann ungefähr 38 EAD- und 33 Retro-Studios-Mitarbeitende. Die Texaner werkelten also nicht etwa, wie erste zeitgenössische Meldungen hatten vermuten lassen, nur an der auf „Donkey Kong Country Returns“ basierenden Piste, vielmehr zeichneten sie für gut die Hälfte der Strecken, Karts, Figuren und Animationen verantwortlich.

Während Nintendo EAD die neuen Strecken gestaltete, waren die Retro Studios – passend zu ihrem Namen – damit betraut, die 16 aus früheren Spielen übernommenen Retrostrecken zu entwerfen. Da die Texaner zuvor noch kein Rennspiel entwickelt hatten, empfanden sie dies, so Tom Ivey, „als tollen Einstieg […], weil wir so ja schon ungefähr wussten, wie die Strecke aussehen sollte. Deshalb war es ein perfektes Gleichgewicht zwischen schon vertrauten Inhalten, an denen wir uns orientieren konnten, und dem Erlernen des Umgangs mit den neuen Tools und Methoden der EAD.“

Konzeptgrafiken zu „Mario Kart 7“ aus dem Hause Retro Studios. Anscheinend hat das texanische Unternehmen auch Ideen für neue Strecken geliefert, denn mit Bezug auf diese Bilder erklärte Morimoto: „Ich habe hier Konzeptzeichnungen, die Retro uns vorgelegt haben, aus denen dann auch wirklich neue Strecken entwickelt wurden.“

Ein butterweiches Rennerlebnis

Doch nicht nur der Zeitdruck und die Kooperation mit einem externen Entwicklerstudio auf der anderen Seite der Weltkugel machten die Entwicklung von „Mario Kart 7“ zu einer besonderen Herausforderung. Hinzu kam, dass das Spiel für eine neue Plattform entstand, mit der die Entwickler noch nicht viel Erfahrung hatten sammeln können, und anders als etwa ein „Nintendogs + Cats“ technisch weitaus größere Anforderungen stellte. Eine zentrale Zielsetzung sah vor, dass das actionreiche Rennspiel mit einer flüssigen Bildrate von konstanten 60 Bildern pro Sekunde laufen sollte – auch im Online-Modus mit insgesamt acht Spielern.

Um dies zu gewährleisten, legten die Programmierer ihr Hauptaugenmerk auf die flüssige Bildrate. Erst wenn diese sichergestellt war, fügten sie weitere von den Designern gewünschte Grafikdetails ein. Bereits entworfene Strecken mussten immer wieder optimiert werden, sodass die Hardware nie so viele Polygone und Effekte auf einmal berechnet, dass die Bildrate einbrechen würde. Insbesondere die breit angelegten Pisten wie Wuhu-Bergland bereiteten in dieser Hinsicht Schwierigkeiten.

Enthüllung auf der E3 2010

Erstmals angekündigt wurde „Mario Kart 7“ auf der E3 2010, wo auch der Nintendo 3DS seine Weltpremiere feierte. Da sich das Spiel damals erst wenige Monate in der Mache befunden hatte, konnte Nintendo noch keine spielbare Probeversion vorweisen. Stattdessen gab es vor Ort auf dem 3DS eine Videodemo zu sehen, die den 3D-Effekt veranschaulichen sollte und Mario und Luigi zeigte, wie sie über neue Strecken wie etwa Marios Piste oder Wuhu Tour düsten. Einen richtigen Trailer zum noch unbetitelten neuen „Mario Kart“ veröffentlichte Nintendo auf der E3 2010 nicht. Stattdessen wurden einige Screenshots bereitgestellt, die aber kaum drastische Unterschiede zur erst gut eineinhalb Jahre später veröffentlichten Endversion aufweisen.

Viele der charakteristischen Funktionen und Neuerungen, die das finale „Mario Kart 7“ später bieten würde, glänzten auf der E3 2010 noch samt und sonders durch Abwesenheit, etwa Stunts, Münzen oder Flug- und Unterwasserabschnitte. So bestand in der ersten Berichterstattung die aufregendste Neuerung des Spiels darin, dass die Fahrer nun einander anblicken, wenn sie sich nähern – ein Beispiel für die im Vergleich zu früheren „Mario Kart“-Spielen erhöhte Lebendigkeit der Grafik. Rückblickend wird deutlich, dass damals der Großteil der Spielinhalte jenseits des Kernsystems noch nicht erstellt war; die Retro Studios sollten ja erst Ende 2010, also mehrere Monate nach der E3, als substantielle Aushilfe zum Projekt hinzustoßen.

Die Videodemo zu „Mario Kart 7“ von der E3 2010 ist nie einer breiteren Öffentlichkeit jenseits des Messegeländes gezeigt worden. Das einzig bekannte Material findet sich in diesem verwackelten Off-Screen-Video (ab 0:20). Das Video ist übrigens auch das bis heute einzig bekannte Material zur E3-2010-Version von „Paper Mario: Sticker Star“, die sich noch deutlich näher an den früheren Serienteilen orientiert hatte (mehr dazu in „Inside Nintendo 132“).

Keine spannenden Beta-Funde

Da die wichtigsten neuen Ideen wie gesehen schon früh feststanden – auf der E3 2010 waren sie vermutlich bewusst den Augen der Öffentlichkeit vorenthalten worden –, konnte die Entwicklung abgesehen von den Personalproblemen anscheinend reibungslos ablaufen. Diesem Eindruck entsprechend ergeben sich weder aus früherem veröffentlichtem Material noch aus einer Analyse der Spieldaten Hinweise auf größere verworfene Funktionen oder Spielelemente. Es verbirgt sich lediglich eine ungenutzte Strecke im Programmcode, bei der es sich um eine frühere Version von Marios Piste handelt. Darüber hinaus weisen ungenutzte Einträge in einer internen Datei darauf hin, dass ursprünglich auch die Schwindel-Box sowie der Riesenpilz als Items auftauchen sollten.

Viele Neuigkeiten rund um „Mario Kart 7“ gab es in der Zeit nach der E3 2010 nicht. Im Mai 2011 erklärte Konno im Interview mit der Zeitschrift Nintendo Power, dass er nun, da „Nintendogs + Cats“ fertiggestellt sei, mehr Zeit und Energie in das neue „Mario Kart“-Spiel investieren könne. „Wir möchten eine Menge neuer Elemente in das Spiel einbringen“, sagte er außerdem, „und ich freue mich auf den Zeitpunkt, zu dem ich diese Elemente ankündigen kann.“ Mehr werde man vermutlich auf der nächsten E3 verraten können.

Die glückliche Sieben

So feierte das 3DS-Rennspiel auf der E3 2011 endlich seinen großen Auftritt. Messebesucherinnen und -besucher durften Hand an eine Demoversion anlegen, während Daheimgebliebene dank eines kostenlosen 3D-Trailers auf ihren 3DS-Systemen ebenfalls eigene Einblicke erhalten konnten. Im Rahmen der Spielemesse wurden außerdem die Mitwirkung der Retro Studios sowie der finale Name „Mario Kart 7“ bekanntgegeben. Was Letzteren betrifft, kommentierte Shigeru Miyamoto in einem Interview: „Es war für uns tatsächlich sehr mühevoll, uns den Titel auszudenken“. Die Sieben, die im Spiel übrigens sogar ein eigenes neues Item erhalten hat, sei aber schließlich auch eine Glückszahl.

Glück hatte Nintendo mit „Mario Kart 7“ wahrhaftig, denn es sollte sich als überaus glückliche Fügung erweisen, dass der Konzern Ende 2010 die nötigen Maßnahmen ergriffen hatte, um das Rennspiel noch Ende 2011 veröffentlichen zu können. Der Erscheinungstermin konnte nämlich nicht nur für Fans der Reihe, sondern auch für Big N selbst nicht schnell genug nahen, hatte der 3DS sich doch nach seinem mauen Start im März als Ladenhüter erwiesen und Nintendo zu einer beispiellosen Preissenkung gezwungen. Als Hauptproblem wurde ein Mangel an neuen interessanten Spielen identifiziert. „Nintendogs + Cats“ war für den Großteil der Spielenden schlichtweg kein hinreichender Grund für den Kauf einer neuen Spielekonsole – die Priorisierung zuungunsten von „Mario Kart 7“ erwies sich als Fehler.

Platz 1 für Mario Kart 7!

Am 2. Dezember 2011 auf den Markt gekommen, stellte „Mario Kart 7“ mit dem nur zwei Wochen zuvor erschienenen „Super Mario 3D Land“ ein mächtiges Argument für den Kauf eines 3DS dar. Dank dieses mächtigen Doppelpacks sollte es Nintendo wider Erwarten gelingen, das Ruder bereits mit dem Weihnachtsgeschäft 2011 herumzureißen. Schlussendlich konnte der 3DS doch noch als Erfolg in die Geschichtsbücher eingehen. So hat jenes Rennspiel, das gewissermaßen bereits Einfluss auf das Konzept der im Entstehen begriffenen 3D-Konsole ausgeübt hatte, auch den Weg zum kommerziellen Erfolg des Handheld (mit-)geebnet.

Offiziellen Angaben zufolge ging „Mario Kart 7“ weltweit 18,95 Millionen Mal über die Ladentheken; es handelt sich damit um das erfolgreichste 3DS-Spiel überhaupt. Ob sich dieser Erfolg auch ohne die Retro Studios, die das Projekt aus der Krise gerettet hatten, eingestellt hätte? Zumindest hätte Nintendo ohne die Hilfe dieses Teams auf der anderen Seite des Pazifik das Rennen gegen die Zeit wohl nicht gewinnen können. Und so, wie „Mario Kart 7“ zwei recht unterschiedliche Entwicklerteams zusammengeschweißt hat, bereitete es auch Millionen Spielerinnen und Spielern auf der ganzen Welt gemeinsame Freude.

Hauptquelle: „Iwata fragt: Mario Kart 7“, Nintendo.de, 2011. Zusätzliche Quellen sind im Text verlinkt.

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