Im Jahr 2017 war es nur ein Logo, das man während einer Nintendo E3-Präsentation enthüllte, doch heute ist es endlich Realität: „Metroid Prime 4: Beyond“ erscheint in Kürze. Ich habe mich rund 13 Stunden mit Samus Aran über den Planeten Viewros gekämpft, gesucht und gepeitscht und bin dabei Zeuge eines einzigartigen Spiels geworden, das starke Höhepunkte setzt, mich immer wieder beeindruckt und nur an einigen Stellen zeigt, dass selbst ein großer Wurf nicht ganz ohne Ecken und Kanten auskommt. Das Warten hat ein Ende, Zeit also, tiefer einzutauchen und zu klären: Wie gut ist „Metroid Prime 4: Beyond“ wirklich?

Der Ruf der Lamorn
Mein Eindruck aus der Preview hat sich im Test voll bestätigt: Nach dem turbulenten Prolog, der Samus inmitten eines chaotischen Gefechts zwischen Föderationstruppen und Weltraumpiraten versetzt, verlagert sich der Fokus schnell wieder auf das, was „Metroid Prime“ seit jeher auszeichnet – Einsamkeit, Erkundung und Atmosphäre. Die Auseinandersetzungen zu Beginn führen Samus auf den geheimnisvollen Planeten Viewros, wo sie im Auftrag der außerirdischen Lamorn fünf sagenumwobene Schlüssel finden soll.
Die genannte Mission bildet das erzählerische Grundgerüst für das Spiel und führt die Spielenden nacheinander durch fünf große, sehr unterschiedliche Gebiete, die jeweils ihren eigenen Ton, Stimmung und ihren eigenen Schwerpunkt setzen.
Durch fünf Welten musst du gehen
Den Anfang macht der Dschungel des Zorns, den ich bereits beim Anspielen kennenlernen durfte. Der Dschungel ist ein dicht bewachsenes Urwaldgebiet, das mit seiner musikalischen Untermalung und der dichten Geräuschkulisse sofort das vertraute Prime-Feeling zurückbringt. Hier lernt man die ersten Psy-Mechaniken kennen, die das Gameplay im gesamten Spiel immer wieder prägen werden.
Wesentlich technischer präsentiert sich daraufhin die Volt-Schmiede, die nicht nur als Geburtsstätte des Vi-O-La-Bikes dient, sondern später wichtige Upgrades für den fahrbaren Untersatz von Samus bereithält.
Mein persönliches Highlight der fünf Gebiete war jedoch der Eisgürtel, ein eisiger, schneebedeckter Abschnitt mit starkem Fokus auf intensivem Leveldesign, Atmosphäre und cleverem Einsatz Samus' unterschiedlicher Fähigkeiten. Von allen der fünf Abschnitte hatte ich hier das eindrücklichste Spielerlebnis.

Der Eisgürtel war mein absoluter Favorit unter den Arealen
Über die gesamte Reise hinweg haben mich die einzelnen Gebiete äußerst beeindruckt, gerade die unterschiedlichen Stimmungen, der teils wirklich eindringliche Gameplay-Mix aus Shooting, Scannen, Morphball-Passagen und teils klug angelegten Rätseln, schuf ein großartiges Spielerlebnis, dass sich vor seinen Vorgängern ganz und gar nicht zu verstecken braucht. Vor allem ist es die Abwechslung die hier von Gebiet zu Gebiet vorherrscht, die sehr motivierend ist. Zwar bleiben die Kern-Gameplaymechniken gleich, jedes Areal führt dabei etwas Neues ein und hat jeweils einen ganz eigenen Ansatz in der Grundidee.
Samus wie eh und je?
Wer bereits ein „Metroid Prime“-Spiel absolviert hat, wird sich im neuesten Ableger sofort zurechtfinden. Geschossen wird weiterhin in der Ego-Perspektive mit einer zuverlässigen Lock-On-Funktion, die dafür sorgt, dass Beams und Raketen sicher ihr Ziel treffen. Gleichzeitig bleibt jederzeit Raum für manuelle Korrekturen. Besonders gelungen fand ich hier die Variante mit Gyrosensor: Durch kleine Bewegungen des Pro Controllers lassen sich präzise Anpassungen vornehmen, was vor allem bei schnellen Gegnern hilfreich ist, um Projektile gut vorzuhalten. Auch bei den hervorragend designten Bossen hat mir diese Methode mehrfach geholfen, da empfindliche Stellen häufig nicht direkt anvisierbar sind.
Neue Psy-Fähigkeiten – frischer Wind fürs Rätseldesign
Neben den bekannten Shooterpassagen bietet „Metroid Prime 4: Beyond“ aber auch echte Neuerungen. Allen voran stehen die Psy-Fähigkeiten, die überwiegend in Umgebungsrätseln und seltener im Kampf zum Einsatz kommen.
Der Psy Visor ermöglicht es, Inschriften und Hinweise der Lamorn zu entziffern – ein wichtiges Werkzeug, um Zusammenhänge zu verstehen oder verborgene Elemente aufzuspüren.

Hier hilft die Psy-Fähigkeit etwas aus dem Weg zu räumen
Der Control Beam wiederum dient dazu, entfernte Türen oder Schalter zu aktivieren. Das Projektil kann nach dem Abschuss gelenkt werden und fühlt sich dadurch ein wenig wie eine ferngesteuerte Drohne an. Gelegentlich lässt sich der Control Beam auch offensiv nutzen, da die Dreifachkugel der Lamorn die Zeit verlangsamt – ein praktischer Vorteil bei besonders schnellen Gegnern.
Auch der Morph Ball erhält im Verlauf der Geschichte ein Psy-Upgrade. Neu ist, dass Psy-Bomben nicht nur platziert, sondern auch aufgenommen und aus der Distanz neu positioniert werden können. Die Mechanik funktioniert gut, kam für meinen Geschmack aber etwas zu selten zum Einsatz.
Elementarschüsse – simpel, aber effektiv
Einen wichtigen Anteil am späteren Spielgeschehen nehmen die Elementargeschosse ein. Neben dem Fire Shot und Ice Shot ergänzt der Thunder Shot das Trio. Das dahinterliegende Prinzip ist bekannt. Feuer ist effektiv gegen Eisgegner, Eis funktioniert hervorragend gegen Hitzewidersacher und der Thunder Shot verursacht Flächenschaden, wirkt somit gegen gleich mehrere Feinde und kann außerdem mechanische Systeme wieder aktivieren
Revolutionär sind diese Elemente nicht – und müssen es auch nicht sein. Sie bringen sinnvolle Abwechslung in Kämpfe und Rätsel. Oft reicht der Standardbeam völlig aus, doch mit dem richtigen Element ging ich stellenweise spürbar schneller durch Gegnergruppen und hielt mich hier weniger lange auf.

Der Morph Ball sorgt hier für den richtigen Antrieb
Steuerungsoptionen – viel Auswahl, sauber umgesetzt
Erfreulich umfangreich fallen die Steuerungsoptionen aus: Pro Controller, Joy-Con mit optionalem Mausmodus sowie die klassische Zeigersteuerung stehen zur Wahl. Alle Tastenbelegungen lassen sich frei anpassen, was die Zugänglichkeit spürbar erhöht.
Ich habe das gesamte Spiel mit dem Pro Controller bestritten und war mit der präzisen Eingabe jederzeit zufrieden. Der Mausmodus ist eine nette Dreingabe, bot aber aufgrund des dominierenden Lock-On-Systems für mich keinen großen spielerischen Vorteil.
Die Föderation als erzählerisches Rückgrat
Überraschend viel erzählerische Stärke gewinnt „Metroid Prime 4: Beyond“ durch die Einbindung der föderalen Soldaten, die gemeinsam mit Samus auf Viewros stranden. Statt anonyme Statisten abzuliefern, gibt das Spiel jedem dieser Figuren ein klares Profil: vom übervorsichtigen, aber moralisch gefestigten Ingenieur Myles MacKenzie, über den stillen Einzelgänger Tokabi und den kampferprobten Veteranen Sergeant Duke bis hin zur enthusiastischen Armstrong, die Samus bewundert und mit technischer Intuition glänzt. Selbst der emotionslose Android VUE-995 bringt durch seine „Pseudo-Emotionen“ interessante Nuancen und den ein oder anderen Unterhaltunswert mit sich und wird obendrein sogar fürs Gameplay interessant.

Private First Class Armstrong ist uns ein bisschen ans Herz gewachsen
Die Gruppe sorgt dafür, dass die Geschichte deutlich persönlicher wirkt, als es reine Textboxen hätten leisten können. Wenn Samus mit diesen Charakteren zusammenarbeitet, entsteht spürbare Bindung – mehr, als man es aus früheren Prime-Teilen gewohnt ist. Einzig schade: Samus selbst bleibt emotional weiterhin distanziert; oft bleibt es bei ihrem ikonischen Kopfnicken, wo ein wenig mehr Ausdruckskraft die Szenen noch stärker getragen hätte. Aber klar: Die Möglichkeit Samus auch eine Stimme zu geben oder gar ihre Emotionen ohne Helm sichtbar zu machen, ist eine durchaus umstrittene.
Trotzdem: Die Soldaten geben dem Spiel eine erzählerische Ebene, die das Abenteuer spürbar bereichert und mich viel stärker in die Handlung gezogen hat.
Nehmen sie Platz Ms Aran
In „Metroid Prime 4: Beyond“ steht Samus erstmals ein eigenes, steuerbares Vehikel in Form eines Motorrads zur Verfügung. Der offizielle Name des Kraftrads lautet Lamorn Neuro Bike Mark VII und sollte euch eher unter dem Titel Vi-O-La bekannt sein. Das Schöne: Samus kommt nicht mir nichts dir nicht zum fahrbaren Untersatz, vielmehr ist das Bike geschickt in die Erzählung eingewoben, was die Wertigkeit auch als Gameplay-Element deutlich nach oben setzt. Vi-O-La ist nicht bloß irgendein Pferd auf das man schnell mal aufsattelt, sonders hat spielerische Relevanz, die über die Fortbewegung hinausgeht. In einigen Gebieten ist es sogar der Schlüssel zu zuvor unerreichbaren Arealen.
Zusätzlich macht das reine Fahren des Bikes richtig Spaß. Es entwickelt sich ein gutes Geschwindigkeitsgefühlt und dank der Möglichkeit zu driften, manövriert man Vi-O-La auch vollends sicher durch die verschiedenen Welten und die Wüste.

Einfach badass
Eine Wüste?
Das große, zentrale Gebiet das alle fünf Areale des Spiels verbindet ist das so genannte Sol-Tal, eine Wüste inmitten des Planeten Viewros. Und damit kommen wir leider zu meinem Hauptkritikpunkt am Spiel. Während die früheren „Prime“-Teile meist mit zentral verbundenen Regionen arbeiteten – sei es Tallon Overworld, oder die Light/Dark-Welten in „Echoes“ – setzt „Metroid Prime 4“ mit seinem offenen Wüstenareal auf einen neuen Ansatz, den ich in der Sache nachvollziehen kann, der jedoch zu lieblos umgesetzt ist.
Das Sol-Tal fungiert als recht große Hub-Welt in deren äußersten Ecken und Rändern sich jeweils die Areale zur Erkundung befinden. Durchquert wird diese Wüste mittels Bike, was angesichts ihrer Größe auch nötig ist. Leider ist das Ödland genauso staubtrocken angelegt wie es klingt. Das einzige was sich hier finden lässt sind grüne Kristalle, die mittels Moped zerstört werden müssen, um im späteren Spielverlauf Voraussetzungen zum Weiterkommen zu erfüllen. Hinzu gesellen sich kleinere unterirdische Ruinen, die mir unterdessen sehr gefallen haben, aber zu wenig Relevanz innerhalb des Spiels hatten. Obendrein gibt es immer wiederkehrende Gegner, die mittels Fernlenkraketen beseitigt werden können und kleinere Absturzstellen der Föderation, die aber auch recht wenig Tiefe bieten und erst richtig an Bedeutung gegen Ende des Spiels bekommen.

Immerhin lässt sich auch ein bisschen Spaß in der Wüste finden
Das Sol-Tal lädt somit so gar nicht zum Entdecken und Erkunden ein, dafür ist es strukturell einfach zu simpel angelegt. Es gibt keine Landmarks, die man aus der Ferne erblickt, die man erforschen möchte, keine NPCs die das Interesse wecken, es ist schlichtweg zu trostlos. Dabei ist der Gedanke die einzelnen Areale durch einen Hub zu verknüpfen per se kein schlechter, hier nur leider zu halbgar umgesetzt. Wieso die anschließenden Gebiete nicht organisch in die offene Welt übergehen lassen, wieso den gesamten Hub nicht interessanter gestalten? Retro Studios beweist doch im eignen Spiel dass sie hervorragende, atmosphärische Level erschaffen können, die einen völlig ins Game ziehen. Stattdessen habe ich in meinem Spieldurchgang die Wüste in den meisten Fällen nur zum durchqueren und eben nicht zum durchkämmen genutzt, was mir dann auch noch zum Verhängnis in der letzten Spielstunde wurde. Ich würde deshalb sogar soweit gehen und behaupten „Metroid Prime 4: Beyond“ wäre auch gut ohne dieses Sol-Tal ausgekommen.
Das grüne Gold
Ich hatte bereits die grünen Kristalle erwähnt, die im Sol-Tal verteilt zu finden sind. Genau diese bescherten mir leider eine unnötige Sammelquest, die spieldesigntechnisch absolut vermeidbar gewesen wäre. Um den letzten, finalen Bereich erreichen zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein – darunter das Einsammeln der fünf Schlüssel aus den verschiedenen Gebieten. Zusätzlich verlangt das Spiel jedoch eine bestimmte Menge grüner Energie aus eben jenen Kristallen, um weiter fortschreiten zu dürfen.
Für mich bedeutete das, dass ich kurz vor dem großen Finale minutenlang durch die Wüste kurvte, nur um genügend dieser grünen Ressourcen aufzuspüren. Unklar war dabei vor allem, wie viel ich überhaupt benötigte. Nach meinem ersten Abgabeversuch erhielt ich immerhin neue Fähigkeiten, beim zweiten Versuch allerdings lediglich ein Radar, das mir nun die exakten Positionen der Kristalle innerhalb der Wüste anzeigte – warum bekam ich dieses hilfreiche Tool nicht schon viel früher?
Aus meiner Sicht ist das ein klarer Designfehler: Die Bedeutung der grünen Kristalle wird erst sehr spät wirklich ersichtlich, und mein gut er Freund Mac Kenzie wies mich auch erst gegen Ende des Spiels regelmäßig darauf hin. Ein früherer Hinweis hätte hier viel Frust erspart. Klar: die vollständige Abgabe der grünen Heilsbringers hat in Bezug auf die Geschichte große Relevanz, ist aber völlig unterrepräsentiert während des Spiel.
So schön anzusehen
Metroid Prime 4: Beyond ist in vielerlei Hinsicht eine echte Augenweide. Das Entwicklerstudio hat es sowohl in der Switch-2-Version als auch auf der Vorgängerkonsole geschafft, ein äußerst atmosphärisches Spiel zu erschaffen. Auf Nintendo Switch 2 läuft es wahlweise mit satten 60 Bildern pro Sekunde in 4K oder mit flüssigen 120 Frames bei 1080p-Auflösung. Technisch erlaubt sich das Spiel keinerlei Aussetzer; lediglich an einigen Texturen ist der Switch 1-Ursprung erkennbar.

Auch klanglich überzeugt das Abenteuer voll und ganz: Der Soundtrack kombiniert großartige neue Stücke mit ikonischen Melodien der Reihe, die hier frisch interpretiert werden. Zusammen mit der erstklassigen Geräuschkulisse entsteht ein akustisches Gesamtbild, das die Inszenierung des Spiels hervorragend unterstützt und die Atmosphäre zusätzlich verstärkt.
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