Remakes sind ein zweischneidiges Schwert. Sie sind eine gute Gelegenheit, geliebte Spiele zurückzubringen, aber bergen die Gefahr, dem Original nicht gerecht zu werden. „Another Code Recollection“ gerät bei diesem Drahtseilakt ins Stolpern.
Flashback
„Another Code Recollection“ ist eine Sammlung aus zwei Adventure-Spielen. Der erste Teil „Another Code: Doppelte Erinnerung“ erschien 2005 für den Nintendo DS, 2009 folgte der Nachfolger „Die Suche nach der verborgenen Erinnerung“ für die Nintendo Wii. Trotz des verhaltenen Erfolgs genießt insbesondere der erste Teil bis heute einen guten Ruf. Als eines der ersten Spiele auf dem Nintendo DS wurden die neuen Eingabemöglichkeiten des Handhelds mit Mikrofon, Touchscreen und zwei Bildschirmen in clevere Rätsel eingebunden. Das Spiel erzählt die Geschichte der 14-jährigen Ashley Robinson, die auf eine entlegene Insel reist, um ihren totgeglaubten Vater kennenzulernen. Auf der Insel angekommen, holt sie die Vergangenheit gleich doppelt ein als sie den Geist des Jungen D kennen lernt, der sich nicht an seinen Tod erinnern kann. Auf der Suche nach Ashleys Vater erforschen sie die Insel und ergründen ihre Vergangenheiten.
Der zweite Teil setzt die Geschichte von Ashley fort. Bei einem Ausflug an den Lake Juliet, holt sie die Vergangenheit und ihre verstorbene Mutter ein. Außerdem lernt sie den von zuhause ausgerissenen Matthew kennen, der ein ähnlich tragisches Schicksal mit Ashley teilt. Im Vergleich zum ersten Teil leidet „Die Suche nach der verborgenen Erinnerung“ an einer schleppenden Erzählweise. Heute gilt es aber häufig als unterschätzt. Womöglich wäre die Reihe weitererzählt worden, wenn das Entwicklerstudio Cing nicht hätte schließen müssen. Entsprechend düster sah es lange um eine Rückkehr von „Another Code“ aus.
Runderneuert
Zwar ist es keine Fortsetzung geworden, aber „Another Code Recollection“ vereint beide Spiele in einem Remake mit neuer Optik und zeitgemäßer Technik. Gerade der erste Teil profitiert von dieser Generalüberholung. Statt Vogelperspektive und Standbildern, erstrahlt die Blood Edward-Insel jetzt als vollbegehbare 3D-Spielwelt. Das selbe gilt für die Umgebung von Lake Juliet aus dem zweiten Teil, die im Original bloß in zwei Richtungen begehbar war. Ashley und die anderen Protagonisten sind jetzt 3D-animiert und bekommen dank Motion-Capturing und englischer Vertonung Leben eingehaucht. Zum Teil wurde das Aussehen der Charaktere angepasst, was man zum Beispiel an Ashleys Vater Richard oder Matthew gut festmachen kann.
Im Vergleich zu den Originalen ist „Another Code Recollection“ jetzt deutlich bunter und farbenfroher. Der Nintendo DS-Teil setzte viel auf Braun-Grün-Farbtöne. Die gezeichneten Umgebungsbilder wirkten dadurch realistisch, der Zeichenstil der Charaktere erinnerte an erwachsene Mangareihen. Der Unterschied fällt beim zweiten Teil geringfügiger aus, obwohl die charakteristische an Wasserfarben erinnernde Optik wegfällt. Die Neuauflage wirkt daher verspielter. Ob das gefällt, ist subjektiv. Durch die 3D-Spielwelt fallen die leeren und leblosen Schauplätze dafür stärker auf. Gerade „Die Suche nach der verborgenen Erinnerung“ hätte von einer lebendigeren Natur profitiert, die der Spielwelt am Lake Juliet mehr Leben einhaucht.
Erinnerungslücken
Inhaltlich wurden die wichtigen Handlungspunkte beibehalten, aber teilweise die Reihenfolge von Ereignissen und Dialogen geändert. Ohne zu viel vorweg zu nehmen, dreht es sich in beiden Spielen thematisch um Traumata, Erinnerungen und den Umgang mit diesen. Über viele Strecken stehen die tragischen Geschichten Ashleys Begleiter im Mittelpunkt. Durch gefundene Hinweise füllt ihr die Erinnerungslücken von D und Matthew. Wie ein Puzzle setzen sich die Erinnerungen zusammen und enden in einem großen Finale. In „Doppelte Erinnerung“ ergründet ihr die Geschichte von D’s Familie und der Blood-Edward-Insel. In „Die Suche nach der verborgenen Erinnerung“ erfahrt ihr was die Firma J.C. Valley mit dem Verschwinden von Matthews Vater zu tun hat.
Trotz Schwächen in der Erzählweise, gelingt es beiden Geschichten, emotional zu berühren. Dadurch lässt sich über die teils holprigen Dialoge oder unlogischen Handlungen besser hinweg sehen. Das Remake vergeudet aber die Gelegenheit, diese Schwächen auszubessern. Bemerkenswert ist, wie clever die Geschichte in die Spielwelt und Rätsel eingebunden wird. Das gelingt in „Doppelte Erinnerung“ eleganter als in D„ie Suche nach der verborgenen Erinnerung“. Dafür werden die einzelnen Handlungsstränge im zweiten Teil besser miteinander verwoben.
Geringerer Rätselanteil
Im Original griffen die zahlreichen Rätseleinlagen stark auf die Möglichkeiten von Nintendo DS und Wii zurück. Das populärste Beispiel von vielen ist ein Rätsel, für dessen Lösung man den Nintendo DS zuklappen musste. Dass sich das nicht auf der Switch umsetzen lässt, war vorab absehbar und entsprechend fehlen derartige Rätsel in „Another Code Recollection“. Aber auch gewöhnlichere Rätsel wurden entfernt.
Der Rätselanteil ist dadurch merklich geringer als in den Originalen. Teils wurden die Rätsel ersetzt, können aber an die Verspieltheit der Originale nicht heran ragen. Die wenigen Einsätze des Bewegungssensor können dies nicht auffangen. Bei den Rätseln, deren Lösung in der Spielumgebung zu finden ist, bleibt der Einfallsreichtum weiterhin hoch. Wenn ihr hauptsächlich der Geschichte folgen wollt, könnt ihr dank eines Hinweissystems die Rätsel ohne große Mühen lösen.
Zwei unterschiedliche Spiele
Teils wirkt es, als wolle „Another Code Recollection“ darüber hinwegtäuschen, dass es aus zwei Spielen besteht. Der zweite Teil lässt sich erst nach Abschluss des ersten Teils spielen und wird nahtlos fortgesetzt. Trotz eines Zeitsprungs funktioniert dies inhaltlich gut, denn der zweite Teil baut auf die Geschehnissen aus dem ersten Teil auf. Dennoch merkt man einen Bruch, da der erste Teil sich stärker auf die Rätseleinlagen fokussiert, während der zweite Teil stärker von den Charakteren und Dialogen angetrieben wird. Dafür benötigt „Die Suche nach der vergessenen Erinnerung“ länger um Fahrt aufzunehmen und ihr müsst euch in der Mitte auf einige Längen einstellen. Abhängig von eurer Geschwindigkeit, sind beide Spiele in 15 bis 20 Stunden durchgespielt.
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