Shigeru Miyamoto in seinem Büro, Anfang 1990 (Quelle: Nintendo Power Januar/Februar 1990)
Die graue Urzeit: Das Creative Department
Nintendo besteht bereits seit 1889 und war jahrzehntelang ein angesehener Hersteller des japanischen Kartenspiels Hanafuda. Gegründet wurde Nintendo vom japanischen Unternehmer Fusajiro Yamauchi. Der Mann seiner Tochter, Sekiryo Yamauchi, trat später Fusajiros Nachfolge als Präsident von Nintendo an. Als dieser 1949 verstarb, übernahm sein Enkel Hiroshi Yamauchi das Familienunternehmen. Hiroshi hatte eine schwierige Kindheit und begann das Unternehmen komplett zu erneuern. Unter seiner Leitung wandte sich Nintendo zahlreichen weiteren Märkten zu. So kam es, dass man in den 1970er Jahren auch in den aufsteigenden Markt der elektronischen Unterhaltung einsteigen wollte.
Die wegweisende, kreative Persönlichkeit zu dieser Zeit war Gunpei Yokoi, der als Erfinder des Game Boy gilt. Yokoi war Manager der einzigen Forschungs- und Entwicklungsabteilung des Unternehmens, die unter dem äußerst kreativen Namen Research & Development 20 Mitarbeiter umfasste. Daneben gab es ein Creative Department, das anfangs aus fünf Designern bestand. 1979 wurde ein gewisser Shigeru Miyamoto angestellt und zunächst diesem Creative Department zugewiesen. Miyamoto, der keinerlei Erfahrung in der Spieleentwicklung hatte, gestaltete zunächst Artworks für Arcade-Gehäuse.
Der unter Miyamotos Mitarbeit entstandene Arcade-Automat „Radar Scope“, auf den das neugegründete Tochterunternehmen Nintendo of America gesetzt hatte, wurde zu einem gewaltigen Flop. Nintendo of America stand am Untergang. Yamauchi beauftragte daher den einzig nicht ausgelasteten Nintendo-Designer, die Automaten in ein neues, erfolgreiches Spiel umzuwandeln. Die Wahl fiel auf niemand anderen als Miyamoto, der zu diesem Zwecke der ersten der inzwischen in drei Abteilungen aufgespaltene R&D zugeordnet wurde. Unter Leitung seines Mentors Yokoi entstand in der ersten Hälfte 1981 ein Arcade-Spiel, das Nintendo vor dem Bankrott bewahrte und die Industrie stark prägte – „Donkey Kong“.
Research & Development 4 wird gegründet
Warum wir euch davon berichten? Nun, das Creative Department gilt als Vorgänger der heutigen EAD und diese wiederum konnte nur aufgrund Miyamotos völlig unverhofften Erfolges entstehen.
Yamauchi erkannte natürlich das große Potenzial von Nintendos neuem Topdesigner. Miyamoto erhielt die Erlaubnis, weitere Spiele zu erschaffen. So folgte 1982 „Donkey Kong jr.“, das den phänomenalen Erfolg seines Vorgängers aber nicht gänzlich zu erreichen vermochte. 1983 machte Yamauchi einer seiner wohl brillantesten Entscheidungen und gründete Research & Development 4, eine gesamte Entwicklungsabteilung nur für Miyamoto. Als General Manager, also obersten Abteilungsleiter, setzte Yamauchi einen Mann namens Hiroshi Ikeda ein, der zuvor ein ranghoher Mitarbeiter von Toei Animation war. Miyamoto fungierte in der Hierarchie von R&D4 formal als Chefproduzent. Sein „Donkey Kong“-Spin-off namens „Mario Bros.“ entwickelte Miyamoto aber noch mit R&D1, da seine eigene Abteilung zu dieser Zeit noch nicht bereit für die Spieleentwicklung war.
Ikeda heuerte Miyamotos Mitarbeiter für R&D4 an: Takashi Tezuka und Kenji Miki als Hauptdesigner und seinen ehemaligen Toei-Kollegen Minoru Maeda. So bestand das R&D4-Designteam der ersten Tage aus vier Mitwirkenden, darunter Miyamoto als Produzent. Dieses Team hatte viele große Ideen, aber es fehlte noch eine Gruppe von Programmierern, die diese Ideen lebendig machen würde. Zu dieser Zeit arbeitete die Schwesterabteilung R&D2 mit dem Unternehmen SRD, mehr darüber in einer späteren „Inside Nintendo“-Ausgabe, an Portierungen von Arcade-Spielen für das Famicom, Nintendos erste Heimkonsole. Das von Toshihiko Nakago geleitete Unternehmen konnte so eine große Erfahrung mit der Famicom-Programmierung aufbauen. Schließlich wurde Nakagos Team R&D4 zugeordnet. Hinzu kam ein Komponistenteam bestehend aus Koji Kondo, Akito Nakatsuka sowie Soyo Oka, und schon konnte R&D4 mit der Spieleproduktion beginnen.
1984 erschien die erste Welle an R&D4-Spielen, bestehend aus „Devil World“ und „Excitebike“. Ein Jahr später folgte eine NES-Portierung von „Kung-Fu“ sowie „Ice Climber“, das vom neuen R&D4-Mitarbeiter Tadashi Sugiyama gestaltet wurde. „Ice Climber“ und „Excitebike“ sind heute noch relativ bekannt, wurde ersteres doch einige Male portiert und letzteres zu einer kompletten Franchise. Doch der große Durchbruch sollte R&D4 erst mit den folgenden Spielen beginnen.
Die EAD-Urgesteine Takashi Tezuka (links) und Shigeru Miyamoto (1998)
The Legend of Super Mario
Im Dezember 1984 begannen Miyamoto und Tezuka die Arbeiten an einem Spiel, das zu einem der einflussreichsten der Videospielgeschichte wurde. Umgesetzt von drei SRD-Programmierern und mit einem Score von Kondo erschien das Spiel in Japan am 13. September 1985. Es handelt sich um kein anderes als „Super Mario Bros.“ In Amerika erschien es 1985 oder 1986 – ja, der genaue Erscheinungstermin zu einem der wichtigsten Videospiele der Geschichte lässt sich nicht ermitteln – im Mai 1987 wurde es auch auf den europäischen Markt gebracht. „Super Mario Bros.“ gilt als Ende des sogenannten Video Game Crash, dem Zusammenbruch der amerikanischen Videospielindustrie. Es verhalf dem NES im Westen zum Durchbruch und wurde mit 40 Millionen Verkäufen zu einem gewaltigen Erfolg. Hauptcharakter Mario ist noch heute das Maskottchen Nintendos.
Das gleiche sechsköpfige Team unter Miyamotos und Tezukas Leitung entwickelte im Prinzip gleichzeitig ein weiteres Spiel, das zu einem der wichtigsten Nintendo-Franchises wurde. „The Legend of Zelda“ war 1986 in Japan ein Launchtitel für das Famicom Disk System, im Westen erschien es als goldenes Modul. Entgegen den Erwartungen wurde auch „The Legend of Zelda“ ein großer Erfolg.
Nur noch Nachfolger oder obskure Spiele
Durch den Erfolg von „Super Mario Bros.“ und „The Legend of Zelda“ erhielt R&D4 neue Mitarbeiter und scheint sich in zwei Teams aufgeteilt zu haben. Ein Team stand nur in geringem Einfluss von Miyamoto und Tezuka. Das erste Spiel dieses Teams war wohl „The Mysterious Murasame Castle“, das 1986 nur in Japan erschien und hauptsächlich von Minoru Maeda entwickelt wurde. Dieses Spiel wäre fast in die ewige Versenkung geraten, rückte 2012 aber wieder ins Rampenlicht. Grund war eine dem Spiel gewidmete Attraktion im Wii U-Spiel „Nintendo Land“; die Attraktion heißt „Takamarus Ninja-Festung“.
Die folgenden Spiele lassen sich unserer Definition nach auch diesem Team zurodnen. Nur in Japan erschienene Famicom-Titel wie „Famicom Mukashibanashi: Shin Onigashima“ oder „Famicom Grand Prix: F1 Race“ haben gemein, dass sie weitestgehend absolut unbekannt sind und EAD-Größen wie Miyamoto und Tezuka kaum direkt beteiligt waren. Diese Spiele waren aber offenbar kein großer Erfolg, denn nach dem 1989 erschienenem „Famicom Mukashibanashi: Yuyuki“ brachte R&D4 keine solchen Spiele mehr hervor.
Viel interessanter ist, was Miyamoto und Tezuka hervorbrachten. Die restliche NES-Ära entwickelte ihr R&D4-Team Nachfolger ihrer zwei großen Hits. Da war zunächst „Super Mario Bros. 2“ (das japanische, das dem Westen zunächst vorenthalten wurde und später als „The Lost Levels“ erschien), zwei Jahre später gefolgt von „Super Mario Bros. 3“ sowie „Zelda II: The Adventure of Link“. Dazwischen blieb aber auch Zeit für ein bedeutendes Spiel, das keiner dieser zwei Franchises angehört. „Yume Kōjō: Doki Doki Panic“ (1987) war eine Auftragsarbeit der R&D4 für den japanischen Fernsehsender Fuji Television. Da es zu dieser Zeit in Amerika kein neues „Mario“-Spiel gab, wurde „Doki Doki Panic“ umentwickelt und erblickte als „Super Mario Bros. 2“ im Westen das Licht der Welt.
EAD-Gruppenfoto der Entwickler von „A Link to the Past“ (1991)
Größer und größer für die Zukunft
R&D4 war Ende der 1980er Jahre stark angewachsen. Das letzte große NES-Spiel, „Super Mario Bros. 3“, beanspruchte sieben EAD-Mitarbeiter und drei SRD-Programmierer. Alle Beteiligten sind heute hochrangige Nintendo-Manager, ein steiler Aufstieg für die R&D4-Neuzugänge.
Doch 1989 erschien kein nennenswerter R&D4-Titel. Warum? Nun, bei Nintendo liefen die Arbeiten an einem Nachfolger des NES auf Hochtouren und R&D4 war selbstredend mit der Produktion einiger Launchtitel beschäftigt. So begann die SNES-Ära für R&D4 mit einer weiteren Expansion, einer Umstrukturierung sowie einer Umbenennung. Seit 1989 trägt die Abteilung den Namen EAD.
Mit der Geschichte der EAD während der SNES- und N64-Ära geht's im nächsten Teil von „Inside Nintendo“ weiter!
Bisher gibt es 14 Kommentare
@Garo-Meister: Achso, da hast du natürlich recht. Hab ich korrigiert.
Bei der Super Mario Bros. 2-Sache ging es nicht um Ausführlichkeit, sondern darum, dass ein Fehler gemacht wurde, da erst die mherere jahre später erschienene All-Stars-Fassung Lost Levels hieß. Das Spiel hieß zu der Zeit einfach Super Mario Bros. 2.
Auch die SMB2-Sache war mir für den Artikel zu ausführlich, da die meisten das ja ohnehin wissen.
Bericht war ansonsten schön zu lesen.
Wahrscheinlich hätten sie ihr Geschäft mit dem Liebeshotel und Taxiunternehmen weitergeführt
(Kein Scherz! Hatte Nintendo wirklich!)
freu mich schon auf den nächsten Teil.